Veröffentlicht am Sunday, 23. February 2014, 14:23
Das liturgische Fest war zwar gestern, aber schon vor drei Jahren (ich dachte, es wären erst zwei gewesen!) hatte ich mal eine kleine Trilogie meiner Gedanken zu diesem Fest und dem Anspruch, der sich damit verbindet, hier publiziert. Da ich aus diversen Gründen aktuell nicht dazu komme, immer was neues zu schreiben und andererseits dieser Blog schon über zehn Jahre auf dem Buckel hat, bin ich mal so frei mich selbst zu zitieren. In den verlinkten Originalbeiträgen I bis III findet man diverse Links, die ich jetzt einfach mal weglasse - bei Bedarf kann sich jeder selbst genauer informieren.
Teil I
Ich hoffe, bislang der Papolatrie (=Anbetung des Papstes) unverdächtig gewesen zu sein.
Das einheitsstiftende Amt des Papstes halte ich aber für unabdingbar für die Kirche und in der Tat für ein von Christus gewolltes konstitutives Element für die Kirche - insofern bin ich stramm katholisch.
Dennoch halte ich es für sehr gefährlich, aus dem jeweiligen Amtsinhaber einen religiösen Superstar zu machen, wie es seit dem großen Dramaturgen, dem bald seliggesprochenen JP2 oft geschah und geschieht (auch wenn es nicht so das Ding für B16 zu sein scheint).
Ich weiß nicht, wie es den Lesern so geht, aber anfangs hatte ich immer das Gefühl, die Orthodoxen hätten irgendwie doch eher den ursprünglichen Glauben bewahrt und das Papsttum sei eine katholische Sonderentwicklung. Erst ein gewisses historisches Studium der Quellen hat mich eines besseren belehrt. So ist es bspw. keinesfalls so, daß es unter den Orthodoxen eine “Einheit im Glauben” gibt, auch wenn diese immer postuliert wird.
Ein paar Infos zu beidem, so gut es mein Gedächtnis hergibt in chronologischer Reihenfolge:
1. der Ketzertaufstreit: rund um das Jahr 250 gab es einen Streit zwischen dem damaligen Bischof von Karthago, Cyprian, und dem Bischof von Rom, Stephan I., über die Frage, ob eine Taufe, die in richtiger Form von einem Christen außerhalb der Kirche (=Ketzer) gespendet worden ist, denn jetzt in den Augen der Kirche gültig sei oder nicht. Cyprian war ein strenger Vefechter der Wiedertaufe (in seinen Augen natürlich Ersttaufe, da die erste keine gültige war), Papst Stephan lehnte dies strikt ab, es käme nur auf die Form und Intention an. Der Bischof von Alexandria, Dionysius, neigte eher der Meinung des Papstes zu, sah aber die Gefahr einer Kirchenspaltung und mahnte behutsames Vorgehen an. Er selbst hat aber wohl keine Zweittaufe gespendet.
Geklärt wurde das ganze dann im Ersten Ökumenischen Konzil zu Nizäa im Jahr 325. Der 8. Kanon (Kanon ist ein Konzilsbeschluß) besagt, daß von einer bestimmten außerkirchlichen Sekte (die “Reinen”, Katharer) sogar die Priester und Diakone in ihren Ämtern anerkannt werden, sollten sie zur Kirche zurückkehren wollen. Die Taufe war selbstverständlich gültig. Zuvor hatte schon die Synode von Arles im Jahr 314 die Ketzertaufe anerkannt (9. Kanon).
In der Orthodoxie wird aber zum Teil immer noch auf Cyprian von Karthago zurückgegriffen und die katholische Taufe nicht anerkannt. Die Russen erkennen sie vorbehaltlos an (genauso wie die Priesterweihe), die Georgier lehnen sie vorbehaltlos ab, meines Wissens nach tun dies auch die Serben (taufen also “neu”), bei einigen Kirchen (wie der früheren Russischen Auslandskirche) liegt das im Ermessensspielraum des Bischofs bzw. in dessen Vertretung des Priesters. Eine Einheit im Glauben sieht meines Erachtens nach anders aus.
Die mehrheitliche Ablehnung ist übrigens die Reaktion auf ein meines Erachtens nach tragisches römisches Vorgehen. Es ist leider weitgehend unbekannt, daß bis ins 18. Jahrhundert hinein die Kommuniongemeinschaft zwischen Orthodoxen und Katholiken mehr oder weniger ein normaler akzeptierter Vorgang war. Erst nachdem 1729 die Propaganda Fide die Einheit mit dem Bischof von Rom und die Anerkennung seiner Vorrangstellung als unabdingbare Voraussetzung für den Empfang der Sakramente machte (bei wikipedia wird das nicht erwähnt, einen direkten Link zum Text des Dekrets habe ich aber nicht gefunden), kam es 1755 zu einer harschen Reaktion aller griechischen Patriarchate, alle katholischen Sakramente wurden für ungültig erklärt (das russische Patriarchat reagierte 1757 deutlich gelassener, alle(!) Sakramente werden akzeptiert). Diese griechische Ablehnung nach früherer Anerkennung war ein Novum der Kirchengeschichte. Katholischerseits gab es schon immer die Unterscheidung bei Sakramenten von “gültig” und “unerlaubt”, die gibt es bis heute. In der Orthodoxie ist diese weniger scharf artikuliert.
Da in der Orthodoxie generell kein Bischof für den anderen spricht (für Bischöfe eines anderen Patriarchates schon mal gar nicht), ist es auch ziemlich irrelevant für deren Lehre, wenn ein orthodoxer Bischof, wie in Deutschland vor einigen Jahren geschehen, aus “Repräsentant der Orthodoxie” (den es gar nicht gibt) die gegenseitige Anerkennung der Taufe von Katholiken, Protestanten und Orthodoxen mitunterzeichnet.
So, soweit dazu. Da das schon für einen Beitrag recht umfangreich war, kommt der zweite Teil später.
Teil II
Das früheste nachbiblische Zeugnis dafür, daß die Kirche von Rom auch außerhalb des ursprünglich auf dem westlichen Reich beschränkten Jurisdiktionsbereich (=Gebiet der Entscheidungsvollmacht) tätig wurde und dies auch selbstverständlich anerkannt wurde, ist der Erste Brief des römischen Bischofs Klemens an die Kirche in Korinth. Der ist noch aus dem ersten Jahrhundert, den hatte ich vergessen zu erwähnen. Das nur ganz knapp dazu.
Deswegen geht es weiter mit
2. der Streit im Konzil von Chalcedon im Jahr 451, welches weniger als einen Monat dauerte! Es handelte sich bei diesem 4. Ökumenischen Konzil in meinen Augen um das mit Abstand wichtigste Konzil überhaupt, auch weitaus wichtiger als das 21. Ökumenische (das Zweite Vaticanum). Viele meinen “das Konzil” sei immer nur das Zweite Vatikanische gewesen. Wer weiß, daß es bereits 20 Ökumenische Konzile davor gab und es - vorausgesetzt, die Parusie läßt weiter auf sich warten - auch noch womöglich weitere geben wird, die ggf. Entscheidungen des letzten Konzils revidieren, kann es besser einordnen. Aber um Mißverständnissen vorzubeugen: natürlich gilt es, alle(!) Beschlüsse des letzten Konzils mit Gehorsam anzunehmen, denn es steht uns “vorauseilender Gehorsam des Hl. Geistes” nicht zu: keiner weiß, ob, wann und wo je wieder ein Konzil stattfinden wird und was es beschließen wird.
Worum ging es bei diesem Konzil? Hauptsächlich um eines: wer ist Jesus? Ist Er Gott? Ist Er Mensch? Ist Er beides und wenn ja, dann wie? Welche “Natur” hat Er, wie hat Er Anteil an der Gottheit? Das Ergebnis dieses Konzils ist die berühmte Formulierung, daß in der Einen Person (griech. Hypostase) Jesu Christi zwei Naturen, die göttliche und die menschliche “unvermischt, unverändert, ungeteilt und ungetrennt” existent seien.
Wie kam es zu diesem Ergebnis und welche Folgen hatte es? Nun, zuerst zu den Folgen, denn eine große Folge dauert bis heute an. Der damalige Bischof und Patriarch Dioskur von Alexandria konnte es nicht akzeptieren, daß die beiden Naturen in Jesus Christus so wie geschildert “vorlägen” (genau erklären kann und will ich das gar nicht), er betonte mit seinem Gefolge eindeutig die Gottheit Jesu Christi über die Menschheit Jesu. Es kam zu der Abspaltung der Kirche, die im Gefolge dann “alt-orientalisch” genannt wurde. Diese Kirchen gehören bis heute dazu, u.a. auch die in letzter Zeit bekannter gewordenen Kopten. Im allgemeinen werden sie Monophysiten genannt, auch wenn sie selbst die Bezeichnung Miaphysiten bevorzugen.
Entscheidend für die weiter oben ganannte abschließende Formulierung wurde das Eingreifen des römischen Bischofs, des Papstes Leo dem Großen. Er war selbst nicht anwesend (das war bei den im Osten statfindenden Konzilien durchaus üblich), sondern hatte seine Gesandten hingeschickt. Die christologische Streitfrage hatte er nun nach eigenem Bekunden als Inhaber des Apostolischen Stuhls (damit wurde - auch eher unbekannt - nur der römische bezeichnet, obwohl Petrus zuvor auch erster Bischof von Antiochien war) autoritativ beantwortet, indem er ein Schreiben in Chalcedon vorlesen ließ (was der Bischof von Alexandria lange verhindern wollte - jaja, so ging’s damals schon zu …). Dieses Schreiben ging als “Tomus Leonis” in die Geschichte ein. Die Reaktion darauf wird so überliefert, daß manche Konzilsväter begeisert ausriefen, mit der Stimme Leos hätte Petrus selbst gesporchen.
Aber wo ist jetzt der Haken?
Nun, die Bedeutung dieses Tomus wird aus nachvollziehbaren Gründen in Ost und West unterschiedlich gesehen. Während bspw. der orthodoxe Theologe Olivier Clément in seinem Buch “You are Peter” das ganze eher ein wenig runterspielt (obwohl er zugibt, daß sich Leo seiner päpstlichen Vollmacht schon da voll bewußt war), legt Stephan Otto Horn in dem von mir bereits kurz rezensierten Buch schön dar, welche große Bedeutung das Eingreifen des Inhabers des Apostolischen Stuhles hatte. Das kann der Osten natürlich nicht einfach schlucken, das kann man auch nicht argumentativ erzwingen und Quellen können unterschiedlich bewertet werden.
Die unterschiedliche Quellen-Bewertung spielt bis heute auch bei dem zweiten folgereichen Thema eine Rolle. Aber dazu später dann im Teil III.
Teil III
Wie angekündigt jetzt der abschließende Teil zum Konzil von Chalcedon, der heute noch Schatten wirft. Es geht hierbei nicht um die Fraktionen Katholisch-orthodox versus alt-orientalisch, sondern grob gesagt um Ost versus West.
Das Stichwort lautet “Canon 28″.
Jedes altkirchliche Konzil hat als Beschlußsammlung die bereits erwähnten Canones herausgegeben, sie sind das eigentliche Ergebnis des Konzils. Der Canon 28 besagt nun, daß der Bischofssitz von Konstantinopel nicht nur wie zuvor beim Ersten Konzil in Konstantinopel im Jahr 381 festgelegt an zweiter Stelle hinter Rom stünde, sondern gleichauf mit Rom den ersten Platz sozusagen teilt. Begründung war der Umstand, daß Konstantinopel jetzt (durch den Sitz des Kaisers) das neue Rom sei.
Jetzt ist es aber so, daß die päpstlichen Gesandten, die sog. Legaten, während der Abstimmung über diesen Canon überhaupt nicht mehr anwesend waren - es handelt sich also um einen Canon ohne päpstliche Teilnahme. Die Legaten haben die Zustimmung auch nachträglich verweigert, ebenso Papst Leo der Große. Es ist in meinen Augen vollkommen nachzuvollziehen, daß sich die Position eines Bischofssitzes nicht an den politischen und somit zeitlichen Machtverhältnissen orientieren darf. Der Apostolische Stuhl war und ist immer nur Rom (das im letzten Beitrag genannte Buch von Horn zeigt viele Quellen auf, die diese Sichtweise auch für den Osten bestätigen), durch den Kaisersitz in Konstantinopel hat auch der dortige Bischof keinen Anteil daran erhalten.
Aus diesem Grund hat Papst Leo das Konzil als ganzes mehrere Jahre überhaupt nicht akzeptiert, erst durch Beknieung durch Kaiser und Bischöfe tat er es dann doch, allerdings ohne den Canon 28. Der wurde im Westen nie akzeptiert.
Okay, soweit so gut. Es gab schon immer - um der Mär von der ach so geeinten Kirche im Ersten Jahrtausend ein Ende zu bereiten - Konzile der einen Region, die in der anderen nicht anerkannt wurden, so bspw. die Synode (Konzil ist nur das latein. Wort für Synode) von Elvira im heutigen Spanien (in der Nähe von Granada) aus dem 4. Jh. Wer schon immer mal wissen wollte, wann der Sabbat als kirchlicher Feiertag zugunsten des Sonntags offiziell abgeschafft wurde - hier war’s (was auch weltweit Einzug hielt). Diese unterschiedliche Tradition der Konzilsinterpretationen in Ost und West, meines Erachtens eines der spannendsten katholisch-orthodoxen ökumenischen Themen, ist aber später noch einen eigenen Beitrag wert.
Also zurück zum Canon 28. Entscheidend jetzt für die weitere Beurteilung dieses Canons ist es, wie die Kirche mit ihm umgegangen ist. Er ist überliefert, das ja. Aber: er findet sich in den ersten Jahrhunderten nach diesem Konzil in keiner kirchlichen(!) Canonsammlung, weder des Westens noch des Ostens! Selbst ein Patriarch von Konstantinopel wie der in der Orthodoxie als heilig hochverehrte Johannes Scholasticus, der über 100 Jahre nach dem Konzil von Chalcedon eine epochale Sammlung des kanonischen(!) Rechts editierte, führt diesen Canon nicht auf, obowhl doch gerade er davon profitiert hätte.
Nein, wenn der Papst in Rom als Inhaber des alleinigen Apostolischen Stuhls einen Canon nicht mitträgt, gilt er als nicht mehr verbindlich für die Kirche, so war damals die übliche Vorgehensweise.
Erst als das Schisma immer deutlicher wurde, wurde dieser Canon plötzlich hervorgeholt und findet sich als Streitpunkt bis heute auf dem Tablett.
Soweit zu diesem Konzil - und hier beende ich mal die kleine Reihe über die Kathedra Petri.