Lernen am Beispiel

Die protestantische Theologie zeichnet sich m.W. auch dadurch aus, daß sie eine - auf Römerbrief Kapitel 13 beruhend - ausgesprochene Nähe zur staatl. Herrschaft als göttlich gewollt eher betont hat (um es mal vorsichtig auszudrücken). Sprich: der Obrigkeit ist prinzipiell eher zu gehorchen, weil diese gottgewollt eingerichtet sei.

(In der Orthodoxie findet sich dieses Phänomen bis heute auch)

Der Apostel Paulus schreibt in dem Brief an die Römer, Kapitel 13:

1 Jeder leiste den Trägern der staatlichen Gewalt den schuldigen Gehorsam. Denn es gibt keine staatliche Gewalt, die nicht von Gott stammt; jede ist von Gott eingesetzt.
2 Wer sich daher der staatlichen Gewalt widersetzt, stellt sich gegen die Ordnung Gottes, und wer sich ihm entgegenstellt, wird dem Gericht verfallen.
3 Vor den Trägern der Macht hat sich nicht die gute, sondern die böse Tat zu fürchten; willst du also ohne Furcht vor der staatlichen Gewalt leben, dann tue das Gute, sodass du ihre Anerkennung findest.
4 Sie steht im Dienst Gottes und verlangt, dass du das Gute tust. Wenn du aber Böses tust, fürchte dich! Denn nicht ohne Grund trägt sie das Schwert. Sie steht im Dienst Gottes und vollstreckt das Urteil an dem, der Böses tut.
5 Deshalb ist es notwendig, Gehorsam zu leisten, nicht allein aus Furcht vor der Strafe, sondern vor allem um des Gewissens willen.
6 Das ist auch der Grund, weshalb ihr Steuern zahlt; denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben.
7 Gebt allen, was ihr ihnen schuldig seid, sei es Steuer oder Zoll, sei es Furcht oder Ehre.

Soweit so (anscheinend) klar.

Was haben aber die Apostel tatsächlich getan? Wie gingen sie mit Anordnungen der Obrigkeit um? Dazu findet sich eine interessante Episode in der Apostelgeschichte, von der ich nicht weiß, inwiefern sie Eingang in die Hunderte Meter Literatur zum Thema Römer 13 gefunden hat. Es geht um das Verhalten nach Anordnungen des Hohen Rates (Sanhedrin), der nach dieser Quelle auch unter den Römern alle juristischen Kompetenzen beibehalten hatte:

Zusammenfassend ist anzunehmen, dass der Sanhedrin alle jemals nach jüdischem Recht innegehabten Befugnisse hinsichtlich der Behandlung von Kapitalverbrechen behalten hatte. […] Es ist mangels historischer Quellen auch nicht nachweisbar, dass dem Sanhedrin seitens der römischen Verwaltung oder durch römisches Gesetz irgendein Teil seiner nach jüdischem Recht ausgeübten Gerichtsbarkeit entzogen worden war.

Und zum Verhältnis Apostel-Sanhedrin gibt es folgende Episode in der Apg im Kap. 5 (Hervorhebungen von mir):

Sie [die Mitglieder des Sanhedrin] stimmten ihm zu,
40 riefen die Apostel herein und ließen sie auspeitschen; dann verboten sie ihnen, im Namen Jesu zu predigen, und ließen sie frei.
41 Sie aber gingen weg vom Hohen Rat und freuten sich, dass sie gewürdigt worden waren, für seinen Namen Schmach zu erleiden.
42 Und Tag für Tag lehrten sie unermüdlich im Tempel und in den Häusern und verkündeten das Evangelium von Jesus, dem Christus.

Da hatte Petrus mal Glück, daß er den Paulusbrief noch nicht kennen konnte … :-)





5 Kommentare zu “ Lernen am Beispiel”

  1. Stephanie meint:


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    ? Das Gehorchen und Anerkennen der Obrigkeit bezieht sich doch nicht darauf, von Christus abzufallen! Wenn die Kirche sich auf einen Kuhhandel eingelassen hat (z.B. Zeit des Kommunismus) dann mit dem Gedanken, die Gläubigen zu schützen und ein wenigstens rudimentäres Fortbestehen zu sichern. Das mag man kritisieren, entspricht aber nicht einer Autoritätsgläubigkeit zu Lasten des Glaubens. Nebenbei sei angemerkt, dass die römisch-katholische Kirche in diversen Ländern auch nicht anders gehandelt hat! (z.B. Diktaturen in Südamerika)

  2. Ralf meint:


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    Nunja, in der prot. Thelogie war es bspw. deutlich problematischer als in der katholischen, Hitler den einmal im Eid gegebenen Gehorsam zu verweigern (siehe geschichte des Attentates der Gruppe um von Stauffenberg).
    Natürlich gibt es so etwas wie Kuhhandel, allerdings - siehe Polen und auch die katholische Kirche in der DDR, die nie den Staat als solchen anerkannt hat und die Bistumsgrenzen über Staatsgrenzen hinweg hatte - sind sie kein guter Ratgeber. Leider hat die Kirche in vielen Ländern (Südamerika, Spanien, Portugal etc.) auch mies gehandelt, das stimmt. Dadurch wird es aber nicht besser.

  3. Stephanie meint:


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    Nein, natürlich nicht. Ich rede auch nicht das Wort für den “Kuhhandel”, wollte nur darauf hinweisen, dass dieser in der Geschichte der Kirche, auch in längst vergangenen Zeiten immer wieder vorkam, egal ob auf orthodoxer oder katholischer Seite.
    Nur die aufgeführte Textstelle aus der Bibel ist meiner Meinung nach wenig geeignet, als Erklärung oder Begründung herzuhalten, weil eben nie das Akzeptieren der staatlichen/weltlichen Autorität den Abfall vom Glauben oder der Verkündigung legitimiert wurden.

  4. Ralf meint:


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    Nun, der Glaube hat aber immer, so wie es schon bei Jesus war, öffentliche/politische Implikationen. und da gab es eben katholischerseits wie auch auf orthodoxer Seite Phasen der Nichteinmischung, die beschämend genannt werden dürfen.

  5. Götz meint:


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    Die Protestanten klammern sich halt gern am geschriebenen Wort fest….. Der Geist ist entscheidend! Paulus schreibt hier halt einen Brief an eine von Verfolgung durch den Staat bedrohte Gemeinde. Damals wie heute muss man mit Maulwürfen und Spitzeln rechnen, wenn es um den Staat und seine Macht geht. Diese “Speichelleckerei” gegenüber dem Staat wird von Paulus offensichtlich nur pro forma vollführt um dem (vielleicht mitlesenden Staat) keinen Grund zur “Verfolgung” zu geben. Der Staat der alle Macht auf sich konzentrieren will ist automatisch der Gegner der Christen … natürlich liegt das letzte Wort immer bei Gott!


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