Von vielen Menschen im Abendland, so mein Eindruck, wird im Konfliktfeld des Aufeinanderstreffens von Islam und Christentum betont, daß das Christentum im Kern eine friedliche Religion sei, wogegen der Islam im Kern eine zumindest gewaltbereite Religion sei.
Über die Wahrheit dieser Aussage will ich mich jetzt gar nicht äußern, sondern bemerken, daß ich zudem den Eindruck habe, daß es auch Christen gibt, die mit der Art und Weise ihrer Meinungsäußerung diese Einstellung konterkarieren.
Auch ich halte natürlich den Glauben an die Hl. Dreifaltigkeit für einen zutiefst friedlichen, trotz aller historischen Verirrungen, aber das setzt voraus, daß ich das auch so lebe.
Und dazu gehört vor allem auch die verbale Gewaltlosigkeit. Unfrieden beginnt im Wort.
Das Christentum ist die Religion, die einen auf Erden machtlos erscheinenden, sich den anderen ausliefernden, am Kreuz hängenden Gott verkündet. Mit keinem Wort hat Jesus je mehr getan als Sich und Seine Botschaft anzubieten und auf die individuellen Folgen der Ablehnung hingewiesen.
Da die bisherige Phase der Glaubensverbreitung mit Hilfe politischer Macht endgültig beendet zu sein scheint (außer den ersten 3 Jh. kannte das Christentum aber keine andere Form, so daß hier ein Lernprozeß notwendig ist) - was ich sehr begrüße - geht es eben um das, was die französischen Bischöfe schon vorüber 10 Jahren “proposer la foi” nannten: den Glauben anbieten. Auch gegenüber Muslimen. Es geht im Sinne Jesu nicht darum, den Glauben anderer madig zu machen oder zu verunglimpfen oder zu verurteilen, damit ist nichts erreicht außer Gewalt. Gewalt ist aber nicht das Spielfeld des Christen, da können sich andere tummeln.
Somit ist es, vielleicht dem Jeweiligen nicht bewußt, heuchlerisch, wenn man mit flachen Parolen (und somit verbal gewaltsam) dem Islam Gewalt zuschreibt, der eigenen Identität aber Frieden. Frieden zu halten ist unendlich viel schwieriger als Gewalt, da Gewalt, eben auch verbale, uns in vielen Situationen als vollkommen natürlich erscheint. Doch der Herr fordert anderes von uns.
Arminius meint:
30. September 2010Die Webseite von Arminius
Deine Gedanken zur Gewaltfreiheit des Christentums sind in Ordnung. Doch Deine romantische Vorstellung vom Islam als Religion, der Gewalt zu unterstellen, heuchlerisch ist, ist schon sehr gewagt.
Da der Islam neben dem religiösen auch einen politischen Anspruch hat, die Durchsetzung der Sharia, wirst Du mit Deiner Interpretation des Islams als Religion immer zu kurz springen. Mag man den religiösen Teil des Islams noch tolerieren können, die Ideologie zu tolerieren, sollte sich auch jedem noch so friedfertigen Christen verbieten.
Ralf meint:
30. September 2010Die Webseite von Ralf
Hallo Arminius.
Ich habe was anderes geschrieben. Meiner Meinung nach ist es heuchlerisch, wenn man sich selbst Gewaltlosigkeit attestiert, jemand anderen die zugeschrieben gewaltneigung aber gewalttätig aufs Auge drückt.
Wer als friedliebender Christ meint, bspw. mit Hetzparolen, lautstarken Demonstrationen mit beleidigenden Abbildungen etc. auf die Gewaltneigung im Islam mehr als nur hinzuweisen, verhält sich heuchlerisch, ganz klar.
Wer das friedlich und liebevoll(!) tut, dagegen ganz und gar nicht.
Daß es eine mögliche Rechtfertigung der Gewalt im Islam gibt, bestreite ich ja gar nicht
Arminius meint:
1. October 2010Die Webseite von Arminius
In diesem Zusammenhang ist vielleicht interessant, was ein Insider (Sohn eines Imans) zum Thema zu sagen hat
Ralf meint:
1. October 2010Die Webseite von Ralf
Mit einem Großteil der Diagnose bin ich einverstanden.
Nur hat das mit dem Thema nichts zu tun, da der Politologe kein Christ ist. Ich spreche hier nicht vom Verhalten oder Meinungen von Ex-Muslimen, sondern von Christen, insbesondere katholischen.
Die wahren Konflitlinien verlaufen nciht zwischen Christen und Muslimen hierzulande, sondern zwischen Säkularen und Gläubigen, wobei die Muslime ihren Glauben vehementer verteidigen (eben auch nicht immer gewaltfrei) als die Christen. Da es sich aber zu viele Christen in der säkularen Welt des Alltags wohlig eingerichtet haben, merken sie nicht, wie weit ihre Anpassung schon gegangen ist.
Imrahil meint:
11. October 2010Die Webseite von Imrahil
– außer den ersten 3 Jh. kannte das Christentum aber keine andere Form, so daß hier ein Lernprozeß notwendig ist –
Sorry, aber das sind die Mythen der Kirchengegner.
Ralf meint:
11. October 2010Die Webseite von Ralf
Ich sprach vom Abendland - und da wäre ich dann schon für einen Beleg dankbar, wenn man meine Aussage als “Mythus” abqualifiziert.
Wo war denn die Entscheidung des einzelnen Nichtherrschers in so einer Freiheit möglich (in den ersten, sagen wir mal 18 Jh.), daß er den Glauben auch ablehnen durfte?
Imrahil meint:
11. October 2010Die Webseite von Imrahil
Praktisch überall bei der Glaubensverbreitung. Denn was die Glaubensverbreitung betrifft, ist die gewaltsame Form ein bedauerlicher Ausnahmefall.
Zum Beispiel von Karl dem Großen in bezug auf die Sachsen. Wobei man selbst hier noch formal argumentieren könnte, daß Karl nicht die, die Heiden blieben, umbrachte, sondern die, die Christen wurden, begnadigte. Auch dann ist aber das schlimm genug, was passiert ist, und wurde damals, was man auch nicht ganz vergessen sollte, vom Papst in eigener Person verurteilt.
Wurde das Römische Reich durch Gewalt missioniert? Meines Wissens nicht. Deutschland außer Sachsen? Nein.
Daß die Inquisition zu Unrecht den Staat zum Vollstrecker der christlichen Glaubenspflicht erklärte, ist unbestritten und eine andere Frage.
Ralf meint:
11. October 2010Die Webseite von Ralf
Wenn irgendein Bauer oder Leibeigener den Glauben seines Herrschers annehmen muß, um vor körperlicher oder anderer Gewalt verschont zu bleiben, dann ist das auch Gewalt.
Persönliche Freiheit bei diesem Thema gab es damals aber noch gar nicht. Und das blieb über Jahrhunderte so.
Erst wenn man eine Entscheidung ohne fundamentale negative Auswirkungen auf sein Leben fällen kann, ist Gewaltlosigkeit gegeben.
Imrahil meint:
11. October 2010Die Webseite von Imrahil
Die Kirche hat jedenfalls die Anwendung von Gewalt in diesen Fällen offiziell und wirksam und, meiner Vermutung zufolge auch, vergleichsweise effektiv abgelehnt. Und wie gesagt, wir reden jetzt nicht von der freien Entscheidung des Getauften, daß da keine Freiheit war ist leider so, aber eben eine andere Frage. Der cuius-regio-Unsinn kann schlecht der Kirche angelastet werden; und nebenbei bemerkt, selbst da hatte man noch ein so schlechtes Gewissen, immerhin die Religionsfreiheit im Wege der Auswanderung zu ermöglichen.
Wobei man schon beachten muß, daß Du, wenn Du so einfach “oder anderer Gewalt” sagst und die Abwesenheit wenn auch fundamentaler “negativer Auswirkungen” forderst, obwohl Du das natürlich zu Recht tust, daß man da nicht irgendwie alles hineinsubsummiert. Denn man kann nicht fordern, daß die Religionszugehörigkeit keine Auswirkungen auf das Leben haben darf.
Sofern wir die Leibeigenschaft als gegeben annehmen, und es gibt selbstverständlich gute Gründe sie zu bekämpfen, und wir haben sie Gott sei Dank nicht mehr - kann man die Abwesenheit von Freiheit nicht schon da ansetzen, wo der Leibherr vielleicht ein wenig gnädiger mit dem Christen ist als mit dem Heiden, ihn vielleicht am Sonntag in die Kirche gehen läßt während er den anderen zur Fronarbeit einbestellt, ihm vielleicht mal ein kleines Geschenk gibt, das er dem anderen nicht gibt, usw, ihn weniger bestraft als den anderen (weil er davon ausgeht, daß er als Christ in seinem Leibherrn auch seinem Ewigen Herrn dient und daher wahrscheinlich guten Willens ist), usw.
Ich möchte auch heute, gesetzt den Fall ich wäre Arbeitgeber, das Recht haben mit dem Mitchristen (oder meinem persönlichen Freund, oder dem, der auf der Betriebsfeier sehr gesellig ist im Gegensatz zu dem, der gleich verschwindet etc.) gnädiger umgehen zu dürfen als mit dem jeweils anderen.