Konzilsinterpretationen

Wie schon im letzten Beitrag angeklungen, gibt es ein Thema, daß meines Erachtens nach entscheidend ist für den zukünftigen Dialog zwischen katholischer Kirche und Orthodoxie (aufgrund der sehr differierenden Meinungen in der Orthodoxie gibt es bei ihnen aber kein einheitliches Bild, mehr dazu gleich). Alles sprechen zwar vom Papsttum, die Ausübung dieses Amtes ist auch diskutierbar, aber noch viel wichtiger ist die lange Historie der verschiedenen Interpretationen von kirchlichen Synoden/Konzilen. Leider gibt es zu wenige Experten auf diesem Gebiet, auf dem u.a. Walter Kardinal Brandmüller sehr bewandert ist.

Im Westen gab es schon sehr früh die Auffassung, daß die Glaubenssaussagen der Konzile verbindlich sind, die disziplinarischen dagegen wandelbar. Obwohl die letzteren durch ggf. jahrundertlange Auflage einen eigenen Wert erhalten, der nicht einfach wegzufegen ist “weil es ja keinen Glaubensartikel berührt”, sind sie prinzipiell von der höchsten kirchlichen Autorität anpaßbar.
Ich bin mir nicht sicher, ob diese Auffassung im Osten ebenso überall Fuß fassen könnte, ich bezweifle es jedenfalls.

Vielleicht erinnert sich der eine oder andere noch daran:

- im Ökumenischen Rat der Kirchen gab es plötzlich und für die andere Seite unerwartet das Votum der orthodoxen Teilnehmer, daß man nicht mehr mit Protestanten zusammen beten könne.
- ein orthodoxer Bischof Zyperns meinte mit Papst Benedikt nicht zusammentreffen zu wollen, weil Papst Benedikt ja gar kein Bischof sei.

Diese beiden uns vielleicht skurril vorkommenden Meinungen haben ihre Grundlage in einem Dokument, das schon uralt ist und immer umstritten war:

die sogenannten Apostolischen Kanones, einer Sammlung von Grundsätzen in der Kirche. Da heißt es u.a. in Kanon 11:

If any one shall pray, even in a private house, with an excommunicated person, let him also be excommunicated.

(Quelle)

Kein Wunder also, daß das Gebet abgelehnt wurde. Und es paßt auch zur strengen orthodoxen Auslegung, daß es richtige Sakramente nur innerhalb der eigenen Kirche gibt, also daher Papst Benedikt auch kein Bischof im eigentlichen Sinn sei. Solche orthodoxen Kleriker sind keine schrägen Vögel, sondern nehmen die Kanones sehr ernst.
Nur, und da liegt der Hase im Pfeffer: kaum ein orthodoxer Bischof würde sagen, daß alle jemals verabschiedeten Kanones noch unverändert gültig sind. Welche das aber jetzt genau sind und wer das nach welchen Kriterien entscheidet, da gibt es keinen innerorthodoxen Konsens und keine sicheren Kriterien.

Die Synode von Elvira hatte im schon erwähnt als eine Synode, die vom Westen einberufen vom Osten nie akzeptiert wurde. Ähnliches geschah umgekehrt mit der Trullanischen Synode. Die hat der Westen (in persona des Papstes) nie akzeptiert. Auffallend bei dieser Synode ist, daß dort westliche liturgische Entwicklungen verurteilt worden sind (nicht gerade vorteilhaft, wenn man die Akzeptanz der Synode will). Aufgrund der richtigen Einstellung, daß das Gesetz des Gebetes (lex orandi) auch das Gesetz des Glaubens darstellt (lex orandi), wurden Weiterentwicklungen eben als fehlerhafte Abweichungen bezeichnet und verurteilt.

Mir geht es jetzt gar nicht um dieses Konzil oder das von Elvira im einzelnen, sondern um die Feststellung, daß die unterschiedliche Rezeptionsgeschichte der vielen Konzile ein wichtiges zu beackerndes ökumenisches Feld darstellt. Dies ist eng mit der Geschichte des Papsttums verwoben, wird jedoch zumindest in der kirchlich interessierten Öffentlichkeit kaum beachtet.





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