Wenn Euch mal diese Menschen begegnen, die den Wert eines Menschenlebens am Bewußtseinszustand festmachen wollen, dann stellt doch einfach mal ein paar ganz naheliegende Fragen.
Kurz zur Einführung: es gibt Menschen, die meinen, daß der Wert eines Lebens daran festzumachen ist, wie sehr sich dieses Geschöpf seiner selbst bewußt ist (das setzt natürlich voraus, daß wir dieses Selbstbewußtsein des Wesens auch messen können, und daraus folgt, daß diese Meßbarkeit der eigentlich entscheidende Faktor wird, aber da ist eine andere Frage).
Das heißt konkret, daß manche mit medialer Kraft die Meinung verbreiten, ein bspw. 5jähriger Schimpanse, der es im Spiegel erkennt, wenn bei ihm auf dem Kopf eine Mütze ist und sich auf den Kopf greift, ist “mehr” wert , hat also mehr Lebensrecht, als ein 2 Monate altes Kind, das genau das noch nicht weiß.
Dabei ist es für diese Meinungsmacher auch irrelevant, welches Selbst-Bewußtsein ein Wesen mal haben wird oder hatte - es gilt nur der Augenblick. (Das hat natürlich Folgen für die Einschätzung von Kleinkindern und Demenzkranken, klar …)
Das ist ja auch eine ethische Möglichkeit, das muß man logischerweise zugestehen. Genauso muß man dann aber zugestehen, daß dieser Standpunkt noch nicht wirklich zuende gedacht ist (wie ich früher selbst dachte):
Denn welchen Wert hat dann der Mensch, der schlicht und ergreifend tief schläft (also Schlafphasen 2-4)? Das Selbst-Bewußtsein ist in diesen Momenten definitiv nicht da, das kann man in jedem Lehrbuch über den Schlaf nachlesen.
Und wenn dann die Antwort kommt: nein, das ist mit “nur der Augenblick zählt” nicht gemeint, dann darf man natürlich fragen, mit welcher Logik denn jetzt plötzlich “Augenblicks-Zeiträume” so gewählt werden, wie es einem in die krude Theorie paßt.
Eigentlich müßte es ja dieser Ethik zufolge erlaubt sein, jemandem eine Vollnarkose zu verpassen und ihn dann umzubringen - in dem Moment war er ja mangels Selbstbewußtsein deutlich weniger bis nichts wert.
Nur so ist diese Ethik zuende gedacht. Und jetzt kann jeder selbst entscheiden, für wie vernunftgeleitet er sie hält.
Phil meint:
28. February 2012Die Webseite von Phil
Vielen Dank.
Josef Bordat meint:
28. February 2012Die Webseite von Josef Bordat
Ja, wirklich: Vielen Dank! Das ist in der Tat der Schwachpunkt der präferenzutilitaristischen Ethik in Bezug auf das Lebensrecht des Menschen: die Vernachlässigung der Potentialität.
Wobei: Man könnte entgegnen, dass die Herbeiführung einer aktualen “Interessenlosigkeit” (Vollnarkose-Beispiel) ausgeklammert werden kann, weil hier ja die Situation, in der ein Mensch nicht (mehr) das Interesse hat, schmerzfrei zu sein, künstlich erzeugt wurde. Das gilt ja für den Embryo in der vierten Woche nicht. Da ist es eine natürliche “Interessenlosigkeit”.
Also, so ganz ohne anthropologische Annahmen, die in einer Weltanschauung wurzeln, geht es nicht. Man müsste dazu zeigen, dass man vernünftigerweise das “Interesse” in seiner ethischen Relevanz vernachlässigen kann. Das geht nur, wenn ich dem Menschen eine Bedeutung beimesse, die sein Interesse daran, Leid und Schmerz zu vermeiden, übersteigt. Neben der Potentialität muss auch noch ein Transzendenzbezug ins Menschenbild, wie wir als Christen es in der Gott-Mensch-Beziehung (als Beziehung des Schöpfers zu seinem ebenbildlichen Geschöpf) erkennen.
LG, JoBo
Ralf meint:
28. February 2012Die Webseite von Ralf
Josef, diese Abgrenzung natürlich versus künstlich ist aber in sich ebenfalls nicht schlüssig. Darf man demnächst auch eine Blinddarm-Entzündung unoperiert rupturieren lassen, weil sie ja auf natürlichem Weg entstanden ist?
Prinzipiell halte ich nicht die Vernachlässigung der Pontentialität für die Schwachstelle (weil diese Potentialität bei Demenzkranken eben nicht mehr gegeben ist), sondern die prinzipielle Fixierung auf den Augenblick. Ich würde auch gar nicht mit Leid und/oder Schmerz argumentieren, das sind letztlich trotz aller Verbreitung subjektive Interpretationen eines äußeren Einflusses.
Pax et bonum » Falsche Frage meint:
25. April 2012Die Webseite von Pax et bonum » Falsche Frage
[…] Die logischen Schwachstellen hatte ich schon mal vor kurzem aufgezeigt: […]