Wenn man, was ich tue, dem Papst auch nicht unterstellt, dieses mittlerweile berühmte Zitat des byzantinischen Kaisers ausgesucht zu haben, um die muslimische Welt zu provozieren, so war es doch zweifelsohne nicht klug gewählt.
Auch Papst-Sein will gelernt sein, zumal will gelernt sein, was man dann alles nicht mehr sein kann, wie bspw. mal für eine akademische Vorlesung nur ein Professor der Theologie.
Die Reaktion mancher Muslime - faktisch eine winzige Minderheit, medial präsentiert als so große Masse, daß selbst musl. Führer darauf eingingen - war natürlich ohne Abstrich vollkommen inakzeptabel.
Es herrscht eine absolute Sprachlosigkeit auf beiden Seiten, jede Bewegung wird mißverstanden, Mißtrauen und Skepsis sind die derzeitige Basis. Viele Muslime in allen Himmelsrichtungen und aus allen Kulturkreisen sehen den Islam als prinzipiell angegriffen an. Warum mag das so sein? Ich habe keine genaue Antwort darauf, nur Ahnungen.
Ganz im Gegensatz zur landläufigen Meinung sehe ich nämlich kein Erstarken des Islam, ich sehe einen Kampf des Islam gegen den Säkularismus, wie ihn die christlich-geprägte Welt schon längst aufgegeben hat. Moderne=Glaubensabfall, so hieß es lange auch bei uns. Nur ist das philosophische Rückgrat des Islam nicht so stark wie das des Christentums, so erscheint es mir wenigstens (ich mag vollkommen daneben liegen und bitte um Korrektur). Die christliche Philosophie wuchs 1. in der Auseinandersetzung mit ursprünglich fremdem Gedankengut (Hellenismus) und 2. im systematischen Denken (bspw. Thomas von Aquin). Der Islam dagegen hat fremdes Gedankengut zwar bearbeitet (und einem Ibn Rushd - Averroes - verdanken wir Aristoteles!), aber nie harmonisch integrieren können, letztendlich stand Ibn Rushd im Islam selbst abseits.
Das hängt natürlich eng mit der Stellung des Qur’an zusammen, der nach orthodoxer vorherrschender Lesart ja eine Verbalinspiration darstellt. Streng genommen ist es auch kein Arabisch, sondern Gottes Wort, über jeder Sprache. Da kann es keine Harmonisierung geben, ein Al-Ghazzali harmonisierte nicht, sondern verwarf. Der Islam kennt nicht die Tradition des Christentums, den Logos in anderen Geistesströmungen als Vorahnung zu suchen, da käme niemand auf die Idee, Platon als Quasi-Muslim zu bezeichnen.
Natürlich sieht das im Alltagsleben anders aus, auch da gibt es im Islam bspw. eine Art Heiligenkult, doch der Unterschied ist eben der, daß die anerkannten Rechtsschulen (als Repräsentanz des orthodoxen Islam) so etwas nicht kennen. Es gibt als orthodoxe Lesart die Abgrenzung, nicht die Vereinnahmung.
Woran erkennt man das? Stichwort Inkulturation. Da wird nichts inkulturiert, da werden Kulturen arabisiert, sehr eindrücklich bspw. in Ostasien zu sehen.
Ich habe nichts dagegen, wenn ein Sohn eines Diktators den Papst doch auffordert, anstelle einer Entschuldigung ein islamisches Glaubensbekenntnis abzuliefern. So etwas zeugt doch von Selbstbewußtsein (ich kann ja auch nichts dafür, wenn sich die Muslime alle im Irrtum befinden… :-) )
Es gab also durchaus große islamische Philosophie, doch blieb sie immer Avantgarde. Das ist das Problem, neben vielem anderen.
Was kann “der Westen” tun? Ich denke: nichts. Eine Reform der islamischen Gelehrtenschaft, denn auf die kommt es an, kann es nur von innen heraus geben. Da etwaige Reformer zu unterstützen, untergräbt wegen gemeinter “Verräterschaft für den Westen” gleich zu Beginn alles. Nein, wir können nur abwarten.
Einen richtigen Dialogpartner haben wir nicht, zumindest keinen, der für viele spricht. Jeder, der sich für den Dialog aber interessiert, kann und soll auf lokaler Ebene das Gespräch suchen.
Ach ja: am 03.10. ist in Deutschland auch Tag der Offenen Moschee.
Gehen wir hin (ich muß arbeiten, also kann jemand für mich gehen?). Das Leben ist immer “grassroots”.
mr94 meint:
30. September 2006Die Webseite von mr94
Die These, das Zitat sei nicht klug gewählt, möchte ich doch ganz entschieden bezweifeln. Die Reaktionen aus der muslimischen Welt sind meines Erachtens völlig willkürlich und hätten auch einen anderen Anlass nehmen können.
Bezeichnend waren für mich die ersten Stellungnahmen muslimischer Vertreter aus Deutschland, denn sie waren positiv. Die Empörung setzte erst zwei Tage nach der Vorlesung sein - solange dauert es, bis spontane Kundgebungen organisiert sind.
Der Papst ist zu Recht erschrocken und besorgt über die Angriffe, aber letztlich beweisen sie nur, wie sehr er ins Schwarze getroffen hat. (Und so auch Deine Analyse hier.)
Die Kommentarvorschau ist übrigens kaputt. :)
Ralf meint:
30. September 2006Die Webseite von Ralf
(Der blöde Kommentavorschau-Plugin setzt eben manchmal aus - keine Ahnung warum! Kennst Du einen guten?)
Es ist keine These, es ist meine Meinung. Denn die Frage ist ja, ob es darum geht zu gewinnen (Ätsch, habt genauso reagiert wie zitiert) oder ob es darum geht Menschen zu gewinnen - das setzt aber ein behutsameres Vorgehen voraus.
mr94 meint:
30. September 2006Die Webseite von mr94
Bei mir läuft Live Comment Preview.
Ich glaube, nach allem, was ich in den letzten Wochen gelesen habe, nicht mehr an ein behutsameres Vorgehen gegenüber einem aggressiven Islam.
mr94 meint:
30. September 2006Die Webseite von mr94
Sorry, der richtige Link: Live Comment Preview.