Als ich vor Jahren mal mit einer muslimischen Freundin bei einem gemeinsamen Urlaub durch ein Dorf in Portugal spazierte und wir uns die getünchten Häuser des Dorfes ansahen, war ihre spontane Reaktion beim Anblick einer Marienstatue an einer Hauswand ein wirklich verwundertes “Ihr nennt sie ‘Mutter Gottes’, nicht wahr?”, gefolgt von einem leichten Kopfschütteln.
In diesem Augenblick wurde mir einmal mehr klar, was dieser Titel bedeutet, wie sehr das zusammengeschriebene ‘Muttergottes’ eigentlich die Aussage selbst etwas hintanstellen kann.
‘Mutter Gottes’ ist ja zuallererst eine Aussage über den Sohn, und da griff ich natürlich auch den Gesprächsfaden auf. Die verwunderte Frage zeigte mir aber auch, wie krass die Aussage über Maria ist (und wie sehr auch bei eher kulturell geprägten Muslimen die absolute Transzendenz Gottes verankert ist). Gott, niemand sonst, nimmt Fleisch an aus einer Frau, aus ihrem Leib. Warum manche Protestanten (meines vielleicht falschen Wissens nach insbesondere Freikirchler) mit dem Titel der ‘Mutter Gottes’ ihre Probleme haben, wenn sie ansonsten doch an der Trinität und Christologie festhalten, habe ich noch nie verstanden, bei Muslimen ist mir das natürlich vollkommen klar.
‘Mutter Gottes’, eine echt gewagte Bezeichnung (und deswegen nicht weniger wahr).
Und wie schon früher, immer wieder in seiner Tiefe unauslotbar.
Andreas meint:
6. January 2007Die Webseite von Andreas
Dass Protestanten mit dieser Bezeichnung Probleme haben kommt wahrscheinlich v.a. daher, dass im sonstigen Sprachgebrauch “Mutter” oft das Fundamentalere und Grundlegendere im Vergleich zum “Kind” bezeichnet (”Mutter allen Übels”).
Obwohl ich die Gleichung: Jesus = Gott & Maria = Mutter Jesu -> Maria = Mutter Gottes nachvollziehen kann, kommt mir der Ausdruck “Mutter Gottes” trotzdem nicht über die Lippen.
Petra meint:
7. January 2007Die Webseite von Petra
Ich weiß nicht, wie’s bei Dir ist, Andreas, aber ich mache oft die Erfahrung, dass gerade Freikirchler oft katastrophal wenig über die Geschichte des christlichen Glaubens wissen, und ihnen daher auch das Konzil von Ephesus und die Bedeutung des Titels “Theotokos” (Gottesgebärerin) unbekannt ist.
Was aber überraschender ist (denn das geht über spirituelle Sympathien hinaus) ist ja, dass manche Freikirchler den Titel “Mutter Gottes” als Blasphemie (!) betrachten - ganz ähnlich dem Islam. Was möglicherweise eine teilweise philosophische Verwandschaft anzeigt: da der freikirchliche Protestantismus zwar die Inkarnation nicht leugnet, Gottes materielles Wirken in der Welt* (Sakramente, Sakramentalien) jedoch schon, gibt es sicher die Tendenz, “Gott” und “Jesus”, Zwinglis Nominalismus unbewusst folgend, auseinanderzudividieren (man beachte etwa die relativ seltene Verwendung der Bezeichnung “Christus” bzw. “Jesus Christus” im Vergleich zu “Jesus”).
Das heißt jetzt nicht, dass Freikirchler in Gefahr wären, Jesu Göttlichkeit zu leugnen, sondern dass der zugrundeliegende Nominalismus eben die Gefahr in sich birgt, das Wirken Gottes in der Welt, und damit auch die Inkarnation, nicht richtig zu verstehen. Ich denke ja, dass der Anteil der Nestorianer unter Freikirchlern sehr hoch ist….
*Mark Shea weist darauf hin, wie witzig es doch ist, dass laut Freikirchlern Gott zwar nicht materiell in der Welt wirken kann, dafür aber jeder gezeichnete Trudenfuß und jedes “ouija board” als Einfallstor der Dämonen angesehen wird. Warum können Dämonen, was Gott nicht kann?
Andreas meint:
7. January 2007Die Webseite von Andreas
Wie kommst Du darauf, dass Freikirchler Gottes materielle Wirken in der Welt leugnen (ich bin übrigens keiner)? Ich kenne viele Katholiken, die nicht an Wunder glauben aber keinen einzigen Freikirchler.
Kritisch wird es für Freikirchler erst, wenn diese Wunder mit irgendwas Materiellem in Verbindung stehen, seien es Reliquien, best. Orte etc., also nicht aus “reinem” Gebet oder “reinem” Glauben kommen. Dann sehen sie die Gefahr Gott die Ehre zu nehmen…
Gottesgebärerin gefällt mir wesentlich besser als Mutter Gottes.