Daß es eine Trennung von Staat und Kirche/Religion gibt, ist säkulares demokratisches Allgemeingut, über deren Prinzipien und Détails wird aber heftigst gestritten. Gleichzeitig nimmt eine andere Umarmung dagegen immer groteskere Formen an: die von Staat und Wissenschaft.
Es haben sich schon naturwissenschaftl. Nobelpreisträger darüber gewundert, daß sie jetzt plötzlich für Experten für Analysen jeder Art gehalten werden, seien sie gesellschaftlich-politisch oder religiös. Andere dagegen spielen mit. Dem Wissenschaftler wird immer geglaubt, warum, ist mir rätselhaft.
Dazu paßt auch meine eigene berufliche Erfahrung, daß es mehr als gefährlich ist, wenn Arzt etwas über den Tod sagt - ich war noch nicht tot, aber Patienten halten mich manchmal für einen Experten.
Der Wunsch nach Autorität ist tief verwurzelt. Heute gibt es Prozessionen von ärztl. Personal, mit dem Chef an der Spitze bei der Visite, bis runter zum kleinsten Assistenten. Und der Patient empfängt die Gnade der kurzen Aufmerksamkeit. Aus dem Primat der Seelsorge wird die Leibsorge als gesellschaftlich wichtigste Aufgabe (die Existenz des letzteren wird ja auch nicht bestritten).
Doch nicht nur in der Medizin ist das so. Eine Frage meinerseits während einer Podiumsdiskussion an die Teilnehmer (versch. Naturwiss. und Geisteswiss.), ob denn “im Labor Wahrheit entdeckt würde”, wurde höchst unterschiedlich bewertet. Geisteswissenschaftler sahen das durchaus kritischer.
So ist es auch kein Zufall, daß ein Professor für Philosophie diesen Artikel verfaßt hat. Seine Forderung, die öffentliche Förderung der Wissenschaft mal grundlegend in ihrer Bedeutung unter die Lupe zu nehmen, hat mir Augen geöffnet (nicht zuletzt aufgrund des Strebens nach Ehrbezeichnungen und zur Rechtfertigung der Finanzierung auch nach schnellen spektakulären Ergebnissen):
Were a bishop to be caught doctoring the Gospels, I doubt any scientists would be rushing to approve the Church’s latest request for help to build a new cathedral. Why it should be any different for the secular bishops of science is difficult to discern.
(gefunden bei Amy Welborn)