Jetzt ist es wieder so weit: es wird über das Kopftuch gestritten, insbesondere über das Recht auf deren Verwendung an staatlichen Schulen.
In den ersten Kommentaren fällt vieles auf, vor allem eines: das Grundgesetz (GG), unsere Verfassung, wird von vielen nicht wirklich verstanden. So sieht es bspw. keine strikte Trennung zwischen Staat und Kirche vor, es gibt keine Laizität wie bspw. in Frankreich oder auf andere Art und Weise wie in den USA. “Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach” heißt es in Art. 7 Abs. 3 des GG, und in den meisten Bundesländern gibt es diese bekenntnisfreien Schulen nicht (in manchen, wie Brandenburg, gibt es eine andere Regelung, in Bremen gab es sie seit 1949 durchgehend schon ohne größere Aufregung). Damit ist Religion übrigens das einzige Schulfach, das explizit im GG genannt wird.
Dann garantiert das GG das Recht auf freie Ausübung der Religion - Religionsfreiheit ist hier vor allem aktiv gemeint.
Ich zitiere das BVerfG-Urteil von 2003, das erste “Kopftuchurteil”, das zwar zu einem anderen Ergebnis kam als das jetzige (in teilen), aber auch betonte:
Die dem Staat gebotene religiös-weltanschauliche Neutralität ist nicht im Sinne einer strikten Trennung von Staat und Kirche, sondern als eine offene und übergreifende, die Glaubensfreiheit für alle Bekenntnisse gleichermaßen fördernde Haltung zu verstehen.
Dies gilt insbesondere auch für den Bereich der Pflichtschule. Christliche Bezüge sind bei der Gestaltung der öffentlichen Schule nicht schlechthin verboten; die Schule muss aber auch für andere weltanschauliche und religiöse Inhalte und Werte offen sein. In dieser Offenheit bewahrt der freiheitliche Staat des Grundgesetzes seine religiöse und weltanschauliche Neutralität.
[…]
In einer Gesellschaft mit unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen gibt es allerdings kein Recht darauf, von Bekundungen, kultischen Handlungen und religiösen Symbolen eines fremden Glaubens verschont zu bleiben.
So, können die Massen bitte mal beide Abschnitte auswendig lernen und verinnerlichen?
“Neutralität” heißt nämlich, sich keine Meinung zu bilden, eben neutral zu bleiben. Verbannung religiöser Symbole ist keine Neutralität. Wer etwas nicht haben will, ist nicht neutral. Ist doch eigentlich nicht schwierig, oder?
Nun kann man natürlich sagen, das GG spiegelt nicht das Wertesystem der derzeitigen Mehrheits-Gesellschaft wider. Das mag sein (und ich denke, so ist es auch). Aber das Bundesverfassungsgericht hat keine Modeabteilung.