Christsein zum Extrem

Ich höre Ihn nicht mehr.

Ein Mann betet, er betet um sein Leben. Soll er fliehen oder trot der Todesgefahr bleiben? Sein Gebet scheint ihm unbeantwortet zu bleiben, vorerst …

Gestern im Kino (u.a. mit Peter von EchoRomeo) war der Film “Von Menschen und Göttern” (gestern als OmU) ein wirkliches Ereignis. Hier und dort steht schon mal was Bruchstückhaftes zu der wahren Geschichte.

Der betende Mann ist einer der Mönche (Bruder Christophe). Er will sich nicht einfach abschlachten lassen, sieht in dem drohenden Martyrium keinen Sinn. Er will leben, so wie die allermeisten von uns. Der Film zeigt grandios, was Christsein im Extrem bedeutet, was es heißt, sich in die Nachfolge des wehrlosen Gekreuzigten zu begeben. Ein Kampf, den nehazu jeder einzelne Mönch dieser Gemeinschaft für sich mit Ihm einzeln erringen muß.

In diesem Film gibt es keine bloße Gemeinschaft, sondern ein Gruppe von Individuen, die sich selbst zum Wohl aller zurücknehmen, die letztlich sogar, rein aus dem Glauben an den wehr- und machtlosen Gekreuzigten heraus, den möglichen Märtyrer-Tod auf sich nehmen. Die Schauspieler sind großartig, ihr Mimenspiel läßt einen alles miterleben.

Kurz: sehr sehenswert!

Interessant sind die verschiedenen Kritiken der Film-Journalisten. Es gibt sehr treffende (die der Süddeutschen beschreibt haargenau das, was ich empfand, auch die der Welt ist sehr gut), andere dagegen strotzen von tiefer Ahnungslosigkeit. Daß die Mönchskutten der Trappisten nicht aus Wildwest-Farbgebungsmotiven heraus (die Guten in Weiß, die Bösen in Schwarz) eben weiß mit schwarzem Überwurf sind (hier erdacht), das ist schon ein Gedankenentwurf, die eher Bildungsbedarf beim Kritiker vermuten läßt und zu ein wenig Recherche im Vorfeld einlädt.

Zum Schluß erstens noch einmal das berühmte Testament des Priors (wird im Film etwas gekürzt wiedergegeben):

Wenn es mir eines Tages passieren sollte - und es könnte heute sein - Opfer des Terrorismus zu werden, der wie es scheint jetzt alle Ausländer, die in Algerien leben, einengen will, möchte ich, dass sich meine Gemeinschaft, meine Kirche, meine Familie daran erinnert, dass mein Leben an Gott und an dieses Land GEGEBEN ist. Mögen sie akzeptieren, dass der einzigartige Meister allen Lebens bei diesem brutalen Abschied nicht fremd sein wird. Sie mögen fuer mich beten: Wie könnte ich eines solchen Opfers würdig sein?

Mögen sie diesen Tod vereinigen mit all den anderen ebenso gewalttätigen, die in der Gleichgültigkeit und Anonymität gelassen werden. Mein Leben ist nicht höher im Wert als ein anderes, es hat auch nicht weniger Wert. Jedenfalls hat es nicht die Unschuld der Kindheit. Ich habe lange genug gelebt, um mich als Komplize des Bösen zu wissen, das sich leider in der Welt durchsetzt und das mich selbst in Blindheit schlagen kann. Ich wünsche, wenn der Moment gekommen ist, den Zeitraum zu haben um die Verzeihung von Gott und die meiner Brüder in der Menschheit zu erbitten und gleichzeitig dem zu verzeihen, der mich angreifen wird. Ich möchte einen solchen Tod nicht wünschen. Es scheint mir wichtig, das zu bekennen. Ich sehe wirklich nicht, wie ich mich darüber freuen könnte, wenn dieses Volk, das ich liebe, unterschiedslos meiner Ermordung angeklagt wuerde. Das, was man vielleicht die “Gnade des Martyriums” nennen wird, ist zu teuer zu bezahlen, als dass man es einem Algerier anlastet, welchem auch immer; vor allem, wenn er sagt, in der Treue dessen, was er glaubt der Islam zu sein, zu handeln.

Ich weiss um die Verachtung, mit der man im allgemeinen die Algerier behandelt. Ich weiss auch um die Karikaturen des Islam, welche einen gewissen Islamismus ermutigen. Es ist zu leicht, sich ein gutes Gewissen zu geben, indem man diesen religiösen Weg mit dem Fundamentalismus seiner Extremisten identifiziert. Algerien und der Islam sind für mich etwas anderes: Sie sind Koerper und Seele. Ich habe es oft genug verkündet, glaube ich, was ich durch Sehen und Wissen empfangen habe: wie oft ich den geraden Leitfaden des Evangeliums gefunden habe, den ich auf den Knien meiner Mutter gelernt hatte, meiner ersten Kirche, genau gesagt in Algerien, und schon im Respekt der muslimischen Gläubigen. Mein Tod wird sicher denen scheinbar Recht geben wollen, die mich als naiv oder Idealist behandelt haben: “Sie mögen jetzt sagen, was sie davon denken!”

Aber sie sollen wissen, dass endlich meine quälende Neugier befreit ist. Dann werde ich, wenn es Gott gefällt, meinen Blick in den des Vaters versenken, mit Ihm seine Kinder im Islam betrachten, so wie Er sie sieht, ganz erleuchtet von der Herrlichkeit Christi, Frucht Seiner Passion, ausgezeichnet durch die Gabe des Heiligen Geistes, dessen geheime Freude es immer sein wird, die Gemeinschaft aufzubauen und mit den Differenzen spielend, die Ähnlichkeit wiederherzustellen.

Dieses verlorene Leben ist ganz das meine und ganz das ihre. Ich danke Gott, der dieses Leben ganz und gar für diese FREUDE gewollt zu haben scheint, trotz und gegen alles. In diesem DANK ist alles über mein Leben von jetzt an gesagt.

Ich schliesse Euch natürlich ein, Freunde von gestern und von heute und euch Freunde von hier, an den Seiten meiner Mutter und meines Vaters, meiner Schwestern und meiner Brüder und der ihren. Das Hundertfache (sei euch) gewährt, wie es versprochen ward! Und auch dich, Freund des letzten Augenblicks, der du nicht wissen wirst, was du tust. Ja, auch für dich will ich dieses DANKE und dieses A-DIEU, vorgesehen von Dir. Wenn es uns gegeben sein soll, werden wir uns als glückliche Schächer im Paradies wiederfinden, wenn es Gott gefällt, unser beider Vater. Amen, Insch’Allah!

Und zweitens die Frage, mit der die Kritik in der Süddeutschen schließt:

“Von Menschen und Göttern” predigt nicht, sondern zieht uns in eine fortwährende Selbstbefragung. Könnte ich der Gewalt widerstehen mit Gewaltlosigkeit, das eigene Leben einsetzend, in der Gewissheit, dass der Tod nicht das letzte Wort behalten wird?





Ein Kommentar zu “ Christsein zum Extrem”

  1. Stephanie meint:


    Die Webseite von Stephanie

    Ohhh….wie schön…. Ich warte ja ganz sehnsüchtig auf diesen Film, muss mich aber in unserer Stadt leider noch bis ins Neujahr gedulden, da er vorher nicht im Kinoprogramm läuft. Nunja, Geduld soll ja bekanntlich eine Tugend sein.

    Die Frage der Süddeutschen finde ich großartig! Und jedes Mal, wenn ich sie mir selbst stelle, wird mir sehr sehr mulmig…


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