Gestern hatte ich ein erhellendes Erlebnis:
während des Mittagessens in der Kantine sprachen wir in einer Gruppe über das schlechte Wetter und die abgesagten Rosenmontagsumzüge (ich arbeite in einer Stadt ohne große Karnevalstradition). Da meinte eine Teilnehmerin des Gespräches, Akademikerin und Führungskraft sinngemäß: wie kann man auch den Karneval in den Februar legen und sich dann über das Wetter beschweren.
Es war ihr absolut unbekannt, daß Karneval was mit Fastenzeit zu tun hat, daß dieses wiederum mit Ostern zu tun hat und Ostern nun einmal ein beweglicher Feiertag ist. Sie sei nicht religiös und habe damit nichts am Hut. Außerdem sei das, da wurde ihr von anderen assistiert, ja alles nur menschliche Konvention. Interessanterweise waren unter den Befürwortern dieses Standpunktes auch eingefleischte Fußballfans, deren menschliche Konventionen (=Fußball-Regeln) allerdings sakrosankt sind…
Stimmt, diese Konvention hat 1700 Jahre Geschichte auf dem Buckel und wird von 2 Mrd. Menschen so gehandhabt. Und daß Nichtglauben ein Rechtfertigung für Nichtwissen ist, habe ich auch nie verstanden. Immerhin gehören noch rund 50 Mio. Landsleute einer christlichen Gemeinschaft an und irgendwie war das ganze doch arg kulturprägend (von der Jahreszählung mal ganz abgesehen). Nein, man muß nicht wissen, daß Ostern immer der erste Sonntag nach dem ersten Frühlingsvolllmond ist, aber daß Karneval irgendwie mit Fastenzeit und dieses mit Ostern zusammenhängen könnte - tut mir Leid, für mich ist das Allgemeinbildung im europ. Kulturraum (wie auch Grundwissen über das Judentum und den Islam).
Es war alles in allem sehr erhellend: natürlich wußte ich irgendwie, daß auch nur das kleinste Einmaleins des christlichen Wissens kaum noch da ist - aber es ist ein doch dann überraschender Realitätscheck, dieses mal so ganz unerwartet präsentiert zu bekommen.