Sterbenlassenwollen auf halber Strecke

Neulich gab es einen Entscheid des Bundesgerichtshofes, der zumindest vom juristischen Standpunkt aus eine neue Wegmarkierung setzt.

Erstmals wurde es für legitim erachtet, lebenerhaltende Maßnahmen zu beenden. Sie nicht zu beginnen - um somit erst gar nicht in diese Bedrouille zu kommen - war schon lange Standard. Nicht jeder durchmetastasierte Todkranke wird reanimiert, nicht jede 103jährige durch Magensonden am Leben gehalten.

Jetzt kam es aber dazu, daß eine Ernährung im nachhinein als beendbar erklärt wurde. Dies aber auch nur, weil in diesem Fall der Wille der Patientin erkennbar war und dagegen gehandelt wurde. Dem, der dagegen handelte, kann man aber auch keinen Vorwurf machen, das sage ich aus Erfahrung. Patientenverfügungen sind nicht immer eindeutig, das Leben an sich ist ein immer hoher Wert, sich für das Leben zu entscheiden darf nicht strafbar sein. Doch muß es strafbar sein, sich dagegen zu entscheiden?

Bei diesen und ähnlichen Fällen, die es immer wieder gibt, habe ich aber eine Sache noch nie verstanden: wenn Angehörige wollen, daß ihr Familienmitglied nicht mehr am Leben gehalten wird, die Pflegeinrichtung oder das Krankenhaus aber aus ethischen Gründen, die vollkommen zu respektieren sind, diesem Wunsch aber nicht nachkommen - warum nehmen sie dann ihren geliebten Menschen nicht mit nach Hause und lassen ihn da sterben?

Wenn man schon solche einen Wunsch hat, was ich wirklich verstehen kann, dann sollte man ihn schlechterdings nicht delegieren.





4 Kommentare zu “ Sterbenlassenwollen auf halber Strecke”

  1. Thomas Matterne meint:


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    Ich sehe das in der Praxis nicht wirklich umsetzbar. Sollen in den genannten Fällen die Betroffenen samt Apparate zu ihren Familien nach Hause gebracht werden, ohne die Maschinen würden sie ja nicht überleben, nur um dort dann noch einen gemeinsamen Abend zu verbringen, bevor die Maschine abgestellt wird. Das mag ein schöner Gedanke sein, aber in der Praxis wird das niemand machen.

  2. Ralf meint:


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    Mann kann die Menschen problemlos mit “den Maschinen” bis zur Haustür bringen, dann können die Angehörigen dort alles abstöpseln. Ginge selbst bei Beatmung, wenn es auch sehr selten wäre.
    Daß das geht, kann ich als Arzt versichern.

    Entweder wollen die Angehörigen den Sterbeprozeß verkürzen oder nicht.

  3. Arminius meint:


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    In meinen Augen geht die Diskussion über das Abschalten lebenserhaltender Maßnahmen in eine gefährliche Richtung, an deren Ende die Giftspritze für Demenzkranke oder dauernd Pflegebedürftige steht.

  4. Ralf meint:


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    Das könnte in der Tat so sein, wenn diese schriftlich fixiert hätten, daß sie im Falle eines solchen Geisteszustandes getötet werden wollen - denn schließlich begründet der BGH ja sein Urteil mit der Wertigkeit einer Patientenverfügung.
    Dennoch handelt es sich hier nicht um den Akt des Tötens, sondern um den des Sterbenlassens. Die passive Sterbehilfe verhindert den Tod nicht, die aktive Sterbehilfe will den Tod.
    Das ist qualitativ was ganz anderes.


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