Ein Freund amüsiert sich manchmal wohlwollend über meine u.a. in christlichen Internetforen kundgetane Meinung, daß man die Menschen bitte nicht unterfordern solle. Ich bin schon seit Jahren der Meinung, daß anspruchsloses Ohrschmeicheln in Predigten und Verlautbarungen von welcher Stelle auch immer letztlich den Menschen viel weniger dient als Aufforderungen und Aufrütteln.
Und als ich gestern mit iubita mea ein super interessantes Buch des Begründers der Logotherapie, Viktor Frankl, las (nicht zu verwechseln mit Logopädie, was ganz anderes), stieß ich auf ein Zitat eines sehr bekannten Deutschen. Frankl betrachtet dieses Zitat als Grundlage jeglicher Psychotherapie.
Ich denke es ist ebenso geeignet als Grundlage jeglicher Pastoral.
Wenn wir die Menschen nur nehmen wie sie sind, so machen wir sie schlechter; wenn wir sie behandeln, als wären sie, was sie sein sollten, so bringen wir sie dahin, wohin sie zu bringen sind.
J.W. von Goethe
dilettantus in interrete meint:
7. October 2013Die Webseite von dilettantus in interrete
Ich fände es schon gut - insbesondere in Gottesdiensten - behandelt zu werden wie ich bin und nicht wie ein Kleinkind!
Sascha meint:
16. October 2013Die Webseite von Sascha
Gott kann Veränderung bewirken. Das schafft er ganz alleine. Aber wir können ihm dafür als Werkzeug dienen. Unter anderem in Gottesdiensten. Ich bin davon überzeugt, er hilft uns Gottesdienste und letzlich auch unser tägliches Leben so zu gestalten, dass er durch uns zu anderen redet. Wir müssen dazu aber bereit sein. Für mich bedeutet dies ständige Fokussierung auf Gott und darauf hören, wass er von uns möchte. Dies hat zwangsläufig zur Folge hat, dass Rituale, festgesteckte Abläufe, immer wiederkehrende und irgendwann nicht mehr ansprechende Inhalte zur Nebensache bzw. unwichtig werden. Gott ist kreativ, Gott ist einfallsreich. Wir sind diejenigen, die das lernen und verrinnerlichen müssen. Das bedeutet dann doch auch die Bereitschaft zu haben, sich selber immer wieder zu hinterfragen und zu bewegen. Wir müssen die grundlegende Bereitschaft haben zur stetigen Veränderung bei uns und bei anderen.
Imrahil meint:
25. October 2013Die Webseite von Imrahil
Aber: wer aufrüttelt, sollte der nicht auch sagen, wen er nicht aufrüttelt?
Gleich nach Irrtümern und “wie ein Kleinkind behandelt werden” kommt für mich eine Predigt, bei der ich mit einem schlechten Gewissen herausgehe ohne zu wissen, was genau ich denn jetzt, konkret, hätte anders machen müssen. (Wenn ich letzteres weiß, ist das schlimm genug und ich habe auch nicht vor, dann zu jubilieren, aber dann darf ich mich ja nicht beschweren.)
Leider wird gerade im orthodoxen Bereich oft nach dem Motto ” alle in einen Sack stecken und aufrütteln, Hauptsache sie gaben ein schlechtes Gewissen und es erwischt schon keinen Falschen’ gepredigt
Imrahil meint:
25. October 2013Die Webseite von Imrahil
; das Kreuz, das man tragen muß, wenn man kommunizieren will zur Belohnung, aber deshalb wohl doch kein Ideal.
Ralf meint:
25. October 2013Die Webseite von Ralf
Sascha, leider muss ich Dir widersprechen (hallo übrigens, und liebe Grüße an Doro).
Gott schafft es eben nicht ganz alleine, er braucht unsere Mitarbeit, hat sich uns wirklich ausgeliefert. Der Allmächtige ist auf die Menschen angewiesen, damit sie sich ändern. Ohne die Freiheit läuft da nichts. Und außerhalb der realen Welt auch nicht. Oder wie man im Englischen sagt: Grace builds upon Nature, Gnade baut auf der Natur auf.
Und da der Menschen nun einmal ist wie er ist, ist er u.a. eben auch ein soziales Wesen und ein Wesen, der Riten braucht. Erst dadurch, daß ich mir nicht ständig überlegen muß, wie ich mich rasiere, kann es gut und ohne Verletzung gelingen.
Und im Autoverkehr ist das Einhalten von Regeln deswegen sinnvoll, weil dann eben alle besser ans Ziel kommen, nicht nur ich so schnell wie es geht. Es geht ja nicht nur um mich. Und auch Gott geht es nicht nur um mich.
Der Leib Christi, welcher nach Paulus die Kirche ist, ist kein Verein von Egomanen. Nein, wir sind ein Leib. Ein Leib, berufen aus der Welt, gemeinsam auf dem Weg zum Herrn. Gemeinsam, nicht jeder für sich. Und das geht ohne gemeinsame Riten eben nicht.