Wenn Theologen psychologisieren, beispielsweise als Priester im Beichtstuhl, stößt das nicht nur mir unangenehm auf. Nicht besser wird es, wenn sie zu psychotherapieren versuchen.
Dabei gibt es aber eine - von den Krankenkassen in Deutschland bezeichnenderweise nicht als erstattungsfähig anerkannte - psychotherapeutische Methode, die sich so eng an Religion und Glaube anlehnt, daß mich verwundert, nicht schon längst mehr davon in Kirchenkreisen gehört zu haben (hatte schon einmal ein Buch des Begründers besprochen):
die Logotherapie, die nach dem Sinn fragt und - vor allem - diesen Sinn als stets existent postuliert, den der Betroffene (als Patient oder auch außerhalb einer Therapie) erkennen kann, den man nicht machen oder geben kann.
Nichts anderes postuliert doch insbesondere der christliche Glaube - nicht nur, daß es einen Sinn gibt, sondern auch, daß dieser erkannt werden kann. Natürlich ohne zu behaupten, daß dies immer einfach wäre.
Doch wenn einem dann irgendwelche frommen Menchen einen vermeintlichen Sinn für eine existentielle Not geben wollen, quasi von außen ein “das ist Gottes [hier Wort einsetzen]”, dann spüren wir schon selbst, so geht das nicht. Den Sinn kann mir niemand geben.
Gut, die Logotherapie beinhaltet nicht die Möglichkeit der Prophetie, aber sie denkt dennoch so eng am Glauben angelehnt, daß ich mir diese Art von Psychotherapie auch in der Kirche wünsche, denn sie ist transzendent (dieser Artikel zeigt ein paar Parallelen).
Das Viktor-Frankl-Institut in Wien stellt einige interessante wmv-Videos bereit (zum Teil auf Englisch), einfach nur klasse:
Beispiel 1
Beispiel 2
Beispiel 3
Ich denke, im Zeitalter verbreiteter gefühlter Sinnlosigkeit kann die Logotherapie eine wichtige Hilfe für die sein, die dem Transzendentalen, dem Allumfassenden Einen, noch nicht offen gegenüber sind. Diese gibt es auch in der Kirche.
Biggi meint:
11. September 2007Die Webseite von Biggi
Deiner Begeisterung für die Logotherapie kann ich nur zustimmen. Allerdings nicht deiner Behauptung, dass du dir “diese Therapie auch in der Kirche” wünschst. Meiner Meinung nach sollte die Kirche bei ihrem ureigenen “Geschäft” als “Heilsinstrument” bleiben und die Heilung von irgendwelchen psychischen Leiden den Fachleuten überlassen.
Dass die Logotherapie mit dem Christentum (und Judentum, denn Frankl war gläubiger Jude) wunderbar vereinbar ist, stimmt natürlich. Und daher wünsche ich mir durchaus mehr logotherapeutisch aus- bzw. weitergebildete Psychotherapeuten. Aber die sollen das trotzdem auf eigene Rechnung machen und nicht im Namen und Auftrag der Kirche.
Petra meint:
12. September 2007Die Webseite von Petra
Ein Freund von mir, der ein sehr gläubiger Katholik ist, ist selbst ein großer Fan der Logotherapie und hat auch eine Psychotherapeuten-Ausbildung auf dem Gebiet gemacht.
Allerdings stimme ich Biggi zu: die Kirche sollte das Heil der unsterblichen Seele im Blick haben und die Heilung (oder den Versuch davon) weltlichen Fachleuten überlassen.
Es gibt zwar auch gute Priester, die sich mit Psychiatrie und Therapie beschäftigen, wie etwa hier in Wien der mittlerweile schon sehr alte Johannes B. Torelló (einen Vortrag über Sexualität und Person von ihm findet man hier: http://www.erziehungstrends.de/orientierung?from=70), aber das ist eher die Ausnahme. Viele Priester mit Psychotherapieausbildung vergötzen eher diese und versuchen, die Methodik auch in der Beichte anzuwenden… Ich habe sogar gehört, dass es sogar welche gibt, die in der Beichte (!) Patienten anzuwerben versuchen! Ein ganz klarer Missbrauch…
Ralf meint:
12. September 2007Die Webseite von Ralf
Schön, daß dieser Beitrag direkt zu Kommentaren reizt. Natürlich ist das Heil etwas grundsätzlich anderes und unendlich(!) wertvoller als jegliche Art von Psychotherapie.
Logotherapie ist natürlich per se erlernbar, dazu muß man weder gelernter Arzt noch Psychologe sein (die Kurse richten sich explizit auch an Seelsorger), d.h. Theologen mit erweiterter Ausbildung schaden ja nicht.
Die Aussage, ich ließe mir diese Art von Logotherapie auch in der Kirche gefallen, war bewußt überspitzt. Höre ich jedoch Predigten nach Katastrophen, daß darin kein Sinn zu finden sei, so möchte ich nicht nur als Christ sagen “doch!”, sondern dies kann genauso ein Vertreter der Logotherapie.
Logotherapie ist kein Instrument des Heiles, das ist nur Jesus Christus als das Heil schlechthin, keine Frage.
Doch etwas mehr Vertrauen auf den Sinn in allen(!) Lebenslagen, das wünsche ich mir schon in der Kirche.
Nachtrag: sehe gerade, daß ich den Beitrag ja an einem 11. September schrieb. Bezeichnend…
Biggi meint:
12. September 2007Die Webseite von Biggi
Natürlich ist das so. Ich hab ja selbst solch einen (dreijährigen) Kurs gemacht. Dennoch halte ich die fachliche Basis für zu schmal, um ALLEIN nach einem solchen Kurs als Therapeut auf die Menschheit losgelassen zu werden. Als fachliche Ergänzung zu einer psychiatrischen oder psychologischen Ausbildung: wunderbar. Das bietet für viele Krankheitsbilder brauchbares Rüstzeug. - Und für viele Berufsgruppen ist ein solcher Kurs sicher nützlich, um sensibler mit bestimmten Situationen und Menschen umzugehen.
Aber noch was anderes: Sinn lässt sich lt. logotherapeutischem Credo niemals verordnen, sondern nur (vom jeweils Einzelnen) finden. Insofern wäre das “Verordnen” bzw. Aufweisen von Sinn (im Leiden, in Katastrophen etc.), wie es in einer Predigt u.U. mal zulässig sein mag, in einer Logotherapie-Sitzung kontraindiziert. Das “Verordnen” von Sinnlosigkeit, wie du es oben erwähnst, natürlich noch mehr.
Ralf meint:
12. September 2007Die Webseite von Ralf
Keine Frage, wenn ich so einen Kurs machen würde, würde das keinesfalls für eien Therapeuten reichen. Aber hilfreich wäre es für meine ärztliche Tätigkeit allemal. Und ich denke, es wäre auch hilfreich für Seelsorger, auch wenn die Grenzen dort streng einzuhalten sind.
Für die von Sinnlosigkeit Überzeugten hat die Logotherapie ggf. bessere Antworten parat (für den Anfang) als die Pastoraltheologie.