Heute fragte mich jemand, der wohl mehr kath. Glauben hat als viele Kirchenmitglieder, aber aus Verdruss über die Geschichte dieser Kirche aus ihr ausgetreten ist, wie ich es denn in einer Kirche aushalten könnte, die im Laufe der langen Jahre so viel Übles angerichtet hat (und für alle theologisch Versierteren: ich benutze hier den landläufigen Kirchenbegriff, nicht den theologisch vielleicht korrekteren). Außerdem beklagte er, der selbst materiell sehr bescheiden lebt, dass man sich ellenlange Gedanken über Einkünfte, Pfründe etc. machen würde. Das sei nicht gerade jesuanisch.
Ich habe einfach mal frei gesagt, dass die Kirche hier auf Erden größtenteils ein Sauhaufen ist. Und genau deswegen passe ich da rein. Bin ich besser?
Moses hat einen Ägypter erschlagen, Paulus als Saulus Christen ermorden lassen, Petrus den Herrn verleugnet etc.
Gott bedient sich anscheinend mit Vorliebe der auf den ersten Blick miesen Typen für seine Pläne, und dann auch noch für eine Botschaft der Feindesliebe. Das soll mal jemand verstehen. Da wird ein Paulus wichtigster Apostel für die Heiden, gerade der, nicht irgendein Vorzeige-Ältester der Gemeinde aus XY. Mal ehrlich: wer würde Paulus heute noch zur Heiligsprechung vorschlagen? Einen Auftraggeber für mehrfachen Mord?
Es ist sehr verständlich, dass man Helden sucht. Und es ist noch viel verständlicher sie dort zu suchen, wo etwas geradezu Heroisches wie das Evangelium verkündet wird. Doch fündig wird man da nur selten (aber auch, das darf man nicht vergessen). Vielleicht ist es auch gut so, damit wir nicht zu sehr unsere Augen auf Menschen richten. Kein wahrhaft Heiliger hat sich jemals für heilig gehalten, nicht wenige haben sich sogar dagegen gewehrt, dass sie für heilig gehalten werden. Sie kannten sich eben. Auch bloß Sünder. Auch bloß der Gnade Gottes, Seiner zu 100% unverdienten Zuwendung bedürftig. Das sind wir alle. Ob Papst oder Prostituierte, ob Mönch oder Mörder, die Lage sieht für alle gleich aus: allein können wir gar nichts. Und Anspruchsdenken ist schon mal ganz fehl am Platz.
Deswegen: mit welchem Recht erwarte ich von anderen Dinge, die ich selber nicht erbringen kann? Und warum sehe ich Fähigkeiten (wie bspw. die des leicht-verzichten-Könnens) nicht als Geschenk “von oben” an, sondern fordere das dann auch von allen anderen?