Ich bin natürlich alles andere als ein Experte auf dem Gebiet der Medizinischen Ethik, lese mich gerade bruchstückhaft ein, aber ein erster Eindruck drängt sich auf:
Es scheint mir so, als würde das Gros der ethischen Debatte von den Vertretern eines sehr freizügigen Umganges mit dem Leben anderer (halte man sie nun für Menschen oder nicht) dominiert. Das mag verschiedene Gründe haben: Vertreter konservativerer Ansichten haben zum Teil religiöse Grundlagen in ihrer Entscheidungsfindung, die als nicht vermittelbar abgelehnt werden; manche haben einfach nur ein schlechtes Gefühl bei allzuviel “ist kein Mensch!”, können das aber nicht in Worte fassen und sehen daher subjektiv hilflos zu, wie alles in eine falsche Richtung läuft.
Bei den ganzen ethischen Debatten, zum Teil ja auch in den Medien debattiert, fiel mir bisher auf, daß es anscheinend zwei nicht hinterfragte Axiome gibt:
1. Für eine ethische Entscheidungsfindung dürfen ausschließlich rationale Gründe gelten.
2. Religiöse Gründe sind in einer pluralistischen Gesellschaft nicht mehrheitsfähig und daher a priori auszuschließen.
Zu 1: dies scheint die wenigsten wirklich zu stören, vielleicht aus intellektuellem Hochmut, aber die Frage sollte doch durchaus erlaubt sein, ob solche im wahrsten Sinne des Wortes existentiell wichtigen Fragen nur einen Aspekt des Menschseins, nämlich seine Fähigkeit zum rationalen Denken und Äußern, berühren dürfen. Ist der mindestens ebenso starke Aspekt des Gefühllebens so nebensächlich, als daß er hier als “Argument” nicht auftauchen darf?
Zu 2: eine pluralistische Gesellschaft hat ja nichtsdestotrotz in den meisten Fällen ein Mindestmaß an Wertekonsens, in unseren Land besonders den des Grundgesetzes. Dieser Mindestkonsens kann und darf durchaus auf religiösen Überzeugungen basieren - entscheidend ist nicht, wie der Konsens entstand sondern vielmehr, daß er demokratischen Bedingungen standhält. Ist die überwiegende Mehrheit von einer moralischen Aussage überzeugt, so darf sie durchaus aus religiösen Gründen erfolgt sein und ist dennoch zu respektieren und als ethisch ausreichend anzusehen (auch wenn man selbst die Begründung für falsch hält).
Aber trotz diesen Einwandes ist es dennoch gut möglich, und ich sehe da nur wenig gute Ansätze bisher (aber ich bin ja auch noch ganz am Anfang), auf rein rationellem Weg dem Lebensrelativismus argumentativ die Stirn zu bieten. Beispiele werden folgen.