Vor kurzem hatte ich in einem Internetforum- mit all den Defiziten, die so ein Forum hat - eine Diskussion darüber, ob die Bezeichnung Mariens als Theotokos, also “Gottesgebärerin” - wir sagen ja eher Muttergottes, schon als eine Art Eigenname - denn gerechtfertigt sei. Also ein sehr weihnachtliches Thema …
Kann es sein, daß die junge Maria aus Nazareth den Schöpfer allen Lebens, den Ursprung allen Seins, das absolute Sein selbt wirklich geboren hat?
Kann denn Gott geboren werden?
Ja und nein.
Was sagen die Väter des m. E. nach wichtigsten Konziles der Christenheit dazu, des Konzils von Chalcedon aus dem Jahr 451?
Unser Herr Jesus Christus ist als ein und derselben Sohn zu bekennen, vollkommen derselbe in der Gottheit vollkommen derselbe in der Menschheit, wahrhaft Gott und wahrhaft Mensch derselbe, aus Vernunftseele und Leib, wesensgleich dem Vater der Gottheit nach, wesensgleich uns derselbe der Menschheit nach, in allem uns gleich außer der Sünde, vor Weltzeiten aus dem Vater geboren der Gottheit nach, in den letzten Tagen derselbe für uns und um unseres Heiles willen [geboren] aus Maria, der jungfräulichen Gottesgebärerin, der Menschheit nach, ein und derselbe Christus, Sohn, Herr, Einziggeborener in zwei Naturen unvermischt, unverändert, ungeteilt und ungetrennt zu erkennen, in keiner Weise unter Aufhebung des Unterschieds der Naturen aufgrund der Einigung, sondern vielmehr unter Wahrung der Eigentümlichkeit jeder der beiden Naturen und im Zusammenkommen zu einer Person und einer Hypostase, nicht durch Teilung oder Trennung in zwei Personen, sondern ein und derselbe einziggeborene Sohn, Gott, Logos, Herr, Jesus Christus, wie die Propheten von Anfang an lehrten und er selbst, Jesus Christus, uns gelehrt hat, und wie es uns im Symbol der Väter überliefert ist.
Daraus noch einmal die jetzt hier wichtige Passage:
vor Weltzeiten aus dem Vater geboren der Gottheit nach, in den letzten Tagen derselbe für uns und um unseres Heiles willen [geboren] aus Maria, der jungfräulichen Gottesgebärerin, der Menschheit nach, ein und derselbe Christus, Sohn, Herr, Einziggeborener in zwei Naturen unvermischt, unverändert, ungeteilt und ungetrennt zu erkennen,
Also, kurz gesagt: Gott Sohn als Gott ist schon “vor der Schöpfung” als Gott Sohn existent (also durch Maria nicht erst geboren), Gott Sohn als Mensch wurde von ihr geboren.
Also doch nicht Mutter Gottes?
Doch, denn nur weil in diesem Einen Sohn das Wesen Gottes und das Wesen des Menschen “unvermischt, unverändert, ungeteilt und ungetrennt” sind, hat Maria Gott geboren und ist Mutter Gottes. Es ist nicht möglich, in Jesus diese beiden Naturen irgendwie anatomisch zu trennen.
Wir können also beruhigt feiern in wenigen Tagen, daß “Gott geboren wurde” aus Maria, obwohl es im Großen Credo heißt, daß der Herr “aus dem Vater geboren [wurde] vor aller Zeit”. Das ist kein Widerspruch, sondern zeigt noch einmal das Faszinosum der zwei Naturen in dem Einen Jesus von Nazareth.
Und wenn man das ganze einmal Revue passierenläßt, wird auch klar, warum wir zu Ostern davon ausgehen können, daß Gott am Kreuz gelitten hat. Nicht weil die göttliche Natur Jesu gelitten habe (als Gott ist sie ja der Zeit nicht unterworfen, und Leiden ist ein Geschehen in der Zeit), sondern weil die göttliche Natur so eng mit der menschlichen verbunden ist (eben unvermischt, ungetrennt etc.), daß man das, was man von der menschlichen sagen kann, auch von der göttlichen sagen kann oder gar sagen muß, um Jesus nicht zu zerteilen.
Für mich selber war es vor Jahren ein wirklicher Schock, beim Hl. Bonevantura gelesen zu haben, daß die göttliche Natur nicht gelitten hat (obwohl das ja klar ist) - als ich das hier schrieb (siehe Kommentare des Links), riet man mir u.a., mich nicht zu tief damit zu beschäftigen. Daß dieses Faszinosum dabei genauso die Geburt Christi betrifft, ist mir jetzt erst klar geworden.
Ohne Theotokos kein Leiden Gottes am Kreuz. Und umgekehrt.