Theologische Erwägungen VI

Nach langer Zeit mal wieder ein unbedeutender theologischer Erguß.
Also, um das diesmalige Thema einzuleiten, verweise ich noch einmal auf den Beitrag der ersten Erwägungen hier. Allerdings kommt er inhaltlich eigentlich erst nach dem nun folgenden.

Es geht um die Frage der Wahrheitserkenntnis bzw. besser der menschl. Fähigkeit, die Wahrheit Gottes zu erfassen.

Zunehmender Beliebtheit erfreut sich dabei die Geschichte der “Blinden und der Elefant“, um zu zeigen, daß die menschl. Fettmasse zwischen den Schläfen, euphemistisch Gehirn genannt, nicht in der Lage sein kann, so etwas Großes wie Gott überhaupt zu erfassen.
Diese Geschichte wird immer wieder gerne gebracht, um nicht nur die Relativität unserer Aussagen bzgl. ihrer kontextuellen Zeitgebundenheit, sondern vor allem bzgl. ihrer inhaltlichen Richtigkeit zu postulieren - kurz: ist eh alles menschlich, also nicht sicher wahr.

Die Geschichte ist nett und eingängig, auf den ersten Blick wirklich überzeugend, auch Menschen wie Hans Küng in seinem Buch “Christsein” verwenden es in diesem Sinne, es sei ja so gut übertragbar auf religiöse Bemühungen der Menschen generell.

Ist es aber nicht.

Erstaunlicherweise schauen da alle, ich natürlich anfangs auch, auf das Verhalten der Menschen. Um die kann es im christl. Kontext aber gar nicht zuallererst gehen.

Wer guckt auf den Elefanten? Was tut er?

Eben. Nichts. Steht nur da und läßt sich betatschen.

Übertragen auf den jüdisch-christlichen Kontext der Offenbarung bedeutet das also, daß es diese gar nicht gegeben hat - denn Offenbarung heißt nicht Schleier runterreißen durch Menschenhand, sondern aktives Eingreifen Gottes. Ohne den Glauben an eine Offenbarung ist diese Geschichte sehr wahr, mit einem Glauben daran aber so was von falsch, und ich verstehe mittlerweile echt nicht, wie Christen damit sympathisieren können.

Das Volk Israel des Alten Bundes hat Gott nicht zuerst gesucht, sondern die Initiative war auf seiten Gottes.

Und Christus kam in die Welt, weil Er es so wollte.

Offenbarung ist aktiv.

Wenn schon so ein Bild wie das des Elefanten, dann ist der Gott Jesu Christi der Elefant, der sich so lange dreht und windet, bis alle möglichst alle Körperteile “erfaßt” haben. Das heißt zwar noch lange nicht, daß man den Elefanten versteht, das behauptet auch die Kirche nicht, und es kann auch durchaus Menschen geben, die weiter weg vom Elefanten stehen, aus welchen Gründen auch immer, oder bloß nur einmal kurz zugreifen und dann meinen bereits alles erfaßt zu haben, das reiche aus, aber das ist nicht die Schuld des Herrn.

Wenn Gott uns liebt, wieso sollte Er, der uns so wie wir sind geschaffen hat (so schaffen wollte) und uns besser kennt als wir selbst, mit all unseren Grenzen und Möglichkeiten, denn bloß so offenbaren, daß wir Ihn nicht erfassen können? Das wäre Zynismus, keine Liebe.





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