Gerade habe ich den Abschnitt aus Dostojewskijs “Brüdern Karamasoff” gelesen, der auch als “Der Großinquisitor” in die Geschichte der Weltliteratur einging. Dabei geht es in diesem Monolog, den der Genannte dem wiedererschienenen Christus im Sevilla der Inquisition gegenüber hält um die Frage, ob der Mensch überhaupt zur Freiheit berufen ist, ob er mit ihr umgehen kann, ob nicht Jesus den Menschen eigentlich einen Bärendienst erwiesen hat, in dem er eben nicht der Aufforderung des Satans folgte und Steine nicht zu Brot werden ließ.
Man stelle sich vor, im ewigen Zeitalter des Hungers: Steinen werden zu Brot. Würden Ihn dann nicht alle anbeten?
Bestimmt mehr als heute. Aber es geschähe nicht aus Freiheit. Doch wollen die Menschen überhaupt Freiheit? Sind sie nicht vielmehr damit überfordert, wollen sie möglichst schnell abgeben, in vertrauensvolle Hände, damit andere ihre Entscheidungen übernehmen?
Gerade jetzt denke ich an die Medizin, auch da gehört das Axiom vom “mündigen Patienten” zu einem politischen Irrglauben. Nicht nur nach meiner Erfahrung wollen die Menschen wichtige Entscheidungen nicht immer selbst treffen. Doch ist das gut so? Haben sie dann die Fülle des
Menschseins erkannt?
Der Großinquisitor spricht etwas sehr Wahres an: die Masse will eben nicht die absolute Freiheit, die Masse will aber Brot und Spiele. Das war damals so und ist heute nicht anders.
Welchen Preis ist die Freiheit wert?