Archiv für November, 2004



Wortsinn

Veröffentlicht am Saturday, 27. November 2004, 19:12

Als ich neulich mal im Zug gen Köln fuhr, las ich ein Büchlein, in dem sich zeitgenössische Philosophen (Derrida, Gadamer et al.) über die Religion äußern, gar über die “Rückkehr des Religiösen” (verfaßt 1994, also vielleicht noch besser als durch das Geschehen von 2001 paralysiert im Denken). Tja, ich ackerte mich gerade durch Derrida durch, da war ich da, verließ den Hbf und ging in den Hohen Dom zu Köln (im übrigen eine sehr schöne offizielle Bezeichung, “der Kölner Dom” hat schon manchen dazu veranlaßt zu glauben, das “der Kölner” sei ein Genitiv - offiziell dagegen drückt es viel schöner Köln als vom Dom selbst gewählte Heimstatt aus und entzieht ihn damit der Willkür…) und im Dom dann in die Sakramentenkapelle. Ist schon seltsam an alten Kirchen, daß der König in einem relativ kleinen Nebenraum thront, aber dafür war es schön ruhig da.

Dort hatte ich u.a. das Gefühl, die Philosophen versuchen trotz aller respektablen Anstrengung und interessanter Fragen (laut Jaspers sind ja die richtigen Fragen das Ziel der Philosophie) irgendwie, Luft aus der Perspektive eines Fisches zu beschreiben. Schon das Sonnenlicht ist dort arg verzerrt. Einfach mal auftauchen wollen sie nicht. Schade. Denn eigentlich haben sie Lungen.


Lobrede

Veröffentlicht am Friday, 19. November 2004, 22:50

Aus dem Notizbuch ein Leckerbissen des einzig wahren Super-Berti:

Da sind die Unbedenklichen, die niemals zweifeln.
Ihre Verdauung ist glänzend, ihr Urteil ist unfehlbar.
Sie glauben nicht den Fakten, sie glauben nur sich. Im Notfall
Müssen die Fakten dran glauben. Ihre Geduld mit sich selber
Ist unbegrenzt. Auf Argumente
Hören sie mit dem Ohr des Spitzels.

Den Unbedenklichen, die niemals zweifeln
Begegnen die Bedenklichen, die niemals handeln.
Sie zweifeln nicht, um zur Entscheidung zu kommen, sondern
Um der Entscheidung auszuweichen. Köpfe
Benützen sie nur zum Schütteln. Mit besorgter Miene
Warnen sie die Insassen sinkender Schiffe vor dem Wasser.
Unter der Axt des Mörders
Fragen sie sich, ob er nicht auch ein Mensch ist.
Mit der gemurmelten Bemerkung
Daß die Sache noch nicht durchforscht ist, steigen sie ins Bett.
Ihre Tätigkeit besteht in Schwanken.
Ihr Lieblingswort ist: nicht spruchreif.

Freilich, wenn ihr den Zweifel lobt
So lobt nicht
Das Zweifeln, das ein Verzweifeln ist!

Was hilft zweifeln können dem
Der sich nicht entschließen kann!
Falsch mag handeln
Der sich mit zu wenig Gründen begnügt
Aber untätig bleibt in der Gefahr
Der zu viele braucht.

Du, der du ein Führer bist, vergiß nicht
Daß du es bist, weil du an Führern gezweifelt hast!
So gestatte den Geführten
Zu zweifeln!


Nahezu offiziell

Veröffentlicht am Wednesday, 17. November 2004, 17:25

Tja, an dem Gerücht war wohl viel dran, es fehlt nur noch der Umzug. Dann ist der Mann mein Nachbar, wenn auch ein paar Hundert Meter Luftlinie entfernt.


Ähhh?

Veröffentlicht am Monday, 15. November 2004, 14:58

Gestalten, was wir glauben

So heißt das diesjährige Motto der Aktion des Bonfatiuswerkes, die geben Kohle für katholische Diasporagebiete, also Gebiete mit katholischer Minderheit, besonders im Norden und Osten Europas.

Soso. Gestalten, was wir glauben.

Ähh, wie geht das? Sollen wir jetzt die Göttliche Dreifaltigkeit, die Vergebung der Sünden, das Ewige Leben etc. “gestalten”? Hmmm, vielleicht hat einer Idee. Die Welt wird ja kaum gemeint sein, an die glauben Christen ja nicht - es sei denn, man hielte die Welt für eine Art Gott, aber das wäre ja christlicherseits eher albern.

Warum muß jetzt für alles und jedes ein griffiger Spruch her? Bald bewegen wir uns als Kirche auf Parteitagsniveau…


Bald da

Veröffentlicht am Saturday, 13. November 2004, 22:19

Der Advent steht ja vor der Tür. Kirchlich gesehen der Anfang eines neuen Kirchenjahres. Liturgisch äußert sich das Erwarten der Ankunft, des Advents, Jesu Christi besonders auch im Stundengebet der Kirche (und genau deswegen ist es neben der Fastenzeit die mir liebste liturgische Zeit des Jahres).

Doch im großen und ganzen, so scheint es mir, hat man (also die breite Masse des Kirchenvolkes, Klerus eingeschlossen) dieses Thema der endgültigen Wiederkunft des Herrn ad acta gelegt. Was seit 2000 Jahren nicht passiert, wird morgen auch nicht eintreffen…

Doch wo ist die Sehnsucht geblieben in der Verkündigung? Wollen wir denn überhaupt, daß Er wiederkommt, oder hatte Dostojewski mit seinem Großinquisitor doch recht?


Guter Einstieg

Veröffentlicht am Wednesday, 10. November 2004, 23:00

Wenn man sich der Philosophie irgendwie annähern will, das am besten auch noch mit ein wenig Nähe zum Heute, ist man ja schon recht arg aufgeschmissen und weiß nicht (zumindest mir ging es so), wo man anfangen soll. Da kann ich folgendes Buch von Karl Jaspers, dem bedeutenden Existenzphilosophen des 20. Jahrhunderts, durchaus empfehlen.

Das versprochene “Philosophische Denken für alle” ist zwar nicht gerade die leichteste Kost (für mich als aus dem Studium gelernter Schnelleser manchmal richtig anstrengend), aber sicher gewinnbringend. Auch nur Ansätze von Jaspers’ Denken hier zu bringen wäre nicht nur fachlich
vermessen, sondern auch bildschirmsprengend. Nur so viel: ich fand es beruhigend zu lesen, daß dieser Philosoph (gelernter Arzt) die Grenzen der philosophischen und naturwissenschaftliche Erkenntnis kennt. Er lehnt zwar eine Offenbarung aus prinzipiellen Erwägungen ab, fordert diese Ablehnung nicht als zwingend und tut dies mit erfreulichem Respekt für den Glauben. Vielleicht sollten sich ein paar militante Atheisten mal damit beschäftigen *augenzwinkern*….
Kern seiner Philosophie sind jedoch die Unterschiede zwischen Dasein und Existenz (letztere ist mehr eine Potenz, eine Möglichkeit, denn eine festzuhaltende Seinsform, und realisiert sich im bewußten(!) Erleben von, wie er es nennt, Grenzsituationen) und das Denken und Sprechen in Chiffren (die er Chiffern nennt), eine für ihn unabdingbar zum menschlichen Ausdrucksbereich zählende Kommunikationsweise. Nur zwei Punkte, es gibt mehr zu entdecken.
Einziger deutlicher Schwachpunkt ist die Tatsache, daß der Begriff der “Chiffer” erst recht spät in ganz anderen Zusammenhang erklärt, aber schon weit vorher im Buch verwendet wird. Der Herausgeber und Zusammenstaller der Textauszüge aus Jaspers’ Gesamtwerk hat das vielleicht übersehen.


Für die letzte Reise

Veröffentlicht am Tuesday, 09. November 2004, 22:14

Hier
im Kreuzgang ist es gerade ein Thema. Man findet in modernen Gebetbüchern (und demzufolge auch im Internet) kaum etwas dazu - aber meine Meinung zu modernen Gebeten habe ich ja schon kundgetan.
Das meiner Meinung nach schönste von den Beiträgen dort, auch weil es nicht so arg lang ist, möchte ich hier vorstellen, zum
Selber-auswendig-lernen:

Liebe(r) X

ich empfehle dich dem allmächtigen Gott.
Ihm vertraue ich dich an, dessen Geschöpf du bist.
Kehre heim zu deinem Schöpfer,
der dich aus dem Staub der Erde gebildet hat.
Christus, der für dich gekreuzigt wurde,
der für dich den Tod gelitten hat;
er gebe dir Wohnrecht in seinem Paradies.
Der wahre und gute Hirt erkenne dich an als sein Eigentum.
Er spreche dich los von allen deinen Sünden und rechne dich zu seinen Erwählten.
Deinen Erlöser sollst du sehen von Angesicht zu Angesicht, Gott schauen in alle Ewigkeit.
AMEN


Blöd

Veröffentlicht am Monday, 08. November 2004, 22:24

Zu Adolphe Sax muß ich noch anführen, daß ich mal mit dem Fahrrad auf dem Weg nach Frankreich durch seinen Geburtsort Dinant in Belgien geradelt bin und es aus Dummheit total verpennt habe, sein Museum anzuschauen. Ärgerlich.


Doctor subtilis

Veröffentlicht am Monday, 08. November 2004, 20:17

Wieder möchte ich einen Menschen in Erinnerung rufen, der aber den meisten Saxophonisten eher egal sein wird. Seine Gebeine liegen übrigens in der Minoritenkirche in Köln, Nähe Dom, in der Minoritengasse.

Ob er wirklich so aussah, weiß man nicht wirklich, ist aber auch egal. Er ist ja schon eine Weile im Himmel. Wer wissen will, was diesen Duns Scotus so ausmacht, kann sich entweder hier bezüglich seiner theologischen Leistungen oder auch hier über seine philosophischen Gedanken informieren. Ach ja, Martin Heidegger nannte ihn angeblich den “Philosophen der Zukunft”. Es muß jeder selbst entscheiden, ob das ein Kompliment aus diesem Mund ist.


Glückwunsch

Veröffentlicht am Saturday, 06. November 2004, 14:18

Ich verneige mich vor diesem Mann, der heute seinen 190. irdischen Geburtstag feiern würde. Ich verdanke ihm wie viele andere auch einige der schönsten Stunden des Lebens.

Adolphe Sax


Nachtrag

Veröffentlicht am Friday, 05. November 2004, 18:57

Hah, ausgerechnet bei dem gebrachten Beispiel handelt es sich um eine Gebet des Gebetgenerators (würde es in der Gemeinde vor Ort jemand merken?). Naja, man wird feststellen, dass nahezu alle Gebete dieses Generators eine Befindlichkeitseinleitung hervorzaubern. Damit Gott auch in der richtigen Stimmung ist oder so.


Überlänge

Veröffentlicht am Friday, 05. November 2004, 18:45

Hier mal ein Beispiel, ich bringe nur die “Einleitung” (komplett hier), für so ein Befindlichkeitsgebet. Im übrigen umfasst die Einleitung die Hälfte des ganzen:

Erlösende Dreieinigkeit!

Es gibt so viel Unfrieden in der Welt.
Auch in mir selbst spüre ich eine große Unruhe. Häufig weiß ich einfach nicht, was ich tun soll. Dann habe ich den Eindruck, von den anstehenden Entscheidungen und Schwierigkeiten erdrückt zu werden.

Ich weiß, dass auch du die dunkle Seite dieser Welt erfahren hast, als du am Kreuz gelitten hast. Ich weiß, dass du mich darum in meinen Schwierigkeiten nicht allein lässt. Aber oft vertraue ich zu wenig auf dein Versprechen, bei mir zu sein.

Kommt das nur mir so … vor? Erwartet der Gebetsschreiber dafür ein “ach so ist das” von Gott? *kopfschüttel*


Gebete und ihre Länge

Veröffentlicht am Wednesday, 03. November 2004, 23:09

Ich muß gestehen, daß mich lange moderne Gebete meistens null ansprechen. Kurz und auf den Punkt gebracht, so drücke ich mich am besten im Gebet aus, manchmal nur mit Wortfetzen. Viele lange Gebet erscheinen mir eher eine Art Monolog über eigene Befindlichkeiten als Gebet zu sein - als ob Gott die nicht kennen würde und als ob man Mißverständnissen vorbeugen möchte oder so.

Von Goethe wird der Satz überliefert: “Weil ich keine Zeit hatte, Dir einen kurzen Brief zu schreiben, schreibe ich Dir einen langen.”

So in etwa meine ich das.


Tod - und dann?

Veröffentlicht am Wednesday, 03. November 2004, 10:16

Unter diesem Thema biete die sehr gute katholische Internetseelsorge jetzt verschiedene, wie soll man es angesichts de Themas nennen, “Informationen” heraus. Berichte, die Auferstehungshoffnung der Christen, Hilfe zum Umgang mit dem Tod…

(In einer sehr guten Predigt hörte ich kürzlich, daß gerade wir Christen doch Experten beim Thema “hoffnungsvolles Sterben” sein müßten, warum gibt es, da es sie doch für fast alles gibt, dazu keine “Schule”….?)

Und ein Satz dieser Seite bleibt mir im Gedächtnis, ich kann ihn aus eigener Erfahrung bestätigen, er gilt nicht nur für den Tod, sondern für jeden Verlust:

Wenn Männer trauern, lieben sie.