Es war lange Jahre die einzige Lücke in meinem Verständnis katholischer Theologie, ein Punkt, den ich nicht nachvollziehen konnte. Das Fegefeuer und der Ablaß. Dabei habe ich zwar der Kirche vertraut, doch gefuchst hat es mich schon.
Nun habe ich einen Weg des Verständnisses für mich gefunden. Das mag nicht der aller sein, doch ist er vielleicht dem einen oder der anderen von Nutzen (bereits andernorts geschrieben):
Ich erlaube mir mal einen ganz anderen Zugangsweg zur Lehre des Reingungsortes, der auf Deutsch leider Fegefeuer heißt.
Ich habe das Ganze erst verstanden, als ich mich einem liturgischen Vollzug fragend näherte: warum beten wir für die Toten? Was soll das?
Im Moment des Todes kommt es zum individuellen Gericht (”Himmel oder Hölle”), das lehren alle katholischen, orthodoxen und altorientalischen, also alle apostolischen Kirchen genauso wie protestantische Kirchen. Wieso wird dann noch für sie gebetet? Ist das dann nicht sinnlos?
Ich habe Protestanten kennengelernt, die das Gebet für Verstorbene aus voller Überzeugung für Unsinn hielten (eben wegen des erfolgten Gerichtes). Das ist ja auch konsequent zuende gedacht, wenn das einzige Gericht direkt im Tod erfolgt.
Auch die Orthdoxie kennt mehrheitlich nur dieses Gericht (in der russischen Tradition sind allerdings die Zollstationen fest verankert, die etwas ähnliches wie das Fegefeuer lehren) - doch hier ist das Gebet für Verstorbene wichtig. Warum wieso weshalb sagt da keiner, es sei nützlich. Fertig. Gut, für manche mag das reichen.
Die Lehre vom Fegefeuer ist nicht deshalb entstanden, weil man einen Vers fand, der noch nicht dogmatisch verarbeitet worden war, oder weil man die Leute besser im Griff haben wollte, sie entstand auch nicht im Mittelater “aus dem Nichts” - sie ist in meinen Augen Frucht der Überlegung, warum wir für Tote beten.
In meinen Augen gibt es zwei Begründungen, warum das Gebet für Tote Sinn macht. Die erste wäre auch für Protestanten gangbar, bietet aber m.E. nach Probleme, wenn man sie allein akzeptiert. Die zweite ist die Lehre vom Fegefeuer, die die erste nicht aufhebt, sondern sinnvoll ergänzt.
Die erste ist ganz einfach: bei Gott gibt es keine Zeit, Er weiß im Voraus, welche Gebete für wen gesprochen werden sein und kann sie daher schon zum “Zeitpunkt” des persönlichen Gerichts wohlwollend auf der “Habenseite” des Verstorbenen verbuchen. Das bedeutet aber zuende gedacht auch, daß Verstorbene, für die weniger bis gar nicht gebetet wird, eher des Heils verlustig gehen als solche, für die viel gebetet wurde oder wird.
Die Lehre vom Fegefeuer dagegen bedeutet, daß unser Gebet, das sinnvoll ist, nicht so sehr Wohl oder Wehe des Verstorbenen beeinflußt wie vielmehr seinen Weg hin zum Vater beschleunigt. Unser Gebet setzt ihn nicht auf diesen Weg, sondern hilft ihm schneller bei Ihm “anzukommen”. Dass Petrus im Moment der Erkenntnis des Herrn sagt “Geh weg von mir, ich bin ein Sünder” (Lk 5,8) ist lange biblische Tradition und Anthropologie. Es bedarf einer Reinigung des Selbst, um Gottes Gegenwart zu schauen. Genau hier, als Unterstützung dahin, ist auch die Lehre vom Ablass anzusiedeln, nur so macht sie Sinn.
So konnte zumindest ich das Ganze verstehen ohne mich am Begriff der “Sündenstrafen” festzubeißen, der schließlich nur deskriptiv ist. Von Beginn an der Christenheit haben die Jünger Jesu für Verstorbene gebetet. Wenn das nicht sinnlos sein soll, darf man darüber nachdenken was das bringen soll.
Florian meint:
9. March 2020Die Webseite von Florian
Ein interessanter Gedankengang! Ich frage mich auch, wie einem das Gebet für die Verstorbenen nicht etwas sehr Liebes sein kann… Schließlich sind sie uns nur einen ganz kleinen Schritt voraus. Es ist doch sinnvoll, für Lebende zu beten, warum dann nicht auch für Tote? Da spielt das rein, was im Text auch angesprochen ist, dass Gott doch kein Gott von Toten ist, denn für ihn sind alle lebendig.
Ich finde die Vorstellung einfach auch tröstlich: Bei einer einigermaßen realitätsgedeckten Selbsteinschätzung bin ich weder ausschließlich vollkommen noch total verdammenswert. Also ist es vom Schöpfer angemessen, all den mediokren Gestalten wie mir einen Weg zu ihm offenzuhalten. :-)
Buckliger Versager meint:
27. July 2020Die Webseite von Buckliger Versager
Was soll eine “Habenseite” sein? Wozu der Tod am Kreuz? Die Zollstationen sind — wie alle Theologie — Meinung. Das sehe ich wie Vox Day. Wir sehen wie durch einen dunklen Spiegel.
Niemand kann vollkommen sein, das waren ja nicht einmal die Jünger. Wie also wir? Nein, jemand, den niemand kennt, wie soll der dann bestehen? Das hieße ja, man müße wie eine Art Psychopath zig “Freundschaften” schließen, damit die für einen beten.
Daß nach dem Tod direkt ein Gericht kommt — wozu dann der Gerichtstag, der mit dem Ende der Welt eingeleitet wird?
Kierkegaard hat doch recht, wenn er schreibt, daß es unverständlich war (und ist!) “Kein Heil außerhalb der Kirche” zu lehren — und sich dann gemütlich zurückzuziehen, wie man es damals tat, anstatt wie wild den Glauben zu verbreiten.
Ich habe mein Leben nie gemocht — habe den Dreck ja auch nie gewünscht — doch je mehr ich mich in meinen noch recht frischen Glauben lese, desto sicherer wird mir, daß es besser gewesen wäre, niemals geboren worden zu sein. Interessanterweise lehrt das sogar Matthäus 26:24; auch Jeremiah 20:14-18 verflucht sein Leben, oder Prediger 4:3; Philipper 1:21-23.
Wenn man doch wenigstens auf den großen Katholiken und Reaktionär Gómez Dávila hörte:
“Die Eugenik entsetzt jene, die deren Urteil fürchten.”
“Kein Nutznießer von Sklaven ist Befürworter der Geburtenkontrolle.”
Ralf meint:
15. August 2020Die Webseite von Ralf
@Buckliger Versager: was die “Habenseite” angeht, empfehle ich Dir eine Beschäftigung mit katholischer Theologie und dem Konzept der “Mitarbeit” des Menschen an der göttlichen Gnade.
Generell scheint mir Dein Wissen der katholischen Lehre rudimentär zu sein.
Das ist natürlich okay, allerdings sind dafür Deine Urteile über sie doch etwas, nun ja, mutig.
Und was Deine privaten Bibelinterpretationen angeht, so wedre ich das nicht kommentieren.