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Gott im Alltag verstehen lernen

Ich habe derzeit einen Patienten, der immer wieder in unsere Notaufnahme kommt, und zwar, weil er konsequent jeden ärztlichen Rat in den Wind schlägt und sich durch fortgesetzt selbstschädigendes Verhalten irgendwann - und ich befürchte recht bald - umbringen wird.
Das ganze verläuft nicht selten (wie auch heute) hochdramatisch und beschäftigt dann zu allen Tag- und Nachtzeiten jede Menge Menschen, die sich prinzipiell nicht so gern als Fallschirm der selbstmörderischen Klippenspringer sehen (was medizinisches Personal zu einem Großteil in westlichen Ländern ist - wir werden faktisch sehr oft dafür bezahlt, die Fehler der Menschen auszubügeln*), sondern eigentlich eher etwas tun möchten, was langfristig Sinn macht.

Sei’s drum, ich habe bei der letzten stationären Aufnahme vor wenigen Tagen in der Notaufnahme den Patienten noch gefragt, warum wir ihn überhaupt behandeln sollen - er scheint ja (und dies eindeutig ganz bewußt!) sein Verhalten nicht ändern zu wollen. Viel Reaktion kam da nicht…

In solchen Momenten verstehe ich vielleicht am ehesten, was Güte und Weitherzigkeit, was “Huld und Treue” Gottes bedeutet. Denn auch ich werde mal vor den Richterstuhl des Herrn treten, dem Herrn, meinem Arzt, und auch er hätte jedes Recht mich zu fragen, warum er mir denn noch helfen solle, ich habe ja bisher auch keine großartigen Anzeichen der Umkehr in meinem Leben gezeigt…

Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, dann wird euer himmlischer Vater auch euch vergeben. (Mt 6,14)

Damit sind anscheinend alle gemeint, nicht nur die Verfehlungen gegen uns. Auch die Verfehlungen, unter denen wir und andere leiden, ohne daß sie konkret gegen jemanden gerichtet worden sind.

Solche Lehrstunden sind nicht schön, aber notwendig.

*am besten noch, ohne Fehler auch als solche zu benennen





6 Kommentare zu “ Gott im Alltag verstehen lernen”

  1. fono meint:


    Die Webseite von fono

    Oh ja, das kenne ich auch. Manchmal muss ich mich daran erinnern, dass es immerhin meinen Arbeitsplatz erhält.

  2. Barbara Basner meint:


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    Hallo Ralf,

    nach deiner Beschreibung ist es doch mehr als offensichtlich, dass betreffende Person Krank ist. Ursächlich aber wohl offensichtlich nicht körperlich, sondern er psychisch - das ist aus meiner Sicht aber genauso schlimm (wenn nicht schlimmer).

    Vermutlich eine Mischung aus Todesangst und Todessehnsucht - bitte versuch doch mal an einen entsprechenden Fachmann (Psychologe, bzw. Seelsorger) zu vermitteln, falls das noch nicht geschehen ist.

    Liebe Grüße Barbara

  3. Petra meint:


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    Was anderes, Ralf: Ich habe kürzlich bei einem christlichen Konzert mit meinem “Catholic Lady”-T-Shirt Werbung für Deinen Blog gemacht und Deine Web-Adresse mehreren Leuten aufgeschrieben. Also wenn Du derzeit mehrere Bestellungen bekommst… ;-)

  4. Ralf meint:


    Die Webseite von Ralf

    Hallo Barbara.

    Danke für den Hinweis, aber so einfach ist das leider nicht. Da spielen viele Faktoren eine Rolle. Keine Frage, der Mann ist krank (und mittlerweile nach einem Notfall operiert) - doch die Frage ist erlaubt, welche Verantwortung jeder für sein Leben zu übernehmen hat. Nicht alles außerhalb der gesellschaftlichen Norm ist “krank”.

  5. Ralf meint:


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    Petra, danke schön. Mal sehen was kommt (an Besuchern, wichtiger als Käufer)…

  6. Barbara Basner meint:


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    Hallo Ralf,

    solche Sachverhalte sind niemals einfach.
    Aus meiner Sicht stellt sich nicht immer die Frage welche Verantwortung jeder für sein Leben zu übernehmen hat, sondern ehr wieviel Verantwortung er für sein Leben in der Lage ist zu übernehmen - und dass kann leider (Situationsbedingt / Phasenweise) sehr übersichtlich sein.

    Können, müssen, sollen und wollen sind nunmal 4 unterschiedliche paar Schuhe.

    (Jetzt wird es zwar etwas pathetisch aber trotzdem Ernst gemeint)
    Wünsche dir (und dem anderen Krankenhauspersonal) jedenfalls, dass ihr mit solch schwierigen Situationen umgehen könnt ohne eurer Herz zu verschliessen. Ich finde Vergebung (betreffender Person, aber auch sich selbst) ist da schon sehr passend/angebracht/hilfreich/richtig (aus meiner Sicht)


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