Staatsmedizin - näher gebracht

Mal nach längerer Zeit was medizinisches bzw. medizinisch-politisches.

Das Aufregen um die zunehmende “Staatsmedizin”, so wird es von ärztlichen Berufsvertretern ja genannt, also eine staatlich verordnete Gängelung der Berufsausübung des Arztes, hatte ich bisher nie verstanden. Zugegeben, ich hatte das System auch nie richtig durchschaut.

Ob es mir da so wie der Mehrheit der Bevölkerung ging und geht?

Da ich ja seit über einem Monat in einer Allgemeinmedizinischen Praxis arbeite, habe ich natürlich viel mehr Einblick - und, ich gebe zu, es gefällt mir nicht sehr, was ich da an Honorareinblick sehe.

Es gibt ja hierzulande den berühmten Punktwert. Das heißt, jede medizinische Leistung wird mit der Krankenkasse indirekt nicht in Euro, sondern in Punkten abgerechnet. Dabei hat der Punkt für den klassischen Hausarzt derzeit (und nächstes Jahr ebenso) einen Wert von ca. 4,8 Cent (hier die offizielle pdf-Quelle für dieses und alles folgende).

Soweit ist ja noch alles einsichtig, einfach Punkt statt Geld.

Die Staatsmedizin beginnt aber verständlicherweise da, wo vorgeschrieben wird, wieviel ein Arzt durch Kassenpatienten verdienen darf, und genau das geschieht.

Ein Allgemeinmediziner hat wie jeder andere niedergelassene Arzt pro Dreimonatszeitraum (dem berühmten Quartal) einen sog. Punktzahlengrenzwert, d.h. das ist das Maximum an Punkten, die er abrechnen darf - vulgo: mehr darf er nicht verdienen (mit “Kassenpatienten”)!

Egal, ob er so gut ist, daß die Leute zu ihm strömen, ob er außerordentlich nett ist, ob er extra kompetent ist, ob er besonders effizient arbeitet, es gibt ein Limit. Genau deswegen machen viele Praxen am Quartalsende “Urlaub”, denn ab Erreichen dieses Grenzwertes arbeitet der Arzt nicht nur umsonst, sondern zahlt selbst.

Und dieser Grenzwert liegt beim Allgemeinmediziner genau bei 612.066 Punkten pro Quartal. Daraus kann man errechnen, daß der Umsatz in drei Monaten maximal rund 29.400 Euro betragen darf.
Es ist nicht übertrieben, für Personal und Praxisräume samt Schulden (auch eine Praxis muß abbezahlt werden) ca. 60% abzuziehen. Bleiben also rund 11.750 Euro, das sind 3920 Euro pro Monat.

Das ist das zu versteuernde Bruttogehalt. 3920 Euro.

Kann man von leben, klar, doch ich denke, daß sich nicht nur einige Blogger vorstellen können, daß eine bspw. vier oder noch mehrköpfige Familie samt Immobilie davon nicht einfach mal so zu finanzieren ist.

Dabei ist das Problem gar nicht diese Summe als solche, sondern der Umstand, daß der Staat vorschreibt, wieviel ein Selbständiger verdienen darf. Denn eine Verdienstgarantie gibt es natürlich nicht.

So langsam verstehe ich meine Kollegen.





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