Veröffentlicht am Wednesday, 02. April 2008, 21:14
Nach längerer Zeit mal wieder was zum Thema Medizin…
Drei Jahre arbeitete ich im Krankenhaus, dann wollte ich raus und bin es auch - die unpersönliche Mühle in einem sehr starren System voller Intransparenz (monatelang wollte ich wissen, und keiner konnte es mir sagen(!), welche Kosten ich überhaupt mit meinen diagnostischen Maßnahmen verursache) war mir einfach zu viel.
Jetzt, nach sechs Monaten als Angestellter Arzt in Weiterbildung in einer allgemeinmedizinischen Hausarztpraxis einer Großstadt, stellt sich auch hier die Zukunft alles andere als rosig dar. Das System ist so kompliziert, daß da auch viele Ärzte nicht mehr durchblicken, so abstrus, daß alle, denen ich nur weniges bislang erklärt habe, die Köpfe schütteln und sich berechtigterweise fragen, wo die Beiträge denn landen.
Und erst kürzlich wurde höchstrichterlich festgestellt, daß Krankenkassenvorstände ihre Bezüge veröffentlichen müssen - also die Menschen wollten und mußten bislang nicht, die sich doch immer für bestmögliche Kosteneffizienz eingesetzt hatten …
Heuchler halt.
Insbesondere das ambulante Versorgungssystem ist immanent krank - der regionale Ärztemangel ist nur ein noch kleines, aber bald massives Symptom dafür. Es gibt Journalisten in Großstädten (wie bspw. dieser hier, der wohl als Redakteur in der Bundeshauptstadt sitzt und eben nicht 200km entfernt in der brandenburgischen Provinz, die doch bestimmt auch ein Regionalblatt haben), die sich darüber aufregen, daß wir Ärzte so ungern in Nester ohne breites kulturelles Angebot und ohne Internationalität gehen und daß wir Ärzte - dafür studieren wir doch das BesserMenschSein-Examen, oder? - eben auch bevorzugt da arbeiten, wo wir die materiellen Wünsche unserer Familien und von uns selbst am problemärmsten erfüllen können.
Ja, ich weiß, all dies ist verwerflich. Eigentlich muß der Arzt per definitionem ein besserer Mensch sein, eben der säkulare Priester der Jetztzeit. Er darf eben nicht so sehr auf den Euro schauen, muß auch Leistungen anbieten, die die Krankenkasse nicht (mehr) bezahlt. Daß er sie selbst dann bezahlt und auch nicht geschenkt bekommt, ist ja egal. Er ist ja Arzt. Er hat’s ja… (schön wär’s).
Nur ein paar Beispiele des Wahnsinnes Gesundheitssystem in Deutschland…:
1. jeder Hausarzt der hiesigen Region (Nordrhein, die Westhälfte von NRW) darf pro Jahr mit gesetzlich Krankenversicherten nur einen maximalen Umsatz von rund 2,4 Mio. Punkten machen (Vorsorgeuntersuchungen ausgenommen, es geht hier um die die wirklich krank zum Arzt gehen). Wieviel er dabei im Januar verdient hat, erfährt er im Juli, sprich alle Abrechnungen erfolgen erst ein halbes Jahr später. Da man von Punkten keine Miete bezahlen kann, wird rückwirkend(!) festgelegt, was ein Punkt damals denn so wert war (nicht ist). Kalkulation ist somit nicht möglich. Da die Gesamtsumme in Euro aller Punkte aller Ärzte aller Fachrichtugen in Nordrhein schon vorher feststeht (politisch entschieden), ist es also eine bloße Frage der Verteilung.
Zuletzt lag der Punktwert bei unter vier Cent (also ein Punkt wurde mit unter 4 Cent honoriert), aber ich rechne einfach mal mit 4 Cent. Das mal 2,4 Mio. Punkten ergibt 96.000 Euro Umsatz - mehr darf der Kassenarzt mit den gesetzlich Versicherten, die nicht zur Vorsorge oder Impfung in die Praxis kommen, nicht umsetzen, egal, ob 60 oder 2000 Patienten kommen, es gibt kein Maximalumsatz pro Patient, sondern pro Arzt! Davon gehen dann ab: Mieten, Personalkosten, Sachkosten etc. Da sind 60% Kosten nicht zu hoch gegriffen (zumindest in einer Großstadt wie Düsseldorf). Übrig blieben dann 38.400 Euro. Das ist dann der Bruttoverdienst.
Und wer kann jetzt nicht verstehen, daß Privatversicherte besser behandelt werden?
Weitere Beispiele folgen …