Archiv für March, 2014



Es fängt bei der Sprache an

Veröffentlicht am Friday, 28. March 2014, 23:09

Im Rahmen der Beschäftigung mit der Gewaltlosigkeit wurde mir rasch klar, daß eines der Elemente, die viele Vertreter der politischen Gewaltlosigkeit so unsympathisch macht (zumindest habe ich das Gefühl daß sie es sind), ihre alles andere als gewaltlose Sprache ist.

(Ich weiß, ich habe das schon mehrfach angesprochen über die Jahre hinweg)

Gewaltlosigkeit zu fordern ist so sinnhaftig wie Spontaneität zu fordern. Forderungen jeglicher Art beinhalten schon eine der Ausdrucksform inhärente Gewalt.

Gewaltlosigkeit kann man nur anbieten.

Dabei stieß ich schon vor Jahren auf GfK oder NVC, Gewaltfreie Kommunikation oder Non-Violent Communication, wobei dieses Adjektiv “gewaltfrei” genau wie bei “Gewaltfreiheit” generell ja eine blöde Beschreibung ist. Man beschreibt eine Katze ja auch nicht als Nicht-Vogel oder Nicht-Elefant. Doch leider hat es sich durchgesetzt, die Gewaltfreiheit eben negativ zu betiteln, also als das, was sie nicht ist anstelle als das, was sie ist. Deswegen wird sie auch leider häufig als Passivität mißverstanden (Gewalt ist ja ein sehr aktiver Prozess). Derzeit üben iubita mea und ich ein wenig die Grundlagen der GfK.

GfK stammt von Marshall B. Rosenberg, und behauptet, daß es eigentlich nur zwei wirkliche Äußerungen des Menschen in einer Beziehungsrede gibt: Danke! und das bittende Bitte!. Alles andere seien Abwandlungen dieser Äußerung, auch eine schlimme Beleidigung sei eigentlich “a tragic suicidal expression of ‘please!’”. Konflikte in Beziehungen - zwischenmenschlich wie zwischensstaatlich - treten auf, wenn Bedürfnisse nicht erfüllt werden. Diese eigenen(!) Bedürfnisse müsse man sich klar machen, von Urteilen, positiven wie negativen, des Gegenübers komplett absehen - und diese Bedürfnisse formulieren. Rosenberg geht davon aus, daß erst dann die Chancen steigen, seine Bedürfnisse, die ihre Berechtigung hätten, überhaupt erfüllt zu bekommen.

D.h. es gilt der Satz des mittelalterlichen Sufi-Mystikers Rumi:

Jenseits von Richtig und Falsch gibt es ein Feld - dort treffen wir uns.

Dabei ist das größte Hindernis meiner Überzeugung nach - das eigene Selbst. Mit sich selbst gewaltfrei zu kommunizieren, sich selbst nicht zu verurteilen, ist der erste und wichtigste Schritt.

Natürlich gibt es bei GfK Spannungen zu einer sehr objektivierbaren Form des christlichen Offenbarungsverständnisses (Rosenberg ist auch kein Christ, eher agnostischer Jude), doch empfinde ich sie als sehr franziskanisch. Franziskus empfand sich ja selbst als so sündenhaft und erlösungsbedürftig, daß er über niemanden den Stab brach. Auch nicht über die, die bei diversen Tatbeständen Volltreffer im kirchlichen Sündenregister gelandet hatten.

Ich kann es nur empfehlen, sich mit der GfK auseinanderzusetzen. Wer (gerne auch in Etappen) drei Stunden Zeit hat, lernt hier die Essentials:


Mal wieder den Kaffee auf

Veröffentlicht am Sunday, 23. March 2014, 14:10

Ich weiß ja nicht, ob meine werten Leser und Innen sich sonst noch wo in kirchlich geprägten Internetgefilden rumtreiben.

Ich für mich merke mal wieder, daß es mich nervt - und daß viele Stunden, die ich bloglesend, kommentierend und insbesondere forumschreibend zugebracht habe, deutlich wertvoller hätten genutzt werden können.

Die Papst- wie Bischofsfixierung von vielerlei Seiten regt mich auf. Als ob es darauf ankäme. Nur dummerweise gleite ich selbst viel zu schnell und zu sehr in den ekklesiogenen Promi-Klatsch ab.

Sozusagen meine Konsequenz für die Fastenzeit war: keine Blogs mehr lesen, die sich hauptsächlich mit Kirchenpolitik beschäftigen und den Glauben selbst kaum thematisieren. Foren meiden, die sich an Schuhfarben des Papstes hochziehen, die Papst Franziskus für unkatholisch halten oder die ihn andererseits für einen positiv besetzten Revolutionär der Kirche halten.

Letztlich bleibt da nicht mehr viel übrig.

Weitere Konsequenz: weniger im Netz hängen - und wenn, dann sinnvoller.

Mir tut es gut, ich bemerke die Wirkungen jetzt schon.


Nein, dürfen Sie hier nicht!

Veröffentlicht am Thursday, 06. March 2014, 21:38

Darf ich in einer Rede nicht sagen, was ich denke?

So (naiv?) fragt heute Sibylle Lewitscharoff in einem Interview mit faz.net, bezugnehmend auf die äußerst harschen Reaktionen auf ihre Rede in Dresden (hier komplett als .pdf-Datei nachzulesen).

Erst einmal erntet sie eine Menge Widerspruch. Damit muß sie rechnen, Rede und Gegenrede gehören zusammen.

Doch das mehrheitliche Niveau des Widerspruchs zeigt mal wieder zweierlei:

a) wir leben gesellschaftlich nicht mehr in einer aufgeklärten Demokratie mit Grundrechten, sondern in einer aufgeschreckten Empörokratie mit Maulkörben (siehe auch die Verhinderung der Buchpräsentation von Sarrazin).

b) Wichtig ist nicht, was gesagt wurde, sondern bloß daß ein paar Stichworte gefallen sind - denn die Mühe, eine auch nur ein paar Seiten eines Redemanuskriptes zu lesen, macht sich in den Zeiten, wo das Dschungelcamp schon feuilletontauglich geworden ist, nun wirklich kaum noch jemand. Darf man das überhaupt noch voraussetzen oder erwarten? Kontext - was für’n Text? Aussageabsicht - häh?

Es geht nicht darum, daß Fr. Lewitscharoff jetztAnspruch darauf hätte, daß jetzt alle brav “Amen!” sagen und murmeln “stimmt, die Frau hat so Recht, die Gesellschaft ist wirklich aus dem Ruder gelaufen”- bei einer Rede mit dem Thema Tierschutz oder so wäre das vielleicht möglich gewesen.

Doch nicht dabei!

Hallo!

Es geht um SELBST-Verwirklichung!

Die Heilige Kuh des Hedonismus!

Es geht um das infantile (Eltern kennen es von Kindern so ab 3 Jahren) “Ich will aber!” des postmodernen Ego-Utilitaristen.

So etwas rührt man doch nicht an, wenn man medial überleben will!!!

Gut, wer die ganze Rede liest, muß schon beim IQ unter einer Bananenschale geblieben sein, wenn er der Frau noch Hetzerei und Menschenverachtung vorwirft, aber leider gibt es nicht weniger solcher Landsleute, die in Print-und Online-Medien veröffentlichen.

Und die Büchner-Priesträgerin hätte genau dasselbe sagen können mit anderen Worten, ohne daß so ein Shitstorm losgetreten worden wäre. Aber wer eine Diplomatenrede hören wil, soll Diplomaten einladen.

Also, was lernen wir mal wieder aus dieser neuen medialen Empörung, die durchs Dorf getrieben wird?

Die Gesellschaft ist nicht toleranter geworden als vor 100 Jahren - sie nutzt zwar nicht mehr den Arm des Gesetzes, sondern den Arm der vierten Macht im Staat; nicht mehr Körperverletzung, sondern Ehrabschneidung und Rufmord; nicht mehr Berufsverbot von oben, sondern - warten wir’s mal ab in diesem Fall - faktisches Berufsverbot von unten, von seinesgleichen.