Trennschärfe
In einem Forum habe ich die letzten Tage vermehrt über das Thema der Zulassung wiederverheiratet Geschiedener (wvG) zur Hl. Eucharistie debattiert, u.a. auch mit einem versierten Kanonisten (Theologe, Spezialgebiet Kirchenrecht). Auch wenn ich das vor zwei Beiträgen schon einmal angerissen habe, möchte ich das gern einmal weiter ausbreiten, was ich dazu denke.
Im Gegensatz zu den meisten Bloggern, so ist zumindest mein Eindruck von diesen, wünsche ich mir eine Änderung - Änderungen in der Kirchenlehre hat es immer mal gegeben (man schaue nur mal auf die Beichte). Dabei geht es mir aber keinesfalls um eine Änderung an der Unauflöslichkeit der Ehe. Wie beides zusammengehen kann, ist eigentlich gar nicht so schwierig.
Das setzt aber voraus, daß man gedanklich genau das unterscheidet, was zur Göttlichen Offenbarung gehört und was Resultat einer westkirchlichen Entwicklung ist.
Daß eine Ehe unauflösbar ist, ist Göttliche Offenbarung. Punkt, fertig, aus. Wer das anders sieht, widerspricht diametral der Aussage Jesu. Daran gibt es nichts zu rütteln.
Aber, das große Aber, was eine Ehe “gültig” macht, also was eine Beziehung zur kirchlich anerkannten Ehe macht, ist keine Göttliche Offenbarung, sondern dazu gab es im Laufe der Jahrhunderte Entwicklungsschritte, die weder das Privileg der Unfehlbarkeit für sich beanspruchen können noch sich zielgerichtet nur in eine Richtung entwickeln dürfen.
Stichworte wie Ehekonsens, körperliche Fruchtbarkeit, Ehevollzug etc., all das gehört zu kirchlichen und damit veränderbaren Rechtsnormen. In der Tat, bei unverändertem Kirchenrecht ist eine Zulassung wvG als mögliche Option (nicht als Anspruch!) innerhalb des Kirchenrechts schlicht und ergreifend nicht möglich, das wäre blanke Illusion. Der Ansatz, das Kirchenrecht quasi in seiner Bedeutung herabzustufen und die Barmherzigkeit hochzustufen ist zwar gut gemeint, aber in meinen Augen nur zweite Wahl (auch wenn ich den Eindruck habe, dies ist die Tendenz der Äußerungen mancher Bischöfe - das wird nicht gut enden!).
Dabei gehen meine Gedanken nicht von der nicht mehr gelebten Ehe aus, die, wie es im Kirchenrecht heißt, “Rechtsgunst genießt” und solange als gültig anzusehen ist, bis das Gegenteil festgestellt wird.
Der Ansatz, den ich für folgerichtig halte, ist sich die zweite Beziehung anzusehen, wissend, daß alles Gute nur von dem Einen Gott letztlich stammen kann als Ursprung alles Guten.
Wenn es in einer zweiten Beziehung vieles Gutes gibt: langjährige(!) Treue, Kinder, Vertrauen, gegenseitige Verantwortungsübernahme etc., dann ist es unmöglich - damit steht man fest auf katholischem Boden - daß Gott da Seine Hände nicht positiv im Spiel hat. Er ist der Einzige Ursprung alles Guten.
Dann ist es auch durchaus legitim zu fragen: wenn Gott da schon Seine Hände im Spiel hat, wenn er theologisch gesprochen diese Beziehung begnadet, mit Gnade beschenkt - wie bewertet die Kirche dann diese Beziehung, ohne, wohlgemerkt, ohne die erste Ehe einfach abzuhaken? War denn in der ersten Ehe nicht auch Gutes, vielleicht gab es da auch schon Kinder, war die ohne Gottes Gnade?
Dafür kann und darf es keine allgemeine Regel geben. Dafür kann und darf es keinen formellen Katalog geben, der abzuarbeiten wäre.
Es darf aber auch nicht sein, wenn man Gottes Gnade in der Gegenwart nicht als irrelevant einstuft, daß die Kirche hierzu einfach nichts sagt außer “Ehebruch”, und zwar formal nichts anderes sagt, nicht im pastoralen Einzelfall. Es geht darum, daß die Ehepartner der zweiten Ehe erhobenen Hauptes bleiben können, nicht aus Stolz, sondern aus der Gewissheit heraus, daß die Kirche in ihrer Gänze sie annimmt, nicht nur der Ortspfarrer.
Meines Erachtens nach muss also das Wirken Gottes im Leben des Einzelnen, hier eben im Eheleben, ein Kriterium für die Bewertung der “Gültigkeit” einer Ehe sein. Es gilt also nachzuspüren, ob Gott diese erste Ehe als dauerhaft und sakramental intendiert hat. Das kann man nur rückblickend, weil auch bei diesem Modell die Ehe natürlich “Rechtsgunst genießt”. Das sollte man auch nur nach einer mehrjährigen Bußzeit können, weil sonst Fälle wie bspw. die des Bundespräsidenten a.D. Christian Wulff, der von seiner zweiten Frau nach weniger als zehn Jahren auch schon wieder getrennt lebt, zu häufig entscheiden werden müßten. Hier fehlte es offensichtlich am langjährigen Vorhandensein der oben genannten Kriterien (ganz neutral gemeint und ohne Urteil).
Zehn bis fünfzehn Jahre Bußzeit halte ich daher für angemessen und nicht aus der Hüfte geschossen. Das ist zwar eine lange Zeit, aber es bietet eine Perspektive und allen Beteiligten Sicherheit.
Wessen Aufgabe könnte das oben erwähnte “Nachspüren” sein? Natürlich dessen, der die Vollmacht des Bindens und Lösens bekommen hat, des Bischofs.
Es wäre also eine Erweiterung der jetzigen Kriterien. Es ist heute schon möglich, eine Ehe für “ungültig” erklären zu lassen bzw. zu annullieren, ohne in einer zweiten Beziehung zu sein - dazu gibt es formale Kriterien. Dies müßte gar nicht angepackt werden. Hier geht es um die Frage der Gültigkeit trotz vorhandener formaler Kriterien im Angesicht einer zweiten Beziehung. Die formalen Kriterien machen also eine Ehe nicht per se gültig, sondern das Fehlen eines Kriteriums macht sie ungültig.
Dabei geht es auch um die Wortwahl. Ungültig und gültig, auch von mir verwendet, sind hier rein kirchenrechtlich zu sehen und sollten im Sprachgebrauch nicht mehr vorne stehen. Aus einer Ehe kann ebenso gut eine “eheliche Lebensgemeinschaft” werden, wenn sie kirchlich gesehen keine “Ehe im vollen Sinn” ist bzw. war. Da fällt der Kirche schon kein Zacken aus der Krone.
Es geht jetzt gar nicht darum, irgendwelche Details einer möglichen Regelung bzw. Regelungsmöglichkeit aufzuzeigen. Ich möchte nur aufzeigen, daß man die Praxis nicht nur anders handhaben, sondern auch anders regeln kann, ohne das Kirchenrecht zu minimieren oder die Lehre aufzuweichen. Die Unauflöslichkeit einer Ehe bliebe bestehen.
Nur was die Ehe zur sakramentalen und von Gott begnadeten Ehe macht sind dann eben mehr als formale und stringent objektivierbare Kriterien.