Archiv für March, 2015



Toujours Charlie?

Veröffentlicht am Tuesday, 17. March 2015, 16:09

Ich kenne einige Menschen (und von denen mag ich wiederum einige sehr), die sich nach den Attentaten von Paris nicht in das Heer derer einreihen wollten, die sich “Je suis Charlie” zu eigen machten (so wie ich bspw.).

Und ich kann ihre Gründe gut verstehen.

Für mich war und ist der Grund für diese Aussage, daß der Angriff auf die Redaktion der Zeitschrift “Charlie Hebdo” nicht nur ein Angriff auf ein Satiremagazin war, sondern ein Angriff auf das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung. Und diese Freiheit gestehe ich auch denen zu, die sie nur destruktiv einsetzen.

Im Nachgang zu den Attentaten habe ich allerdings auch einige Artikel von atheistischen und/oder antireligiösen Kulturschaffenden gelesen, die diese Freiheit ebenso verteidigen wie sie das Recht von Glaubensgemeinschaften abstreiten, je eigene Kriterien für ihre Wertvorstellungen zugrunde zu legen (also bspw. religiöse) und diese gar öffentlich zu äußern. Aber auch diesen Irrtum dürfen sie frei äußern …

Dennoch stellt sich die Frage: welchen Sinn macht religiöse Satire, zumal Satire ja nach Tucholsky “alles darf”?

Wer als Atheist einen Glauben verspottet, kann den Glaubensgegenstand nicht verspotten wollen, weil es diesen für ihn ja nicht wirklich gibt - also verspottet er die Überzeugungen derjenigen, die so einem Glauben anhängen. Verspottet er damit auch die Gläubigen selbst? Dürfte sich bspw. Paolo Flores D’Arcais persönlich beleidigt fühlen, wenn ich seine Eltern, seinen Namen, den Tonfall seiner Aussprache, seine Kinder oder was auch immer verspotte?

Ich denke ja, dazu hätte er jedes Recht. Unsere Identität, unser Ich-Sein wird nicht allein von unserer Masse definiert und begrenzt.

Daher ist weiterhin die Frage erlaubt: welchen Sinn macht es, Gläubige zu verspotten und zu beleidigen? Welches Ziel soll damit erreicht werden?

Gibt es bedeutende Beispiele in der Geschichte, bei denen Beleidigungen das richtige Mittel waren, um zu einem selbst gesetzten Ziel zu kommen?

Dienen diese Beleidigungen also etwas Gutem? Bauen sie auf? Schaffen Sie Frieden? Fördern Sie Respekt? Oder wenn dieses nicht zutrifft, was Gutes können sie realistischerweise leisten?

Falls sie aber gar nichts leisten wollen, falls die Beleidigungen nur um ihrer selbst willen geäußert werden (was erlaubt sein sollte meines Erachtens nach, wie erwähnt) - dann darf man sie auch dementsprechend beurteilen - und trotzdem Charlie sein.


Über uns Deutsche (und anderes)

Veröffentlicht am Friday, 13. March 2015, 22:54

Daß wir Germanen als sehr kreativ gelten, ist ja kein Allgemeinplatz, aber jetzt ist es päpstlich bestätigt :-). Im aktuellen Interview mit dem mexikanischen Fernsehsender TELEVISA sagt er:

Para algunos teólogos el Papado es un Sacramento, es un Sacramento, los alemanes son muy creativos en todas estas cosas. Yo no creo eso pero vamos.

Meine Übersetzung: Für einige Theologen ist das Papsttum ein Sakrament, ist’s ein Sakrament, die Deutschen sind sehr kreativ in all diesen Dingen. Ich glaube das nicht aber naja.

Und über den Vorgänger sagt er (was manch einen Kritiker versöhnen könnte):

Yo lo voy a visitar. A veces le hablo por teléfono. Como dije, es como tener al abuelo sabio, en casa. Uno puede pedir consejo. Leal a muerte. La cosa de Benedicto, no sé si ustedes la recuerdan, cuando lo despedimos, el 28 de febrero, en la Sala Clementina, él dijo: “Entre ustedes está mi Sucesor, le prometo lealtad, fidelidad y obediencia”. Y lo cumple. Hombre de Dios.

Wieder meine Übersetzung: Ich gehe ihn besuchen. Manchmal telefonieren wir. Wie ich sagte, es ist als hätte man den weisen Großvater zu Hause. Man kann um Rat fragen. Loyal bis zum Tod. Mit Benedikt war das so, ich weiß nicht ob Sie sich daran erinnern, als wir ihn verabschiedeten, am 28. Februar, in der Sala Clementina, da sagte er: “Unter Ihnen ist mein Nachfolger, ich gelobe ihm Loyalität, Treue und Gehorsam”. Und er erfüllt es. Mann Gottes.

Ach ja, natürlich sagt er auch was über das Dauerstreitthema Familiensynode und Co., aber da werden sich noch genug Leute drüber auslassen, deswegen erspare ich mir das. Nur das eine: er sagt selber, daß die Erwartungen an die Synode vollkommen überzogen seien und das die Prinzipien der Kirche nun einmal so sind wie sie sind. Man könnte also behaupten, der Papst ist katholisch.


Mal wieder

Veröffentlicht am Friday, 13. March 2015, 17:06

Jetzt ist es wieder so weit: es wird über das Kopftuch gestritten, insbesondere über das Recht auf deren Verwendung an staatlichen Schulen.

In den ersten Kommentaren fällt vieles auf, vor allem eines: das Grundgesetz (GG), unsere Verfassung, wird von vielen nicht wirklich verstanden. So sieht es bspw. keine strikte Trennung zwischen Staat und Kirche vor, es gibt keine Laizität wie bspw. in Frankreich oder auf andere Art und Weise wie in den USA. “Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach” heißt es in Art. 7 Abs. 3 des GG, und in den meisten Bundesländern gibt es diese bekenntnisfreien Schulen nicht (in manchen, wie Brandenburg, gibt es eine andere Regelung, in Bremen gab es sie seit 1949 durchgehend schon ohne größere Aufregung). Damit ist Religion übrigens das einzige Schulfach, das explizit im GG genannt wird.
Dann garantiert das GG das Recht auf freie Ausübung der Religion - Religionsfreiheit ist hier vor allem aktiv gemeint.

Ich zitiere das BVerfG-Urteil von 2003, das erste “Kopftuchurteil”, das zwar zu einem anderen Ergebnis kam als das jetzige (in teilen), aber auch betonte:

Die dem Staat gebotene religiös-weltanschauliche Neutralität ist nicht im Sinne einer strikten Trennung von Staat und Kirche, sondern als eine offene und übergreifende, die Glaubensfreiheit für alle Bekenntnisse gleichermaßen fördernde Haltung zu verstehen.

Dies gilt insbesondere auch für den Bereich der Pflichtschule. Christliche Bezüge sind bei der Gestaltung der öffentlichen Schule nicht schlechthin verboten; die Schule muss aber auch für andere weltanschauliche und religiöse Inhalte und Werte offen sein. In dieser Offenheit bewahrt der freiheitliche Staat des Grundgesetzes seine religiöse und weltanschauliche Neutralität.
[…]
In einer Gesellschaft mit unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen gibt es allerdings kein Recht darauf, von Bekundungen, kultischen Handlungen und religiösen Symbolen eines fremden Glaubens verschont zu bleiben.

So, können die Massen bitte mal beide Abschnitte auswendig lernen und verinnerlichen?

“Neutralität” heißt nämlich, sich keine Meinung zu bilden, eben neutral zu bleiben. Verbannung religiöser Symbole ist keine Neutralität. Wer etwas nicht haben will, ist nicht neutral. Ist doch eigentlich nicht schwierig, oder?

Nun kann man natürlich sagen, das GG spiegelt nicht das Wertesystem der derzeitigen Mehrheits-Gesellschaft wider. Das mag sein (und ich denke, so ist es auch). Aber das Bundesverfassungsgericht hat keine Modeabteilung.


Überzeugend

Veröffentlicht am Thursday, 05. March 2015, 15:21

Daß die Doxologie, also die Anbetung, der eigentliche Ort der Theologie sei, habe ich ehrlich gesagt nicht unbedingt in einer Einführung in die katholische Dogmatik erwartet - und habe mich sehr darüber gefreut! Aber die lateinische Dogmatik hat nun einmal einen bedeutenden Anteil an Geschichte der eher spekulativen Dogmatik (was sie nicht falsch macht), so daß diese Aussage nicht zu erwarten war. Die ostkirchliche Tradition betont dagegen seit jeher den Sitz der dogmatischen Theologie im liturgischen Leben der Kirche (eine Einführung in die orthodoxe Theologie der Gegenwart will zuhause auch noch gelesen werden) …

Diese Einführung gefällt mir aus verschiedenen Gründen sehr: ganz anders bspw. als der positivistisch und neuscholastisch orientierte “Grundriß der Katholischen Dogmatik” von Ott, den ich auch mal besaß und dessen von mir abgetippten “de fide”-Sätze zu einer kleinen Netz-Lawine von Kopien führte (ohne Quellennennung, also Plagiate quasi) - also ganz anders als dieser beschreibt die Autorin sehr gut die hermeneutischen sprachlichen Probleme und die Zurückhaltung, wenn es um die Formulierungen absoluter Wahrheiten geht. Man kann ja auch nicht so tun, als hätte der Hl. Thomas von Aquin seine Vision gegen Lebensende nicht gehabt oder als hätte Wittgenstein nie was über die Sprache als solche geschrieben (beides im Buch aber nicht erwähnt)…

Die Autorin geht vom biblischen Bilderverbot als Selbstbeschränkung aus, wenn es um Theologie, also Rede von Gott geht. Ein sehr schöner Ansatz. Rede von Gott kann nur analog geschehen (man denke an das Vierte Lateranum 1215 und die kirchliche(!) Feststellung der Unmöglichkeit, Gott adäquat zu beschreiben), letztlich geht es um metaphorische Sprache. Dennoch, und darin liegt quasi der “Clou”, können diese Aussagen wahr sein. Doch die Wahrheit Gottes zeige sich letztlich nicht anhand von Formulierungen, sondern im Leben. So wie wir an eine Wahrheit glauben, die nicht sprachliche Aussage ist und Grammatik und Semantik unterliegt, sondern die Person ist, so bezeuge sich Wahrheit in der gelebten Existenz des einzelnen.

Auch die Spannung Dogmatik versus Exegese wird angesprochen, also die “Konkurrenz” der Dogmatik und Bibelwissenschaft um die Deutungshoheit. Die Autorin betont zurecht die Hl. Schrift als “norma normans non normata”, also als normensetzende und nicht normierte Quelle und hat auch prinzipiell keine Probleme mit den einzelnen Methoden der Exegese, sieht aber bei manchen Vertretern der historisch-kritischen Exegese (nicht der Methode selbst!) eine Verabsolutierung der eigenen Erkenntnis und eine “Hermeneutik des Verdachts” (tolle Formulierung!), die sozusagen die Kirche unter Generalverdacht stellt.

Zwei Drittel dieser Einführung sind dem allgemeinen Teil gewidmet, der spezielle geht eher sporadisch auf einige Brennpunkte der Dogmatik ein (bspw. Christologie). Aber genau das sollte eine Einführung tun. Daher kann ich sie als Grundlage für ein Verständnis dogmatischer Aussagen im 21. Jahrhundert nur empfehlen.


Neue Präsenz

Veröffentlicht am Tuesday, 03. March 2015, 11:13

Der Ordo Franciscanus Saecularis baut gerade eine neue Webpräsenz auf - und das sieht bislang sehr gut und aufgeräumt auf (auch wenn der Grund für die neue Präsenz ein - in meinen Augen vollkommen sinnleerer - Hackerangriff auf die alte Seite war). Es lohnt sich immer, da mal vorbeizuschauen.