Es fragen sich viele - mit Berechtigung! - wie man heutzutage noch katholisch bleiben kann in dieser Kirche, die in den höheren Etagen ihr Ansehen als wichtiger ansah als das Leiden der Kirche (denn die Mißbrauchten waren katholisch und nicht weniger Kirche!).
Dieser Frage sollte man auch nicht leichtfertig ausweichen. Daß es ähnliche Untaten woanders gibt - geschenkt. Das zu sagen hilft nicht weiter. Es geht um die Kirche Gottes.
Also, wie kann man es guten Gewissens bleiben?
Es gibt - für mich - zwei mögliche Antworten, die erstere kürzere ist weniger schmeichelhaft formuliert. Und diese Formulierung stammt noch von mir, sondern von einem anderen Düsseldorfer.
Sie ist wirklich kurz:
Gold findet man bekanntlich im Dreck.
Hier finde ich Jesus. Leibhaftig, in Seinen Sakramenten, so intim wie nur irgendwie möglich. Wer nicht wegen Jesus katholisch ist, kann natürlich schnell aufhören katholisch zu sein. Folkloregründe oder familiäre Traditionen tragen bei solchen Skandalen nicht mehr gut.
Das ist also die eine Begründung. Hart formuliert und sicher auch zu pauschal, da natürlich die Kirche nicht nur Dreck ist. Aber selbst wenn: Gold findet man im Dreck und es ist mühsam es zu finden.
Die zweite Begründung ist auch nicht arg lang und aus beiden zusammen kann man sich dann was stricken, was paßt.
Worum geht es in der Kirche eigentlich? Sie besteht nicht für sich, sondern um den Menschen einen Weg zu Gott zu zeigen, von dem sie in 2000jähriger Tradition überzeugt ist, daß er richtig ist. Sie ist überzeugt, daß es um das “wir glauben” geht, nicht nur ich, ich, ich.
Ich vergleiche es gerne mit einer Radfahrt, es geht bergauf (der Weg zum Herrn). Fahre ich alleine, kämpfe für mich oder stelle ich mich in den Windschatten einer langen Tradition, die eben auch viele Heilige hervorgebracht hat (und nicht minder viele Unheilige, klar!)? So kann ich mitrollen, trete weniger, lasse mich ziehen - und komme genauso an. Manches Mal fahren wir auch den Belgischen Kreisel, so daß jeder man im Wind steht und für alle anderen einsteht.
Dieser Windschatten ist die beständige Lehre, die eben nicht wie das Fähnchen im Wind sich dreht und überall auf diesem Planeten gilt und kompatibel zu allen Kulturen ist, weil ich sie für zutiefst menschlich halte, ohne daß sie sich anbiedert. Und selbst wenn ich stürze - mein Team hilft mir auf.
Es wird jeder Rennradfahrer bestätigen - Rennen gewinnt man nicht allein. Schon Paulus sprach vom Lebenslauf wie von einem Rennen mit Siegespreis.
Nein, wegen des Klerus bin ich nicht katholisch. Ich kenne aber auch keine Kleriker (und ich kenne einige persönlich), die das für einen guten Grund hielten …