Die Autorin hat eine sehr schmerzhafte Biographie durchlebt: zwangsweise auf die Koranschule in Pakistan, dem Heimatland ihrer Eltern, dort auch zwangsverheiratet mit allen Folgen (obwohl sie selbst ihre Jugend mit ihrer Familie in Österreich verbracht hat - außer ihr hat niemand in der Familie dem westlichen Wertesystem des individuellen Rechts etwas abgewinnen können) - dann die Flucht mit absoluter Trennung von ihrer Familie, das Finden des Liebenden Gottes in Jesus Christus. Nun setzt sie sich für Frauen ein, die ebenso gelitten haben wie sie selbst oder noch leiden, hier im dtsprachigen Europa oder auch in ihrem “Heimatland”.
Was ist gut an dem Buch?
Erst einmal ganz einfach: es ist sehr leicht zu lesen.
Es ent-täuscht. Es zerstört die westlich liberale Täuschung, daß ein Großteil der muslimischen Bevölkerung, sei es im Westen oder im arabisch-asiatischen Raum, sich schon irgendwann in ihrem inneren Wertekompaß “angepaßt” haben wird, da die Aussagen des Koran das expressis verbis verbieten. Für die überwiegende Mehrheit der Muslime gilt die wortgetreue Interpretation der moralischen Forderungen des Koran und da gibt es keinen Kompromiß.
Es zeigt zudem auf, wie alltäglich diese Themen Zwangsheirat, Quasi-Sklaverei, Polygamie, Rechtlosigkeit von Frauen etc. bei uns sind. Womöglich in meiner Nachbarschaft in meinem Viertel gibt es solche Fälle (die soziologische Struktur dafür ist mehr als gegeben).
Es zeigt zudem auf, warum die beschriebenen Gerichtsverhandlungen so selten zu einem gewünschten Ergebnis führen. Die Familienbande ist so stark - für viele Nordeuropäer in diesem Extremen nicht zu verstehen - daß die mißbrauchte Person häufig ihre Peiniger nicht wirklich bestraft sehen will.
Und es zeigt auch das für mich immer wieder überraschende Faktum auf, daß gebildete Menschen ihr (positives oder negatives, im Buch positives) Vorurteil über die eigene Religion nicht anhand der Quellen überprüfen wollen. So gibt es Muslime im Buch, die sagen, daß gewisse Sureninhalte nicht im Koran stehen würden, weil so etwas “nicht sein könne”. Überprüft wird das aber (aus Angst?) nicht.
Was ist schlecht an diesem Buch?
Ich finde es für zu leicht zu lesen, die Qualität ist mager.
Ich halte es für zu pamphletisch, da die Interpretation des Koran, die die Autorin eingetrichtert bekam, als die allein wahre dargestellt wird. Wer eine andere bevorzuge (und zwar im Lebensvollzug, nicht durch Worte), würde den Islam nur falsch verstehen. Ich denke zwar, daß diese anderen Interpretationen eine zahlenmäßig sehr kleine Minderheit darstellen (da gebe ich mich keinen Illusionen hin), aber auch sie sind schon altehrwürdig (Sufismus, Alevitentum).
Die Autorin regt sich mehrfach darüber auf, daß die Richter nicht den kulturellen Hintergrund verstünden, warum eine Anklägerin (die mißhandelte Frau) sich nicht in der Lage sieht, ihre Peiniger (häufig männliche Angehörige wie Väter oder Brüder) mit ihrer Aussage zu belasten. Auch wenn die kulturellen Hintergründe der Klägerinnen dies nachvollziehbar machen, halte ich es für eine große Errungenschaft unserer Kultur, daß niemand als schuldig gilt, solange es nicht vor einem unabhängigen Gericht bewiesen ist, auch wenn wirklich alle Beweise gegen ihn sprechen. Dies leichtfertig beiseite zu schieben ist fahrlässig.
Also ein kontrovers zu beurteilendes Buch zu einem viel zu wenig präsenten Thema.