Ich möchte noch einmal kurz auf den Kommentar von Alexander Kissler eingehen, auf den ich hier schon mal verlinkt hatte. Dabei besonders auf diese Passage, dich auch in zahlreichen anderen Blogs zitiert wurde:
Die Kirchenkrise ist eine Vertrauens- und Moralkrise. Sie trifft im Kern das Bild von der Kirche als moralischer Anstalt. Sie beschädigt die eher säkulare Sicht auf die Kirche als Verein der Tugendbolde. Nichts müsste eigentlich denen, die Kirche sind, fremder sein. Sie müssten wissen, dass die apostolische Gemeinschaft die Versammlung jener ist, die sich hoffend unterwegs wissen zu ihrem Richter und Erlöser und die dessen Sakramente auf dieser unbekannten Strecke weitertragen.
Bischöfe, Theologen, Laien könnten wissen, dass nicht der erhobene Zeigefinger die Welt rettet, sondern das Opfer. Sie wissen es aber nicht, oder sie verschweigen es. Sie reden von der Kirche, der sie angehören, wie auch Kirchenferne und Kirchenhasser von ihr sprechen: Moralisch, politisch, subjektiv. Und deshalb und nur deshalb ist die säkulare Vertrauens- und Moralkrise zugleich ein theologisches Drama. Die Kirche, die so laut auf allen Marktplätzen sich den Puls fühlt, nimmt sich selbst als Kirche nicht mehr wahr.
Diese Kleruskrise ist meines Erachtens ein großes Geschenk. Erst mal ist sie ein Geschenk an all die Opfer, die sich jetzt endlich trauen sich öffentlich zu äußern, weil sie wissen, daß sie aufgrund der bekannten Zahl der Fälle ernstgenommen werden und nicht im Alleingang unterzugehen drohen (was sie vielleicht früher erfuhren).
Sie ist ein Geschenk an die säkulare Gesellschaft, weil die Kirche endlich nicht mehr als das wahrgenommen wird, was sie von ihrem Gründer her nie sein sollte, auch wenn manche Apostelnachfolger das ganz toll fanden oder finden: eine Moralanstalt des öffentlichen Rechts. Wer jetzt aus der Kirche austritt, weil er das Vertrauen in diese Moralanstalt verloren hat, dem ist leider zu sagen, daß er deswegen nie in ihr hätte verharren sollen. So etwas kann nur schief gehen. Angesichts der empirischen Erfahrung, daß sich der Mensch als solcher über die Jahrhunderte nicht allzu viel ändert, gilt eben immer noch das Psalmenwort (Psalm 118 nach lateinischer Zählung, 117 nach griechischer):
Besser, sich zu bergen beim Herrn, als auf Menschen zu bauen.
Besser, sich zu bergen beim Herrn, als auf Fürsten zu bauen.
(Und ja, das können auch Kirchenfürsten sein)
Nur dieser Grund konnte und kann tragen. Und nur wenn ich glaube, daß die Kirche gleichzeitig ausschließlich erlösungsbedürftige Menschen umfaßt und vom Herrn die Mittel für diese Erlösung geschenkt bekam, macht das Verbleiben, das bewußte Glied-sein am mystischen Leib Christi, Sinn.
Es hat auch iubita mea überrascht, ihres Zeichens orthodox, daß mich die ganze Geschichte relativ unberührt läßt - bis eben auf den Umstand, daß Opfer wie Täter meine Geschwister sind. Doch mich wie die gesamte Welt rettet kein Papst, Bischof oder Priester. Sie können mir den Retter so nahe bringen wie niemand sonst, das ja, aber genausowenig wie eine (Achtung: hinkender Vergleich, bloß Versuch des Veranschaulichens) Tankstelle mit supernetten oder abstoßenden Angestellten das Auto zum Fahren bringt, sondern eben vielmehr das, was es nur da gibt, ist die Kirche - innerweltlich gesehen - kein Selbstzweck, sondern die Nahebringerin des Herrn. Ja, sie ist mehr als eine Tankstelle für ein Auto, aber ich hoffe, etwas konnte ich ansatzweise rüberbringen. Auf den Klerus paßt der Vergleich schon eher.
Deswegen spricht der Papst auch vorrangig über Jesus, während die Welt von ihm erwartet, über die Situation der Kirche zu sprechen.
Und Alexander Kissler bedauert zu Recht, daß diese Prioritäten hierzulande sich leider verschoben haben.
Um es mit den Worten des Marketing auszudrücken: der Papst bewirbt das Produkt, weil er überzeugt ist, daß es das Wichtigste ist und alle glücklich seien, die es bekommen haben, hierzulande geht es um die Marke, die um sich selbst zu kreisen scheint und das Produktangebot aus den Augen verliert.
“Branding” geht aber in der Kirche immer genau dann schief, wenn alle unter anderem Namen dasselbe verkaufen.
Und deswegen, nicht überraschend, ist diese Kleruskrise auch ein Geschenk an die Kirche.
Benedikt meint:
24. May 2010Die Webseite von Benedikt
Gut auf den Punkt gebracht. Danke!