Suspekt

Die in den USA immer mehr an Einfluß gewinnenden Neo-Konservativen, die sog. Neocons (ein guter Artikel über dieses Phänomen bei Wikipedia) spielen auch in der dortigen Kath. Kirche eine immer größer werdende Rolle. Die meisten Laien, die dort in der Verteidigung des Glaubens (Apologetik) aktiv sind, sind Konvertiten, haben also das ganze schon für sich selbst durchdenken müssen, und sind tendenziell eher konservativ (bin ich ja auch), da sie ja der Lehre der Kirche voll zustimmen und diese die Basis ihres Glaubens ist, keine selbstgebastelte Variante.

Ähh, nein. Nicht voll. Denn wenn es um Krieg und Todesstrafe geht, sind die ansonsten stärksten Anwälte Roms in den USA plötzlich ganz anderer Ansicht und vereinnahmen das Recht auf Dissens plötzlich für sich, während sie es in anderen Fällen strikt für andere ablehnen. Das machen nahezu alle bekannten Laienapologeten, so sympathisch sie auch sein mögen.

Sehr inkonsequent und seltsam. Das “New Oxford Review” hat schon seit längerem ein Auge auf diese kath. Neocons geworfen und nimmt sie unter die Lupe, insbesondere bzgl. ihrer kriegerischen Ambitionen (nicht alle Artikel sind kostenlos komplett zu lesen). Ein Auszug:

The story includes an interview with pro-war Judy McCloskey from an online support group for Catholics fighting in Iraq. She complains, according to the story, that “some Catholic ethicists have confused the issue.” Well, yes, Catholic ethicists such as Pope John Paul II and Cardinal Ratzinger (now Pope Benedict XVI), but they have hardly “confused” the issue, in fact they have clarified it, for both of them pronounced the war on Iraq to be unjust.





13 Kommentare zu “ Suspekt”

  1. scipio meint:


    Die Webseite von scipio

    Im Grundtenor hast Du recht, allerdings muß man dazu sagen, daß die “New Oxford Review” ein alter Todfeind der Theocons ist - rührt, glaube ich, daher, daß sich Fr. Neuhaus in First Things weigerte, einige aggressive Anzeigen der NOR abzudrucken.

    Zur Todesstrafe: Im August 2005 ein sehr nachdenklicher Artikel in First Things, von Joseph Bottum, dem 2. Redakteur dieser Zeitschrift. Was auch schon blogmäßig bemerkt und kommentiert wurde.

  2. Pelikan meint:


    Die Webseite von Pelikan

    Was soll daran inkonsequent sein? Verbindlich hat das Lehramt lediglich die *Merkmale* eines gerechten Krieges vogelegt. In der Frage, ob ein *bestimmter* Krieg diese Merkmale erfüllt, beansprucht der Papst keine größere Kompetenz als jeder andere Gläubige.

    Den legitimen Dissens darüber du nicht mit dem illegitimen Dissens über Akte vergleichen, die für intrinsisch böse erklärt worden sind. Weder Krieg noch Todesstrafe sind intrinsisch böse.

  3. Geronimo meint:


    Die Webseite von Geronimo

    Hilfe, ich habe ein deja vu …

    Geronimo

  4. Ralf meint:


    Die Webseite von Ralf

    Pelikan (nicht Petra, sorry!), “intrinsisch böse” oder nicht, damit bist du den Neokons schon auf den Leim gegangen. Überleg selbst, schau dir die Kirchenväter an, und dann frag dich, ob bspw. neoliberale Wirtschaftspolitik nicht intrinisch böse ist, ein homosexueller Geschlechtsakt dagegen schon. Beides halte ich für grundfalsch, aber entweder es ist falsch oder nicht. Falscher als falsch geht nicht.

    Außerdem beansprucht das Lehramt natürlich auch die Auslegung der Kriterien, ist doch klar, macht es bei anderen Sachen ja auch. Sonst könnte jeder Krieg von Katholiken nach Gefühl als gerecht erklärt werden, weil man eben der Meinung sei, die Kriterien seien erfüllt. Ob dem so ist oder nicht, entscheidet nicht jeder Katholik für sich. Es geht hier nämlich nicht um einen selbst.

  5. Pelikan meint:


    Die Webseite von Pelikan

    >Überleg selbst, schau dir die Kirchenväter an, und dann frag dich, ob bspw. neoliberale Wirtschaftspolitik nicht intrinisch böse ist, ein homosexueller Geschlechtsakt dagegen schon.

    Doch, genau so ist es.

    “Im Falle der positiv gebietenden sittlichen Gebote ist es stets Aufgabe der Klugheit festzustellen, wie weit sie für eine bestimmte Situation zutreffen, indem man zum Beispiel andere, vielleicht wichtigere oder dringendere Verpflichtungen berücksichtigt. Die negativ formulierten sittlichen Gebote hingegen, das heißt diejenigen, die einige konkrete Handlungen oder Verhaltensweisen als in sich schlecht verbieten, lassen keine legitime Ausnahme zu; sie lassen keinerlei moralisch annehmbaren Freiraum für die »Kreativität« irgendeiner gegensätzlichen Bestimmung. Ist einmal die sittliche Artbestimmung einer von einer allgemeingültigen Regel verbotenen konkret definierten Handlung erkannt, so besteht das sittlich gute Handeln allein darin, dem Sittengesetz zu gehorchen und die Handlung, die es verbietet, zu unterlassen.” (Veritatis Splendor, §67)

    Der Auftrag an die Obrigkeit, das Zusammenleben gerecht zu gestalten, ist ein solches positives Gebot. Ob eine bestimmte Maßnahme dazu geeignet ist oder nicht, muß man am Einzelfall beurteilen. Ich halte die neoliberale Politik für völlig verfehlt. Aber diese Verfehlung liegt in den Konsequenzen, die ich aus ihr erwarte, nicht in der Natur eines Aktes, wie bei einem wider die Natur gerichteten Geschlechtsakt.

    >Falscher als falsch geht nicht.

    Nicht alle Sünden sind gleich schwer, und unklug zu handeln muß nicht zwangsläufig sündig sein.

    >Außerdem beansprucht das Lehramt natürlich auch die Auslegung der Kriterien

    Selbstverständlich erkennt die Kirche seit jeher an, daß die Entscheidung über Krieg und Frieden bei der weltlichen Gewalt liegt: “Die Beurteilung, ob alle diese Voraussetzungen für die sittliche Erlaubtheit eines Verteidigungskrieges vorliegen, kommt dem klugen Ermessen derer zu, die mit der Wahrung des Gemeinwohls betraut sind.” (KKK §2309)

    In einer Demokratie ist das im Endeffekt jeder wahlberechtigte Bürger.

  6. Ralf meint:


    Die Webseite von Ralf

    Mag sein, Pelikan, aber der Wahrung des Gemeinswohls verpflichtet ist das bischöfliche Lehramt weitaus mehr als der einzelne Katholik (abgesehen davon, daß die Voraussetzungen bspw. des Irakkrieges auf Fehlern oder Lügen beruhten und man allein schon nach Erkennen sofort hätte abziehen müssen).

    Der Katholische Glaube ist keine “Law and Order”-Religion, der pastorale Einzelfall (ich betone, daß es sich um Einzelfälle handelt und nicht um Verallgemeinerung!) läßt sich durch keinen Katechismus regeln.
    Das Oberste Gebot ist das der Liebe und Barmherzigkeit. Grundsätzliche moralische Regeln, die des CIC, habe ihren wichtigen Wert und ich möchte keine davon geändert sehen (gut, wenige Ausnahmen, aber die gehören nicht zur bekannten Streitmasse). “Law and Order” mit der Festlegung aller “Do’s and Dont’s” ohne Barmherzigkeit ist aber definitiv nicht katholisch.

    Mutter Teresa bspw. wurde mal von einem säkularen Journalisten gefragt,was sie von Krieg hielte. Sie war generell dagegen. Als er ihr dann vorzuhalten meinte, daß die Kirche dies aber anders sehe, wurde sie aufbrausend und fragte: “wollen Sie mir etwa sagen, ich sei nicht katholisch?”

    Ich gebe zu, ich halte es lieber mit Mutter Teresa.

  7. Pelikan meint:


    Die Webseite von Pelikan

    Hättest du Mutter Teresa in ein politisches Amt gewählt? 2005 zur Bundeskanzlerin von Deutschland? Oder 1940 zur Premierministerin von England, mit Hitler vor der Tür?

    Ich nicht. Mit Weisheit, die nicht von dieser Welt ist, läßt sich in dieser Welt kein Land regieren. Ein Mönch gehört so wenig in den Palast wie ein König ins Kloster.

  8. Ralf meint:


    Die Webseite von Ralf

    Den Katholiken wie allen Christen muß es aber vor allem anderen, vor allem anderen weltlichen auch und vor allem, um das Reich Gottes gehen! Und dazu gehört es eben auch, Unrecht zu erdulden.

  9. Geronimo meint:


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    Na ja, Pelikan .. somit scheinen für dich Gottes Zehn Gebote in zwei Kategorien zu zerfallen - einmal die, die man deines Erachtens offenbar stets und immer einhalten muss (siehe deine moralischen Ausführungen in diversen Forumsdiskussionen, wo du uns erklärt hast, was uns blüht, wenn wir Gottes Gebote nicht halten)und das wäre dann in deinem Fall das Sechste Gebot: Du sollst nicht ehebrechen. Könnte mich nicht entsinnen, dass du bei dieser Sache gesagt hättest, die weltliche Gewalt hätte was zum Thema beizutragen oder gar was zu bestimmen. Dies wäre also eines der Gebote, die für dich nicht diskutierbar sind.

    Das Gebot: Du sollst nicht töten” jedoch, das m.E. den am Jesu allerwichtigsgten Bereich betrifft, nämlich unsere Friedensbereitschaft - das kann nach Gutdünken gewrungen und gedreht werden und da wird plötlich die weltliche Gewalt hocbgelobt. Die Zehn Gebote stehen indes über der weltlichen Gewalt, denn Gott hat sie uns gegeben, weil eben diese weltliche Gewalt schon damals korrumpierbar und knetbar war Damit wir uns orientieren, nicht damit wir die Gebote verwässern und ausdünnen.

    Von du da von dir gibst, halte ich für gequirlte Luft, bar jeglicher Bindung ans Evangelium; du versteckst dich hinter Regelwerk und Buchstaben.

    “Du sollst nicht töten
    ” hat seinen ursächlichen Zusammemnhang mit Jesus’ Worten “Selig sind die Friedfertigen.” Das ist Jesus Vermächtnis.

    Es ist unglaublich, wie du die klare Aussage Gottes und die klare Aussage unseres Bruders und Heilands Jesus Christus, verbiegst.

    Geronimo

    G

  10. Ralf meint:


    Die Webseite von Ralf

    Nun ja, Pelikan gibt ja pinzipiell erst einmal den Wortlaut der kirchl. Lehre wieder. Das kann man ihm nicht vorwerfen, Geronimo. Allerdings ist diese Darstellung verkürzt, da sie eben die Prioritäten auf Law and Order setzt - genau darum geht es im kath. Glauben nicht. Das katholische Rechtsprinzip habe mal hier zusammengefaßt. Das ist ein Prinzip der Liebe, Prinzip der Gnade. Teure Gnade, weil sie nicht umsonst ist, siehe den Text von Bonhoeffer, Liebe, weil es immer den Einzelnen im Auge und Herzen hat.

  11. Geronimo meint:


    Die Webseite von Geronimo

    Schon recht, Ralf. Aber er mißt mit zweierlei Maß. Und Jesus’ klare Aussage wird dadurch relativiert. Die Bergpredigt ist hiermit zur Beliebigkeit freigegeben. Die von Jesu radikalst geforderte Friedfertigkeit wird zu einem netten Attribut, zu einem hübschen und ein bißchen idiotischen Charakterzug - mehr ist da dann nicht mehr. Dann kommt man letzten Endes zu der schönen Floskel:”Ja, ich bin ja auch für den Frieden, aber …” Und dieses Aber, da bin ich mir ganz sicher, hat Jesus nicht gesagt und nicht gemeint und er will es auch nicht von uns hören.

    Im Grunde geht es aber vor allem um die Zehn Gebote, die “Verfassung” des Gottesvolkes insgesamt. Wenn ich da anfange, zu relativieren, indem ich Taten für legitim erkläre, deren Aufkommen oder Nichtverhinderung einzig der menschlichen Schwachheit entspringen, dann kann ich jedes dieser Gebote kippen. Dann kann ich auch sagen - ein bißchen Ehebruch darf sein, ein bißchen klauen ist doch nicht schlimm, ein bißchen weniger Gott lieben macht nichts - denn ein bißchen Töten ist ja auch gestattet und ein bißchen Krieg führen, warum sollen wir dann mit den anderen Geboten pingelig sein?Damit sind die Zehn Gebote schlichtweg verweltlicht und reif für die Müllhalde.

    Mich ärgert dieses zweierlei Maß. Auf der einen Seite wird sich maßlos ereifert, dass Geschiedene zur Kommunion gehen wollen (wobei aber ja nun keine Menschenleben zur Disposition stehen), auf der anderen Seite werden wortreiche Ausführungen gemacht, um die Todesstrafe oder einen Krieg zu rechtfertigen. Na ja …

    Die Aufforderung zum Frieden kommt ja aus einer Zeit auf uns zu, als Kirche noch gar nicht vorhanden warw, wo ein katholisches Rechtsprinzip noch in weiter Ferne war. Die Zehn Gebote sind ja die erste unmittelbare klare Weisung Gottes an uns, die erfolgt ist. Und ihre klare Aussage lässt keinen Spielraum zu.

    Geronimo

  12. Ralf meint:


    Die Webseite von Ralf

    Die ganz konkreten Forderungen der Bergpredigt sind in der Tat die schärfsten und anspruchsvollsten, die der christliche Glaube zu bieten hat, von der absoluten Friedfertigkeit über Feindesliebe bis zum Scheidungsverbot und Verzicht auf zustehende Rechte. Ich denke ebenso wie Du, daß die Kirche hier Kompromisse eingeht, die sie nicht eingehen dürfte.

    Allerdings sehe ich auch, daß ich es ebenfalls tue, in meinem ganz persönlichen Alltag. Daher kann ich nicht so scharf urteilen.

  13. Geronimo meint:


    Die Webseite von Geronimo

    Ich geh mir dir völlig einig, Ralf. Ich urteile auch keineswegs scharf über Leute, die in dieser unserer Welt ebenso wie ich weit hinter dem zurückbleiben, was sein soll - das geht uns allen so, egal, ob es Krieg oder unseren eigenen Alltag betrifft. Wir stehen in Situationen, die wir uns so nicht wünschen, können aber nicht entfliehen oder etwas anderes einleiten. Ja, wir finden uns sogar in Situationen, wo wir völlig schizphren denken und handeln. Ich erinnere mich in dem Zusammenhang an den Vietnam-Krieg, wo ich einerseits total stolz auf meinen Vater war und auf seine Auszeichnungen (und immer noch bin), andererseits aber völlig davon überzeugt war, dass dieser Krieg falsch sei und uns nur ins Unglück stürze. Einer solchen Schizophrenie kann man nicht entrinnen.

    Mein scharfes Urteil gilt allein denen, die aus der Not eine Tugend machen, die legitimieren wollen, was nicht legitimierbar ist, die rechtfertigen, wo es nichts zu rechtfertigen gibt, die nicht zugeben können oder wollen, dass bestimmte Handlungen gegen Gottes Gebot verstoßen. Man kann ja als Mensch versagen (und wird es mit Sicherheit auch), aber man soll es nicht schönreden.
    Das ist, was ich meine.

    Geronimo


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