Selbst-Bewußtsein

Es passiert immer wieder, diesmal in einem Internetdiskussionsforum, daß der Begriff des Sünderseins sehr negativ besetzt ist. Ich habe ja bereits früher einmal angemerkt, daß ich das nicht verstehe und denke, daß damit der Kern des Christentums aufgegeben wird.

Die Kirche lehrt, daß gewisse Denk- und Verhaltensweisen der gottgewollten Natur des Menschen widersprechen und nennt dies Sünde. Somit ist dies zumeist eine Frage der Anthropologie, des “was ist der Mensch”. Daneben gibt es meines Erachtens (also kein Anspruch auf kirchliche Rede jetzt!) noch sündige Denk- und Verhaltensweisen, die gegen das eigentliche Wesen einer bestimmten Person ist, obwohl es zu einer anderen passen würde. Beispielsweise wird ein Mensch Erzieher, obwohl es seinem Wesen viel eher entspräche, Schriftsteller zu sein, er diesen Wunsch auch im Inneren hegt, aber aus welchen Gründen auch immer sich nicht traut. Andere wollen Erzieher sein, trauen sich aber ebenfalls nicht und machen was anderes.

Beides ist, so denke ich, Sünde. Das erste, was von der Kirche auch so genannt werden kann ob seiner allgemeinen Aussage, weil ein bestimmter Mensch Mensch ist, das zweite, was natürlich nicht von der Kirche genauer bestimmt werden kann wegen der individuellen Unterschiede, weil ein bestimmter Mensch er selbst ist.

Und durch Christus Jesus haben wir die Erlösung von all dieser Sündhaftigkeit. Wir schaden uns letztendlich immer selbst, wenn wir sündigen.

Interessanterweise gäbe es heute vermutlich mehr Konsens in der Gesellschaft bzgl. des zweiten Aspektes der Sünde, bzgl. der Sünde aufgrund der eigenen Personalität. Sich-selbst-finden ist das Zauberwort.
Doch die Welt scheint vergessen zu haben, was der Mensch ist, will es selber bestimmen und definieren, da passen anthropologische Grundaussagen nicht ins Konzept, sie gelten als falsch, weil sie den Stempel des “veraltet” bekommen. Es wird suggeriert, der Mensch hätte sich allein aufgrund der Erkenntnisse von naturwiss. und soziolog.-psycholog. Zusammenhängen verändert. Beispiele dafür finde ich aber keine.





3 Kommentare zu “ Selbst-Bewußtsein”

  1. Thomas meint:


    Die Webseite von Thomas

    Wenn „Denk- und Verhaltensweisen der gottgewollten Natur des Menschen widersprechen“ mag das durchaus im Sinne der als Sünde verstanden werden. Hingegen kann ich mir nicht vorstellen, daß sündig sein soll, welchen Lebensweg (orientiert an Deinem obigen Beispiel: Erzieher-Schriftsteller) der Einzelne nimmt – solange er nicht in seine Entscheidungen die Möglichkeiten mit einbezieht, von Gott diesen Weg geführt zu werden.
    Der Erzieher, der eigentlich lieber Schritfsteller geworden wäre, mag ja durchaus Erzieher geworden sein, weil er es sich nicht leisten konnte, Autor zu werden; vielleicht weil ihn äußere Notwendigkeiten dazu zwangen und zwingen. Das wäre dann keine Frage des Sich-Selbst-Findens, sondern der Verantwortung gegenüber sich und den ihm Anvertrauten.
    Unter diesem Aspekt scheint mir manches Mal, als wäre das, was wir unter Deinem zweiten Punkt als Sünde bezeichnen, vielmehr (neutral ausgedrückt) transzentrale, metaphysische, also (spirituell gesprochen) göttliche Sendung und Wegführung zu sein. Das Von-Gott-An-Bestimmten-Punkt-Gesetzt-Sein, um Erfahrungen zu machen, die nicht mir als Einzelnem dienen (damit ich mich auch nur ja bestmöglich entwickle und selbst finde), sondern die ich in den Dienst aller stellen soll, um daraus das Beste zu machen (ad gloriam dei). Siehe den Heiligen Augustinus und auch – mit Verlaub – den Heiligen Franziskus.

  2. Georg meint:


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    Habe die zitierte Diskussion im Form ein wenig mitverfolgt. “Aufhänger” war ja mal wieder- wie sollte es anders sein-die “ach so weltfremde” Lehre der Kirche zur menschl. Sexualität… für mich kam unter dem strich raus: das Problem ist doch letztlich das, was ich anderswo mal als die “kränkung” des Menschen bezeichnet habe. Nein, nicht die durch die kopernikanische Wende, die Evolutionstheorie oder die neuen erklärungstheorien des menschl. Bewußtseins durch die Hirnforschung oder der Wegfall des Kausalitätsprinzips durch die Quantenphysik—-sondern durch die altbiblisvhe, altkirchl. Lehre: dass wir Sünder sind und erlösungsbedürftig, nicht nur in Teilbereichen, wie der Sexualität sondern als ganze….wenn wir über diese Kränkung nicht hinwegkommen sondern uns an ihr vorbeimogeln dann bringen wir uns letztlich um das Geschenk der Erlösung: Felix culpa! Glückliche Schuld, welch großen Erlöser hast du gefunden!
    An diesem Satz scheiden sich letztlich die Geister:
    für di einen ein unzumutbares Ärgernis, für den Christen Grund zur Freude.

  3. Ralf meint:


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    @Thomas: Natürlich war mein Beitrag pointiert geschrieben, ich habe dabei durchaus auch an die Menschen gedacht, die sich ihren Traum nicht erfüllen können und beziehe sie natürlich nicht beim Begriff der individuellen Sünde ein. Daß letztendlich jeder Mensch eine Berufung hat, so un-fromm sie im beruflichen Sinn auch nach außen hin erscheinen mag, das ist ja der nach wie vor nicht realisierte Kernpunkt, trotz aller Bemühungen von Berufungspastoral (die ja auch zumeist dahin abzielen, daß jeder eine Berufung hat). Berufung und Sendung, also gerufen und gesendet werden, gehen ja immer Hand in Hand, sind nicht zu trennen. Die von Dir “transzendentale, metaphysische Wegführung” genannte Sendung ist ja Berufung, nichts anderes.

    @Georg: Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen. Über den Begriff der “Kränkung”, der es meines Erachtens nach genau trifft - danke dafür -, muß ich noch weiter nachdenken…


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