Anwendbar

Auch wenn es in diesem Buch um die geistliche Auseinandersetzung mit dem Marxismus geht und um die Stellung, die ein Christ dort einnehmen sollte - während er in vielen sozialen Fragen gar nicht so unsozialistisch denken sollte - ist die Grundausrichtung des Buches bis heute sehr aktuell.
Heute ist nicht das alternative Sinnangebot der größte “Konkurrent” im Westen, sondern die Überzeugung, daß es keinen letzten Sinn (mehr) gebe. In den östlichen Bundesländern sind über 80% religiös ungebunden, die meisten von ihnen vermissen anscheinend nichts. Die “Konfessionslosen” stellen mittlerweile die größte Bevölkerungsgruppe dar.
Das bedeutet nicht, daß es keine Berührungspunkte mit ihnen geben soll, daß man nicht für gemeinsame Ziele arbeiten woll, ganz im Gegenteil. Wenn wir in unseren Lebenswelten mit ihnen zu tun haben, genauso wie mit Gläubigen anderer Religionen, dann ist es unsere Aufgabe, so Madeleine Delbrêl ganz nach dem Evangelium, nicht die Köpfe zusammenzustecken und sich abzusondern, sondern die anderen vorbehaltlos zu lieben suchen. Trotz aller prinzipiell möglichen Kritik an ihren Grundüberzeugungen.

Dabei steht für Delbrêl, und das ist evtl. für manch eine theologische Sichtweise nicht so angenehm, die Einheit der Kirche über allem. Sie hat es in ihrer lokalpolitischen Arbeit vor Ort im französischen Ivry gelernt, genauso wie es heute noch zum Einmaleins der Politik gehört, daß man nur dann mit Zustimmung rechnen kann, wenn man nach außen hin geschlossen auftritt. Ohne Profil keine Haftung (passend zur Winterreifenpflicht). Das bedeutet für sie, daß sie nur zusammen mit und in der Kirche tätig wird, ein Agieren als Christ gegen die Lehre der Kirche kam für sie nie in Frage.

Die Sympathie, die sie für viele Marxisten im Laufe der Jahre entwickelte, speiste sich aus dem Respekt gegenüber der Wahrhaftigkeit der Überzeugung des anderen heraus - obwohl sie diese Überzeugung für zutiefst falsch hielt. Das beispielhafte Leben als Christ war ihre Antwort, bewußt nur aus Taufe und Firmung heraus und ohne andere Weihen oder Ämter.

Das ist eine große Aufgabe für heute. Nur falls ein Laie mal wieder meint, die Kirche könne ihn nicht gebrauchen …





Ein Kommentar zu “ Anwendbar”

  1. Auftrag | katholon meint:


    Die Webseite von Auftrag | katholon

    […] Publiziert am 14. Dezember 2010 von Cicero ShareRalfs Beitrag über Madeleine Delbrêls Buch, Auftrag des Christen in einer Welt ohne Gott kann ich,ebenso wie das Buch selber, nur wärmstens empfehlen. […]


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