Exegese und Wahrheit

Schaut man sich ein wenig die theologischen Streitereien zwischen den unterschiedlichen Gruppierungen an, so wird man sehr schnell bei dem Thema Bibelexegese (Auslegung der Bibel) das Stichwort “historisch-kritische Exegese” finden.

An den Ergebnissen dieser Methode, denn mehr ist es erst einmal nicht, scheiden sich die Geister.

Kurz gesagt ist dies eine Methode, die mit Mitteln der Literatur- und Textkritik (die so heute in anderen säkularen Bereichen nicht mehr verwendet wird, aber das nur nebenbei) die Aussageabsicht des Autors, die Frage nach der Autorenschaft und der Eingruppierung in den damaligen historischen Horizont zu beantworten versucht.
Es handelt sich um eine Methode, die mit rein säkularen Mitteln arbeitet, d.h. sie betrachtet die Bibel rein methodisch nicht als Heilige Schrift, sondern als texthistorisches Dokument wie andere auch. Mittlerweile, d.h. schon seit Jahrzehnten, ist diese Methode der Textauslegung die an den theolog. Fakultäten eindeutig vorherrschende.

Wo liegt das Problem?

Nun, abgesehen von den Ergebnissen, die zu umfangreich sind um hier beleuchtet zu werden, stellen sich ein paar Fragen:

1. Kann eine Methode der Schriftauslegung, die auch nur eine unter mehreren ist, Anspruch auf “Wahrheit” erheben, d.h. darf sie (bzw. deren Protagonisten) verlangen, daß ihre Resultate direkt in die Lehrmeinung des bischöflichen Lehramtes einfließen?
2. Kann die Schrift als Heilige Schrift überhaupt von einer Methode adäquat erfaßt werden, wenn diese den Glauben an die Heiligkeit derselben nicht voraussetzt? Oder anders und provokativer gefragt: kann ein Nichtchrist die Bibel richtig auslegen?
3. Ist es überhaupt Aufgabe und vor allem Resultat einer Schriftauslegungsmethode, “Wahrheiten” zu produzieren? Warum ist es den Protagonisten so häufig nicht möglich, vor allem in Stellungnahmen gegenüber den säkularen Medien, die Grenzen ihrer eigenen Methodik zu ziehen?
4. Kann eine Methode, die nach (etwas veraltetem) streng literaturwissenschaftlichem Verfahren vorgeht, denn so etwas wie theologische(!) Schlußfolgerungen aus ihren Ergebnissen ziehen?

Ich denke an diesen Basisfragen entscheidet sich die Einordnung der hist.-kritischen Methode, nicht an einzelnen Ergebnissen oder, wie ich früher glaubte, Kritik an methodischen Détails.





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