Richtige Diagnose

Aber falsche Therapie. Dieses Buch, in dem anscheinend schon sehr viele geblättert haben (von Kollegen über Turnlehrerinnen erzählten mir viele, vor Jahren oder Jahrzehnten - erstmals 1976 erschienen - es gelesen zu haben), beschreibt anschaulich und bis heute gültig die kommerziellen Umtriebe des Menschen im sog. Haben-Modus als Gegensatz zu dem dem Menschen viel eher erfüllenden und angemessenen Seins-Modus. Das bedeutet nicht nur, daß man sich nicht über Materielles definiert, auch ein Armer kann vom Habenwollen getrieben sein, sondern daß man vielmehr Zwecklosigkeit (nicht Sinnlosigkeit!) zu ihrem Recht im eigenen Leben verhilft. Dies betrifft besonders das innere Leben.

Gut, wenn man Meister Eckhardt gelesen hat, so behaupte ich einmal, findet man bei Fromm nicht wirklich revolutionär Neues - er bezieht sich ja auch auch ausdrücklich auf ihn. Fromm ist allerdings kein Christ, und ich kann leider nicht meine Identität verleugnen, er entzieht damit auch Meister Eckhardt dessen ureigensten geistigen Grund.

Störend ist vor allem die Therapie, die Fromm als bekennendem Marxisten vorschwebt. Ganz im Gegensatz zu Eckhardt und natürlich zum christlichen Glauben generell setzt er bei der Umwandlung der Gesellschaft an, weil erst dann eine Unwandlung des Herzens zum neuen Menschen möglich sei. Wie der Vorbesitzer meines auf einem Trödel in Ffurt/M. erworbenen Exemplars treffend am Seitenrand anmerkt, kann dies aber faktisch nur über eine Diktatur laufen und ist insofern indiskutabel.

Die Motivation für dieses Buch ist ebenfalls zweifelhaft: Fromm meint, nur ein umgewandelter Mensch kann die Erde vor der Zerstörung durch den Menschen selbst bewahren - d.h. die Motivation ist Furcht und der Wunsch nach Erziehung, platt gesagt ein Morallaposteltum. Davon haben wir aber längst genug, vor ‘76 wie nachher. Freude am Schenken der eigenen Erkenntnisse wäre ein besserer Grund gewesen.

Letztendlich bleibt mein Eindruck ambivalent, eine gute, treffende und recht tiefgehende Analyse aus allerdings fragwürdiger Motivation führt zu einer noch zweifelhafteren Therapie.





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