Daß in den USA das Recht auf Abtreibung zunehmend in Frage gestellt wird, ist ja kein neues Phänomen. Doch es gewinnt an Fahrt.
South Dakota hat jetzt außer bei Lebensgefahr der Mutter Abtreibung verboten. Doch wer würde bestraft werden? Nicht, und das ist sehr gut so, die Schwangere, sie sogar unter keinen Umständen (Quelle):
Nothing in this Act may be construed to subject the pregnant mother upon whom any abortion is performed or attempted to any criminal conviction and penalty.
Es soll denen an den Kragen gehen, die die Abtreibung durchführen. Gut so, denn die befinden sich garantiert in keiner Notlage.
Kai Nehm meint:
27. February 2006Die Webseite von Kai Nehm
Sicher befinden sich die Ärzte, die eine Abtreibung durchführen in keiner Notlage. Allerdings sehe ich die Kriminalisierung des Eingriffs als wesentlichen Nachteil für die betroffenen Frauen.
Es besteht eine Nachfrage, sei es aus gesundheitlichen, sozialen oder monetären Gründen. Diese wird zwangsläufig für ein Angebot sorgen.
Es liegt an der Gesellschaft, dieses Angebot zu gestalten. Die Möglichkeit, mit medizinischer Betreuung in einer sterilen Umgebung abzutreiben stärkt die Rechte der Frau. Zumal Kurpfuscher, die illegal arbeiten wesentlich höhere Gewinnmargen haben und oft die Gesundheit der Frauen aufs Spiel setzen.
Nachhaltiger wäre eine Einflussnahme auf der Nachfrageseite. Dies könnte durch bessere Kinderbetreuung, Unterstützung von Alleinerziehenden und jungen Familien oder auch durch Aufklärung über (von der Kirche geächtete) Verhütung
Eine vorurteilsfreie Aufklärung, die auch Frauen ermöglicht, die eigene Sexualität aktiv auszuleben und zu gestalten sowie ein offener Umgang mit diesem Thema ist sicher auch eine Möglichkeit.
Von der BBC gibt es eine nette Dokumentation, wie sich mangelnde Aufklärung und Keuschheitsgelübde in der Praxis “bewährt” haben.
Sicher ist es erstrebenswert, dass die Zahl der Abtreibungen zurück geht. Dies auf dem Rücken der betroffenen Frauen auzutragen halte ich für unverantwortlich.
Deshalb kann ich nur hoffen, dass dieses Beispiel aus South Dakota nicht weiter Verbreitung findet.
Ralf meint:
27. February 2006Die Webseite von Ralf
Abtreibung ist kein Frauenrecht.
Kai Nehm meint:
28. February 2006Die Webseite von Kai Nehm
stärkt die Rechte != ist ein Recht.
Fakt ist, dass Abtreibung stattfindet.
Auch wenn diesmal diejenigen bestraft werden, die den Eingriff vornehmen, wird die Handlung an sich kriminalisiert.
Damit wird der nicht ganz harmlose Eingriff in Hände gegeben, die illegal und schnell agieren müssen. Vor- und Nachuntersuchungen werden unmöglich, bei Komplikationen fehlt das nötige Material. Zu den Behandlungskosten kommt ein Risikoaufschlag und ein Verschwiegenheitszuschuss,damit wird das Geschäft richtig lukrativ. Erfolgt die Abtreibung auf sozialen Druck, bleibt alternativ auch noch das kostengünstige Mittel der physischen Gewalteinwirkung von außen.
Egal, ob
Ich wollte den Vergleich zur Frauenbeschneidung vermeiden, weil es zwei gänzlich unterschiedliche Themen sind. Aber auch hier stehen die Verantwortlichen vor der Wahl, den Eingriff in steriler Umgebung vornehmen zu lassen und eine anschließende Wundversorgung sicherzustellen oder das Ganze einem Kurpfuscher mit primitiven Mitteln zu überlassen.
Man sollte bitte bei der Grundsatzdiskussion bitte kurz- und langfristige Mittel und Wirkungen betrachten.
Jack Buckley meint:
28. February 2006Die Webseite von Jack Buckley
There are going to be alot of intesting developments on this issue. And it is not only the Supreme Court and the new justices, because even if Roe versus Wade is overturned, the whole thing goes back to the individual state legislatures. Then, both Republicans and Democrats will be in very uncomfortable positions; they will have to make decisions that will “piss off” a large number of politically active people. As the situation is now, politicians (on both sides of the issue) can say, “Hey, the court has decided, we really can’t do anything about it.” Sorry that I cannot express all of this in written German–I never got the hang of that. Speaking and reading ok, writing, not so ok. Peace, Jack
Ralf meint:
28. February 2006Die Webseite von Ralf
@Kai: ich habe das schon verstanden mit “stärkt die Rechte=ist ein Recht”. Aber nur durch die Behauptung wird es nicht richtiger, daher auch mein kurzer Hinweis. In Deutschland hat die Frau kein Recht auf Abtreibung! Es ist eine verbotene Tat, die straffrei bleibt.
Ich wünschte, dies wäre mehr im Bewußtsein der Bevölkerung…
Interessant auch, daß das Kind in Deinen letzten Ausführungen keinerlei Rolle spielt. Bei Abtreibung wird jemand getötet!
Und Kai, Vor- und Nachuntersuchungen wären und blieben natürlich jederzeit überall möglich. Nur nicht das Töten.
Die Legalisierung aufgrund der Existenz von etwas zu fordern ist ja sehr unsinnig, da das Strafgesetzbuch per definitionem nur Taten verbietet, die man kennt und die stattfinden. Soll man jetzt nur das verbieten, was eh nicht passiert? *kopfschüttel*
@Jack: Ich werde auch die Entwicklung interessiert verfolgen. Vielleicht entwickelt es sich rein legislativ wie bei der Todesstrafe, in den einen Staaten erlaubt, in anderen nicht. Dann gibt es noch die Frage, ob der Wohnort mitentscheidend ist oder ob es dann Abtreibungstourismus geben wird…
Petra meint:
28. February 2006Die Webseite von Petra
@Kai:
Interessant, dass Dir zum Thema Abtreibung gleich die Frauenbeschneidung eingefallen ist. Bei beiden handelt es sich nämlich um völlig unnötige, menschenverachtende “medizinische” Prozeduren, bei denen Frauen für ein Leben verwundet/kaputtgemacht werden. Bei der Abtreibung wird zudem noch (auf jeden Fall) ein Mensch getötet. Auf jeden Fall. Auch wenn’s völlig “hygienisch” abläuft.
Ralf hat ganz Recht, dass der Hinweis “Abtreibung hat’s immer gegeben” völlig absurd ist. Mord, Vergewaltigung und Diebstahl hat’s auch immer gegeben…
Eine Einstellung wie die Deine löst für die betroffenen Frauen überhaupt nichts, macht sie nur kaputt, da ihnen eingeredet wird, das sei ja “eh nichts Schlimmes”. Statt Frauen mit schlaffer Handbewegung in die
KindermordanstaltAbtreibungsklinik zu schicken, sollte man m. E. vielmehr alles dafür tun, damit Frauen ihr Kind gar nicht umbringen wollen bzw. nicht das Gefühl haben, es tun zu müssen, sondern alle Unterstützung bekommen, um es austragen und aufziehen (bzw. zur Adoption freigeben) können.In den USA ist übrigens derzeit eine sehr interessante Grassroots-Initiative im Entstehen: Menschen aller Art sollen dazu ermutigt werden, schwangeren Frauen in Problemsituationen konkret beizustehen und ihnen Hilfe zu geben, bzw. Frauen, die eine Abtreibung hinter sich haben, Hilfe zur Heilung zu bieten. Sie heißt Americans on Call.
Petra meint:
28. February 2006Die Webseite von Petra
Noch was:
auch durch Aufklärung über (von der Kirche geächtete) Verhütung
Eine vorurteilsfreie Aufklärung, die auch Frauen ermöglicht, die eigene Sexualität aktiv auszuleben und zu gestalten
Dass die meisten ungewollten Schwangerschaften bei Leuten entstehen, die überhaupt nicht verhüten, ist ein Ammenmärchen. Hast Du denn schon jemals einen sexuell aktiven unverheirateten Städter getroffen, der nicht verhütet? Und glaubst Du im Ernst, dass Leute überhaupt keine Ahnung von Verhütung haben? Nachdem sie als Teenager von vorn bis hinten in allen Medien damit gefüttert wurden???
Verhütung und Abtreibung bedingen sich übrigens gegenseitig: letzteres ist dann das “Auffangnetz”, falls man in der Latexfabrik gepfuscht hat/Madame die Pille vergessen oder Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten nicht beachtet hat/irgendwas anderes daneben gegangen ist. Man ist halt zwar “reif” genug, um Sex zu haben, aber auf einmal nicht reif genug, um mit dessen natürlichen Konsequenzen (=Kinder) zu leben…
Der kirchliche Zugang ist eben nicht so ein inkohärentes Stückwerk, sondern ein ganz anderer, wenn man so will, “ganzheitlicher”: Sex, Ehe und Kinder als Gesamtpaket - damit es nicht “ungewünschte Konsequenzen”, “scheiße, also mit dir will ich gar nicht wirklich ein Kind” und “dieses Arschloch ist abgehauen, als ich schwanger wurde” gibt…
mr94 meint:
28. February 2006Die Webseite von mr94
Verhütung und Abtreibung bedingen sich übrigens gegenseitig: letzteres ist dann das “Auffangnetz”
In der Tat. Das zeigen die Zahlen. Ich habe mich ja im letzten Jahr mal durch die Abtreibungsstatistik gequält. Die Schlussfolgerungen - eine davon ist genau die hier von Dir formulierte - wollte ich schon lange mal aufschreiben, bin aber bis jetzt nicht dazu gekommen.
Petra meint:
28. February 2006Die Webseite von Petra
Diesen Gedanken habe ich eigtl. von Dir übernommen Martin (Du hast ihn mal bei mir in den Kommentaren gepostet)… :-)