Nachtrag
Beim vorletzten Beitrag hatte ich noch angekündigt nachzureichen, warum ich das Argument der Potentialität von Menschen in Bezug auf ihre Selbstreflexion für falsch halte.
Der Grund dafür ist relativ einfach.
Letztlich akzeptiert man nämlich durch dieses Argument, daß der Mensch sein Menschsein einer Fähigkeit verdankt, letztlich einer Leistung. Durch das Argument der Potentialität wird dies akzeptiert, daß es letztlich darauf ankäme und nicht auf die bloße, vollkommen zweck- und leistungsfreie Existenz dieses Wesens an und für sich, was wir meistens einen “Menschen” nennen.
Das ist eine gefährliche Route, die christlicherseits keinesfalls beschritten werden sollte. Für uns muß es entscheidend sein, daß wir da sind (und im christlichem Verständnis auch daß wir gewollt sind), vollkommen unabhängig von Leistungen (auch die Selbstreflexion ist faktisch eine) oder von außen zugesprochener Würde (die Selbstreflexion muß ja als solche von anderen wahrgenommen werden).
Das bloße Dasein gibt uns Würde.
Interessanterweise, wenn auch hier nicht entscheidend, kennt das dt. Strafgesetz(!) die Würde von vollkommen Leblosen (während bei Lebenden darüber diskutiert wird!). Es gibt mit dem §168 die “Störung der Totenruhe” [sic!], die mit Geldstrafe oder Freiheitsentzug bis zu drei Jahren bestraft wird.
Somit ist es straflos möglich, einen “Leibesfrucht” (Juristendeutsch) zu töten, aber es wird bestraft, wenn man mit dieser “beschimpfenden Unfug verübt”.
Bei diesem Paragraphen klingt es noch durch, das Verständnis von Würde des Menschen aufgrund unserer nackten Existenz. Das Argument der Potentialität von Ungeborenen oder ehemaligen Leistungsfähigkeit von Demenzkranken dagegen führt uns nicht weiter.