Demütig leiten?

Der Erzbischof von Köln, Joachim Kardinal Meisner, hat mal wieder gesprochen, und zwar in einem Interview eines säkularen Mediums, also nicht gerade sein Lieblingsterrain.
Nun ist der Mann ja Schlesier aus Breslau, und aus fam. Hintergrund ist mir dieser regional mitbedingte Charakterzug alles andere als fremd (um nicht zu sagen halb ich).

Dennoch wird dem Erzbischof mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine unglaubliche Hochmut bezüglich des Wahrheitsverständnisses der kath. Kirche vorgeworfen werden. Sprich: er vertritt dieses Verständnis auch noch! (Gut, dies macht er nicht gerade klug, aber irgendwie ist dieser Mann ja berechenbar)

Die natürlich mangelnde christliche Tugend der Demut wird einem oder mehreren Bischöfen natürlich gerne vorgeworfen, wenn sie mal wieder ihre Lehrfunktion ausüben.
Aber mal ehrlich: kann sich jemand vorstellen, daß ein real existierender Schafhirte seine grasenden Tiere, die eigentlich nur an die Erfüllung ihrer biologischen Bedürfnisse denken, überhaupt “demütig” leiten? Wie soll das gehen?

Oder ein anderes Beispiel: ein Patient weigert sich bspw. standhaft, seinen Lebensstil an seine Diabetes-Erkrankung anzupassen. Wann vergehe ich mich am ärztlichen Ethos: wenn ich ihm höchstens mal en passant, wenn überhaupt, mitteile, welche Folgen das eventuell haben könnte, möglichst höflich und kosiliant, oder wenn ich ihm mit zunehmender Schärfe freundlich aber deutlich klar mache, worauf dieser Mensch zusteuert - natürlich ohne ihm die Freiheit zu nehmen, sich immer gegen den ärztlichen Rat entscheiden zu können?
Wann werde ich meiner Verantwortung gerecht?

Ja, Verantwortung ist der Kernbegriff. Denn dieser Mann steht mit seinem Seelenheil für das seiner über 2 Millionen Katholiken des Erzbistums Köln ein, ob diese das glauben oder nicht. Er tut das, er ist sicher, daß er dafür geradestehen muß, und auch jeder Arzt sollte auch davon überzeugt sein, daß er eine Verantwortung für die Patienten hat. Bei jedem Aufklärungsgespräch über diagnostische oder therapeutische Eingriffe muß sich der Arzt(!) vergewissern, daß der Patient ihn verstanden hat! Ein bloßes “ach, die können das ja nachlesen” oder “ich hab’s ja mal irgendwann gesagt” reicht nicht.

Vielleicht ist der Begriff der christlichen Demut ja doch anders gemeint als landläufig vermutet. Vielleicht hat es doch nicht so viel mit nur schwach erhobenem Zeigefinger zu tun… Denn die Demut der Christen ist zuallererst die vor Gott, und Er und kein anderer wird Joachim Meisner und Dich und mich richten.

Im übrigen schätze ich Kardinal Meisner besonders für seinen Mut: als Bischof unter dem DDR-Regime hat er im Untergrund der damaligen CSSR Männer aus Untergrund-Seminaren zu Priestern geweiht und damit auch seine eigene Freiheit und Unversehrtheit aufs Spiel gesetzt. Es gibt auch heute genug Länder, in denen der Name Christi verfolgt wird: des Bischofs Kritiker können ja mal zeigen, ob sie ebensoviel Gottvertrauen haben wie der Erzbischof von Köln. Hier im warmen und ungefährdeten Sessel geht das ja leicht.





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