Vorherige Teile:
1.1, 1.2, 2.1
5. Die Brüder und Schwestern der Franziskanischen Gemeinschaft suchen Christus zu begegnen, wie er in den Mitmenschen, in der Heiligen Schrift, in der Kirche und in den Feiern der Liturgie lebt und wirkt. Der Glaube des hl. Franziskus, der ihn die Worte schreiben ließ: “In dieser Welt sehe ich von ihm, dem höchsten Sohne Gottes, leiblicherweise nichts . . . als seinen heiligsten Leib und sein heiligstes Blut”, ist für ihr Leben aus der hl. Eucharistie Inspiration und Wegweisung.
Hier scheint etwas von dem durch, was das Franziskanische ausmacht, was daher auch auf das entscheidende Bekehrungserlebnis von Franziskus zurückgeht. Er erkannte in einem Leprakranken, den er umarmte, den leidenden Christus. Es war kein Gotteserlebnis in der Einsamkeit (auch wenn er dort das Wort Gottes immer genauer geistlich studierte), kein Gotteserlebnis angesichts eines Naturschauspiels, welches ihm die Größe Gottes offenbarte, sondern es war die Begegnung eines konkreten Menschen.
Franziskus fand Jesus Christus besonders in der Heiligen Eucharistie (die er möglichst täglich mitfeierte), im Wort Gottes in der Hl. Schrift (die er zum Lebensende hin so gut auswendig konnte, daß er sie nicht mehr lesen brauchte) und eben im Mitmenschen.
Daher entspräche es überhaupt nicht franziskanischem Geist, wenn man das eine gegen das andere ausspielte.
Es geht bspw. in der Hl. Messe auch immer um den Menschen - den Banknachbarn bspw. nicht zu grüßen, weil man mit sich und Gott allein sein will, stimmt damit nicht überein.
Es geht auch immer um die Kirche, die der bevorzugte Ort der Anwesenheit Jesu ist. Auf die Kirche hören kann auch heißen, auf den Nachbarn zu hören, ebenso wie auf einen Kleriker zu hören.
Es geht auch immer um Gottes Wort in der Hl. Schrift. Laut Franziskus hat Gott durch Sein Wort jeden Buchstaben geadelt, weil man durch diese Sein Wort formen kann - die Mißachtung oder Mißbilligung der Hl. Schriften anderer ist daher, auch wenn sie Irrtümer enthalten, durch nichts zu rechtfertigen. Denn der Herr hat die Natur dieser “anderen” angenommen, als er Mensch wurde.
Die Eucharistie als Höhepunkt der christlichen Existenz - eine seltsame Vorstellung in unserer Leistungsgesellschaft, weil da ja gerade etwas an uns passiert und wir nicht den sonst so aktiven Teil spielen. Für Franziskus spielt gerade die Kleinheit der Allerwelts-Elemente Brot und Wein ein bedeutende Rolle - schließlich hätte der Herr sich uns auch in Lamm und Wein schenken können. Das Allergrößte wird so handhabbar klein, der Allergrößte gibt sich in unsere Hände - für Franziskus wie für alle von ihm Begeisterte ein ewig unergründliches Mysterium.
Tiberius meint:
10. August 2010Die Webseite von Tiberius
“Es geht bspw. in der Hl. Messe auch immer um den Menschen - den Banknachbarn bspw. nicht zu grüßen, weil man mit sich und Gott allein sein will, stimmt damit nicht überein.”
Wenn ich also in der Bank sitze und mich innerlich auf die heilige Messe vorbereite, handle ich gegen meinen Nächsten und folglich auch gegen Christus, wenn ich ihn nicht begrüße?
Ist die Messe wirklich der Ort, um in seinem Mitmenschen Christus zu erspähen? Reicht es nicht, wenn ich mich vor und nach der Messe meinem Mitmenschen in christlicher Nächstenliebe zuwende?
Ralf meint:
10. August 2010Die Webseite von Ralf
Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, wie eine Messvorbereitung ohne liebevolle Wahrnehmung der Geschwister im Herrn stattfinden soll.
Ich will diese Sichtweise aber nicht verabsolutieren - es ist ein kleiner persönlicher Kommentar zur Regel des weltlichen franziskanischen Ordens. Nicht mehr, nicht weniger.
Zum Franziskanisch-Sein gehört das Genannte aber dazu, das meine ich schon.
Tiberius meint:
10. August 2010Die Webseite von Tiberius
Ich finde es absolut nachvollziehbar, Christus zu begegnen, “wie er in den Mitmenschen, in der Heiligen Schrift, in der Kirche und in den Feiern der Liturgie lebt und wirkt”, kann mir aber gar nicht vorstellen, daß es geboten ist, diese Wege gleichzeitig zu setzen. Mir erscheint es zumindest ein hoher Anspruch an die Multitasking-Fähigkeit der Gläubigen zu sein, die ich wohl nicht im ausreichenden Maß besitze. Nun bin ich aber auch kein Franziskaner.