An zweiter Stelle

Dem Bruder Antonius, meinem Bischof , wünsche ich, Bruder Franziskus, Heil.
Es gefällt mir, daß du den Brüdern die heilige Theologie vorträgst, wenn du nur nicht durch dieses Studium den Geist des Gebetes und der Hingabe auslöschest, wie es in der Regel steht.

Mit diesem kleinen Brief erklärte sich Franziskus einverstanden, daß Antonius von Padua (für Portugiesen natürlich Antonius von Lissabon) Theologie unterrichtet. Allerdings steht die Theologie für Franziskus eindeutig an zweiter Stelle hinter der eigenen Beziehung zum Herrn in Gebet und Hingabe.

Einer der größten Theologen des Hochmittelalters, Bonaventura, der ebenfalls zum Minderbrüderorden gehörte, sagte das später so:

Willst du aber wissen, wie das geschieht,
dann frage die Gnade, nicht die Wissenschaft;
die Sehnsucht, nicht den Verstand;
das Seufzen des Gebets, nicht das forschende Lesen;
den Bräutigam, nicht den Lehrer

Auch hier, trotz der eigenen theologischen Meisterschaft, steht die Frömmigkeit an erster Stelle.

Das ist das Problem, wenn man immer wieder ausschließlich auf eine gute theologische Ausbildung wert legt. Diese ist sehr wichtig, aber sie steht eben an zweiter Stelle. Doch wer wird gefragt, insbesondere von säkularer Presse, wenn es um Fragen des Glaubens geht, wenn es gar um Gott selbst geht und man keinen Kirchenmann fragen will: man fragt Theologen, aufgrund ihrer theologischen Qualifikation. Ist das richtig so? Weiß nicht vielleicht der jahrzehntelange Beter mehr?

In einem lesenswerten Artikel wird es als ein riskanter Spagat beschrieben, wenn man eine Synthese aus Wissenschaft und Frömmigkeit in einer Person ausbalancieren will. Wichtig erscheint mir vor allem die Feststellung, daß kein Theologe einem die eigenen geistlichen Erfahrungen mit dem Dreifaltigen Herrn madig machen kann. Die Beziehung zählt, die Reflexion darüber ist wichtig, aber sekundär. Eine Freundschaft wird nicht dadurch stärker, indem man ohne den Freund über sie nachsinnt, sondern nur mit ihm.





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