Kein Feind

Es ist schon erstaunlich, daß die Bemühungen insbesondere der Kirche und aller anderen Lebensschützer in der Frage der Abtreibung in den vielen abendländischen Staaten und zunehmend auch weltweit so wenig Erfolg gehabt haben. Warum ist das so?

Natürlich sind die gesellschaftlichen Entwicklungen der Hauptgrund, der zunehmende Hedonismus und der philosphische Utilitarismus.

Doch kann es sein, daß es auch einen wichtigen Grund innerhalb der Lebensschützer”szene” gibt, warum sie bislang so erfolglos blieb?

Ich denke, das ist ganz sicher so.

Die ganze Frage nach dem Pro oder Contra der Abtreibung ist nämlich von beiden Seiten von einem starken Gefühl überlagert, so wird es nicht nur von mir wahrgenommen:

Hass.

Beide Seiten beschimpfen sich, beide Seiten halten nur sich für “die Guten”, beide sind vollkommen vom Richtigsein ihrer je eigenen Meinung überzeugt.

Ich glaube nicht, daß man so langfristig zu einer Änderung der bestehenden Verhältnisse kommen kann. Man kann natürlich auch wechselnde politische Mehrheitsmeinungen hoffen, auch wechselnde gesellschaftliche Strömungen setzen, aber das wäre doch viel zu wenig.

Es geht nicht um ein politisches Gewinnen, letztlich darf es auch nicht nur um die Kinder gehen, es sollte uns eben auch darum gehen, mit dem anderen und den anderen eine gemeinsame Basis der Versöhnung zu finden. Solange wir uns nicht absolut von den Gefühlen des Hasses, der Verachtung und der moralischen Überlegenheit trennen, ist es richtig, wenn wir nichts erreichen.

Einen wirklichen Wechsel wird es nur geben, wenn die Lebensschützer den Weg der vollkommenen Gewaltlosigkeit gehen. Das Fehlen körperlicher Gewalt ist dabei nur eines. Das ist das Mindeste, aber es reicht nicht aus. Auch der Verzicht auf jegliche verbale Gewalt ist ein Muß. Und dieser Anspruch muß allen gelten, nicht nur den jeweils Demonstrierenden, auch den katholischen Medien, den Bloggern (mir!), den Pressure-Groups und Lobbyisten für das Leben etc.

Gewaltlosigkeit ist aber eben mehr als bloß ein Hinnehmen von Gewalt und Verzicht auf gleiche Maßnahmen.
Sie appeliert nicht an die Politik, sie vergleicht nicht (wäre statt eines Kreuzes ein Koran verbrannt worden etc.), sie begibt sich nicht in einen Opferrolle.
Sie sieht im anderen einen Menschen, der auch Anspruch auf “seine Wahrheit” hat, ohne daß man sie teilen muß, ohne daß man sie für wahr halten muß.
Sie sieht im anderen einen Menschen, der ggf. wirklich gute Motive hat.
Kurz gesagt: sie sieht im anderen Menschen, der eine ganz andere Meinung hat, ein nach Gottes Ebenbild geschaffenes Wesen, welches dementsprechend behandelt werden muß.

Wenn wir dies nicht umsetzen, wird sich nichts ändern. Vielleicht werden wir scheitern. Aber wenn die Lebensschützer so weiter machen wie bisher, dann ändert sich zurecht nichts.





3 Kommentare zu “ Kein Feind”

  1. Benedikt meint:


    Die Webseite von Benedikt

    “Hass.

    Beide Seiten beschimpfen sich, beide Seiten halten nur sich für “die Guten”, beide sind vollkommen vom Richtigsein ihrer je eigenen Meinung überzeugt.”

    Werf bitte nicht alles in einen Topf.

  2. Stefan meint:


    Die Webseite von Stefan

    “Beide Seiten halten sich… für die Guten”, diese Beobachtung ist sicher richtig.

    Es geht nur ohne Verurteilung und ohne Verachtung. In einigen Artikeln habe ich versucht, genau dies aufzuzeigen, unter anderem: Neuer Mensch, neuer Holocaust?

    Vielleicht kommen wir ja doch einen Schritt weiter.

  3. Ralf meint:


    Die Webseite von Ralf

    @Benedikt: ich glaube nicht, daß ich alles in einen Topf werfe. Auf Seiten der Lebensschützer habe ich bereits schon an vielen Stellen, natürlich auch im Netz, schon sehr viel von der Wortwahl gelesen, die ich hier lieber nicht wiederholen möchte. Jeglicher Respekt fehlt da.

    @Stefan: auch wenn ich natürlich selbst von der katholischen Position überzeugt bin, sie als Arzt für geradezu zwingend halte, ist dennoch das Thema “Schuld und Vergebung” für “Anfänger” nicht leicht zu verdauen - und halte es deswegen auch nicht für geeignet im Dialog. Der erste Schritt im Kampf um das Recht auf Leben beginnt nämlich bei uns: diesen Kampf vor allem auch als Kampf mit unserer Wut zu sehen, mit unserer Schuld über unsere Emotionen, nicht mit der Schuld anderer.
    In einem Schreiben eines indischen Bischofs, der als Friedensvermittler tätig war, sagt er: pazifistisches Gerede ist direkt zu Anfang anmaßend und beleidigend. Genauso wird das Reden von Schuld und Vergebung anfangs empfunden. Für jemanden, der mit Gott nichts am Hut hat, ist das anmaßendes und beleidigendes Gerede.

    Wir müssen viel weiter vorher anfangen.


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