Toujours Charlie?
Ich kenne einige Menschen (und von denen mag ich wiederum einige sehr), die sich nach den Attentaten von Paris nicht in das Heer derer einreihen wollten, die sich “Je suis Charlie” zu eigen machten (so wie ich bspw.).
Und ich kann ihre Gründe gut verstehen.
Für mich war und ist der Grund für diese Aussage, daß der Angriff auf die Redaktion der Zeitschrift “Charlie Hebdo” nicht nur ein Angriff auf ein Satiremagazin war, sondern ein Angriff auf das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung. Und diese Freiheit gestehe ich auch denen zu, die sie nur destruktiv einsetzen.
Im Nachgang zu den Attentaten habe ich allerdings auch einige Artikel von atheistischen und/oder antireligiösen Kulturschaffenden gelesen, die diese Freiheit ebenso verteidigen wie sie das Recht von Glaubensgemeinschaften abstreiten, je eigene Kriterien für ihre Wertvorstellungen zugrunde zu legen (also bspw. religiöse) und diese gar öffentlich zu äußern. Aber auch diesen Irrtum dürfen sie frei äußern …
Dennoch stellt sich die Frage: welchen Sinn macht religiöse Satire, zumal Satire ja nach Tucholsky “alles darf”?
Wer als Atheist einen Glauben verspottet, kann den Glaubensgegenstand nicht verspotten wollen, weil es diesen für ihn ja nicht wirklich gibt - also verspottet er die Überzeugungen derjenigen, die so einem Glauben anhängen. Verspottet er damit auch die Gläubigen selbst? Dürfte sich bspw. Paolo Flores D’Arcais persönlich beleidigt fühlen, wenn ich seine Eltern, seinen Namen, den Tonfall seiner Aussprache, seine Kinder oder was auch immer verspotte?
Ich denke ja, dazu hätte er jedes Recht. Unsere Identität, unser Ich-Sein wird nicht allein von unserer Masse definiert und begrenzt.
Daher ist weiterhin die Frage erlaubt: welchen Sinn macht es, Gläubige zu verspotten und zu beleidigen? Welches Ziel soll damit erreicht werden?
Gibt es bedeutende Beispiele in der Geschichte, bei denen Beleidigungen das richtige Mittel waren, um zu einem selbst gesetzten Ziel zu kommen?
Dienen diese Beleidigungen also etwas Gutem? Bauen sie auf? Schaffen Sie Frieden? Fördern Sie Respekt? Oder wenn dieses nicht zutrifft, was Gutes können sie realistischerweise leisten?
Falls sie aber gar nichts leisten wollen, falls die Beleidigungen nur um ihrer selbst willen geäußert werden (was erlaubt sein sollte meines Erachtens nach, wie erwähnt) - dann darf man sie auch dementsprechend beurteilen - und trotzdem Charlie sein.