Meine Gedanken in fremden Worten

Dies Domini.

Schon seit einiger Zeit habe ich nichts mehr über Aspekte des Dauerthemas “Gesundheitssystem in Deutschland” geschrieben. Nun finde ich in der aktuellen Ausgabe des Ärzteblattes einen Artikel eines bis vor kurzem in Norwegen tätigen Allgemeinarztes, der meine Meinung zu 100% wiedergibt (und bei dem auch nicht wenige Kollegen ihr Fett wegbekommen).

Ein Auszug daraus:

Etwa dreimal im Jahr geht jeder Norweger durchschnittlich zum Arzt, mehr als 16-mal jeder Deutsche, wie jüngste Untersuchungen einer Krankenkasse zeigen. Dabei werden die Deutschen aber nicht gesünder. Der Norweger (und der nicht verschreckte Mensch auf dem Land) entfernt sich die Zecke selber, weil er nicht durch wohlmeinende Ratgeber verunsichert wird und hinter jedem Tier eine tödliche Krankheit befürchtet. Er vertraut darauf, dass Pfeifgeräusche im Ohr nach ein paar Tagen Pause wieder verschwunden sind. Für die Krankheit „Hörsturz“ gibt es im Norwegischen gar kein Wort – also auch keine Besorgnis. Gestresste Politiker gönnen sich einfach ein freies Wochenende. In den Wartezimmern einiger norwegischer Allgemeinärzte hängt folgendes Schild: „Vorsicht: Sie verlassen Ihre persönliche Lebenswelt. Wenn Sie jetzt das Gesundheitswesen betreten, fragen Sie Ihren Arzt nach Nebenwirkungen und Risiken.“

Meine Erfahrung in Klinik und ambulanter Medizin, besonders bei den vielen Notfällen, die nach einfachstem Laienermessen keine sind (trifft fast ausschließlich junge Menschen, aber nicht nur, wie ich letzte Nacht feststellen durfte), sind allerdings die, daß man als schlechter Arzt gilt, wenn man “nichts” bis “wenig” tut: da empfiehlt man einem Patienten einfach nur Ruhe und Schonkost, und er will aber Medikamente (die nichts bringen); eine andere (gerade 18!) wollte unbedingt einen Tropf (und somit Schmerzen durch den Einstich in die Vene), obwohl ihr die eine Tablette genauso geholfen hätte.
Im ambulanten hausärztlichen Notdienst wollen fast alle “eine Spritze” (das Wundermittel schlechthin anscheinend), selbst bei einem harmlosen grippalen Infekt sind die Leute enttäuscht, wenn ich keine Antibiotika verschreibe (die da bekanntlich nichts bringen).

Wenn es in Norwegen wirklich so sein sollte wie in dem Artikel beschrieben, dann sind sie dort einfach viel weiter als Städter in Deutschland.





2 Kommentare zu “ Meine Gedanken in fremden Worten”

  1. Kranken- oder Gesundheitskasse? « Here be dragons! meint:


    Die Webseite von Kranken- oder Gesundheitskasse? « Here be dragons!

    […] Im Pax et bonum-Blog fand ich heute morgen einen interessanten Link zu einem Artikel aus dem Deutschen Ärzteblatt: Deutsches Gesundheitssystem: Mehr Mut zum NEIN-Sagen. Der Beitrag stammt von einem bis vor kurzem in Norwegen tätigen Allgemeinarzt, der das norwegische mit dem deutschen Gesundheitswahnsystem vergleicht. Ein wirklich interessanter Artikel, der durchaus auch Schweizer Ärzten und Patienten ans Herz gelegt werden sollte. Die Hauptaussage: Im deutschen Gesundheitswesen fehlt die fachliche Instanz, die gesunde Menschen vor den potenziell gefährlichen Nebenwirkungen des Gesundheitswesens bewahrt und den kranken Menschen den einfachsten Weg zur Besserung zeigt. […]

  2. Johannes meint:


    Die Webseite von Johannes

    Nicht nur die Zahlen zeigen, dass sich die Aufgabe der Ärzte verschoben hat, bzw. immer noch verschiebt.
    Ursprünglicher könnte man die primäre Aufgabe das Heilen von Krankheiten und Erhalten von Leben nennen, soweit es in ihrer Macht lag.
    Wie der Artikel sagt, haben die Ärzte- vielleicht besonders in Deutschland, keine Ahnung - zusätzlich oben drauf bekommen, aufgestaute “muss was machen-Energien” zu kompensieren.

    Zudem haben die Ärzte die neuerliche Auflage, für Schönheit zu sorgen und von den Niederlanden ausgehend sogar, Leiden zu beseitigen, und sei es durch das Beseitigen des Leidenden selbst.

    Finde das alles sehr bedenklich.

    Gruß Johannes


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