Archiv für October, 2003



Wessen Welten?

Veröffentlicht am Tuesday, 28. October 2003, 21:57

Angeblich sei ja alles immer vollkommen sauber gewesen sein. Nachfragen kann man nicht mehr. Aber was vorher nur an Gerüchten brodelte, nimmt nun Form an. Gunther von Hagens ist der Begründer und Hauptverdiener bei den Ausstellungen der “Körperwelten“, offiziell als Kunstausstellung deklariert. Ich war nie da, halte das für Voyeurismus.
Nun gibt es erste Ermittlungen gegen Herrn von Hagens, dass dessen “Exponate” wohl doch nicht so richtig davon wussten, was ihnen geschehen würde, von den Familien ganz zu schweigen.

Für die ferne Zukunft muss sich von Hagens aber keine “Materialsorgen” machen: mittlerweile haben sich genug Westler bei ihm gemeldet, die ihren Körper gerne plastiniert in Ausstellungen wissen würden.


Standfest

Veröffentlicht am Monday, 27. October 2003, 20:15

Anfang September wurde die Initiative Ordensleute für den Frieden noch öffentlich gelobt, sie erhielt den diesjährigen Aachener Friedenspreis.
Tja, schon ein paar Wochen später wurden zwei Mitglieder und eine Sozialarbeiterin vor einem Gericht verurteilt. Wie man in diesem Artikel der Tagespost lesen kann, werden sie zu einer Geldstrafe wegen Sachbeschädigung verurteilt, obwohl der Strafrichter die Motive für “ehrenwert” erachtet. Er müsse aber nunmal dem Gesetz folgen.

Glücklicherweise hat sich schon einer der Verurteilten geweigert, P. Gregor Böckermann von den Weißen Vätern, die Summe zu zahlen und ginge dafür auch in den Bau.

Gut so.

Ach ja, die Franziskaner waren natürlich auch dabei, in personam von P. Markus Heinze ofm, der eine etwas unkonventionelle aber sehr franziskanische Art des Klosterlebens realisiert.


Sprengstoff

Veröffentlicht am Tuesday, 21. October 2003, 21:36

Am 27. Juli ‘03 hatte ich schon einen Eintrag dazu geschrieben, zur Katholischen Soziallehre. Jetzt dachte ich mir, in loser Reihenfolge werde ich mal einige Auszüge aus diesem Kompendium präsentieren, die vielleicht nicht so ganz ins globalisierte kapitalistische Weltbild passen und gerade deshalb die Kirche als Hoffnungsschimmer für manche Arme der Welt erscheinen lässt:

202. […] Das Konzil hat dies in Erinnerung gerufen: “Gott hat die Erde mit allem, was sie enthält, zum Nutzen für alle Menschen und Völker bestimmt; darum müssen diese geschaffenen Güter in einem billigen Verhältnis allen zustatten kommen; dabei hat die Gerechtigkeit die Führung, Hand in Hand mit ihr geht die Liebe” (GS, Nr. 69). Alle anderen Rechte, ganz gleich welche, auch das des Eigentums und des freien Tausches, sind diesem Grundgesetz untergeordnet. Sie dürfen seine Verwirklichung nicht erschweren, sondern müssen sie im Gegenteil erleichtern. Es ist eine ernste und dringende soziale Aufgabe, alle diese Rechte zu ihrem ursprünglichen Sinn zurückzuführen.
(Populorum Progressio, Nr. 22)


Cuba

Veröffentlicht am Tuesday, 21. October 2003, 21:14

Ein Land, das einen zutiefst zwiespältigen Eindruck bei mir hinterlässt.

Das beste Gesundheitssystem der gesamten Region, hervorragende medizinische Ausbildung, die Ärzte sind in aller Welt tätig (als cubanische Art, sich den Zuspruch armer Länder zu vergewissern).
Eine Alphabetisierungsrate von nahezu 100%, verglichen mit den Nachbarländern der Karibik ungeheuer gut, besser sogar als in den USA…

Aber auch ein Land, in dem die fundamentalen Rechte des Einzelnen mit gröbsten Fußstritten verletzt werden - die Äußerung der eigenen freien Meinung kann zu sehr langer Haft führen, öffentliche Religionsausübung wird durch den Jesuitenschüler Fidel Castro nur sehr restriktiv ermöglicht, politische Betätigung in Opposition kann lebensgefährlich sein.

Nein, die Oppositionellen in Florida sind alles andere als die Alternative. Ich denke, das “System Castro” wird nach dessen Tod zusammenbrechen, sein Bruder, als Nachfolger ausgewählt, hat null Charisma und ist ein Hardcore-Sozialist.

Mal sehen was kommt. Wie schön wäre es, die Basisversorgung aller Menschen eines Landes ohne auf den Geldbeutel zu achten mit der Zusicherung der Rechte für alle zu vereinen. Aber ich kenne kein Land, wo das gelingt oder gelungen wäre…


Gemeinsam richtiger?

Veröffentlicht am Saturday, 18. October 2003, 14:10

In der gleichen Ausgabe von “Psychologie heute” (siehe unten) findet sich das Resummée einer interessanten Studie von Prof. Dr. phil. habil. Stefan Schulz-Hardt, Inhaber des Lehrstuhles für Sozial- und Finanzpsychologie der TU Dresden.

Demnach gibt es verschiedene Prozesse in Gruppenentschediungen, die die Entscheidungskraft erheblich schwächen und/oder auch in die falsche Richtung führen können. Gruppenentscheidungen sind keinesfalls per se oder auch nur tendenziell besser als Einzelentscheidungen.

Folgendes ist aufgefallen:

- Gruppen neigen zu vorschnellem Konsens (selbsterklärend)
- Gruppen neigen zu asymmetrischer Diskussion (die Teilnehmer bringen eher Argumente vor, die die eigene Position unterstützen und insgesamt zählen eher die Informationen, die alle bereits kennen, Neues wird eher ausgeklammert)
- Gruppen neigen zu asymmetrischer Informationsbewertung (die Gruppe neigt den Informationen zu, hält sie für wichtiger, die der Mehrheit eher zusagen, selbst wenn die Entscheidung dann falsch ist).

Nur mal so.


Ich. Und Du.

Veröffentlicht am Thursday, 09. October 2003, 21:06

Als ich das damalige Schuljahr 1992-93 an der CBC High School in St. Louis, Missouri, in den USA verbrachte, forderte uns eines Tages unser Lehrer im Fach “Living The Message” (so hieß einer der kath. Religionskurse), doch mal zehn Sätze aufzuschreiben, die mit “I am a” beginnen und jenseits von körperlichen Merkmalen unsere Identität beschreiben, also die persönliche Darstellung des je eigenen Selbst.

Wie viele andere gelang es mir damals nicht, zehn Sätze zu finden. Wer bin ich?

Laut dem Editorial der aktuellen Ausgabe des Magazins Psychologie heute scheint es ein “Identitätsmerkmal” der Postmoderne zu sein, dass es sichere Identitäten des einzelnen Menschen kaum noch gibt.
Entgegen früherer Zeiten kann sich der einzelnen nicht mehr so leicht gewissen Weltanschauungen, Herkünften, Kulturen etc, eindeutig zu ordnen, da es, und das ist meine Beobachtung, auch als quasi “unanständig” gilt, sich “zu identifizieren” und somit abzugrenzen gegenüber anderem. Abgrenzung wird von denen, die eine eigene klare Identität nicht finden können oder wollen, als Abwertung tituliert bzw. bewertet.

Somit wird die Identitätsfindung noch erschwert.

Die Krise der klarten Identität ist meines Erachtens die tiefere Grundlage einer Vielzahl von Problemen. So weiß der Nationalist eben sehr gut, wer er (allerdings nur in diesem Bereich) ist, gibt dem ganzen aber im Gegensatz zum Patrioten eine hierarchische Wertung. Der weltanschauliche Extremist weiß auch bei Religion und Co. um sich selbst, ebenso mit einer Wertung gegenüber anderen, meint aber oftmals, besonders kritisch bei Religionen, diese gleichsam zu “besitzen”.

All dies gibt es, doch kann man durchaus seine eigene Identität kennen, ohne andere zu (be-)werten. Dies allerdings erscheint dem postmodernen Identitätspluralisten als sehr unwahrscheinlich und geradezu verdächtig. So wird ein “Ich bin ein” zu einem “Ich bin als … besser als…” interpretiert. Man misstraut Menschen, die sich kennen. Besonders in nichtwestlichen Kulturkreisen, wo diese Identitätskrise noch nicht so gilt, meint der Postmodernist an jeder Ecke Extremisten zu sehen.

Gerade aufgrund der Krise der Identität, denn trotzdem weiß die Mehrheit gerne, wer sie ist, wird meines Erachtens auch im Westen die Religiösität eine Renaissance erleben - in der Hoffnung, dass man sich der Unbesitzbarkeit bewusst wird und bleibt.

Übrigens: mittlerweile kann ich zehn Sätze mit “Ich bin ein” mit Inhalt füllen.


Deutschstämmige Muslime

Veröffentlicht am Tuesday, 07. October 2003, 00:06

In der Arche Noah fand ich gerade einen Artikel der WamS über Deutsche, die zum Islam kovertiert sind. Eines haben sie alle im Artikel gemeinsam: die ersten Ansprechpartner, Christen, haben enttäuscht - weniger durch ihren Lebenswandel als vielmehr durch fehlende Antworten und rechte Worte und Hilfe.


Kazachstan

Veröffentlicht am Monday, 06. October 2003, 21:18

Kazachstan?

Ziemlich unbemerkt von der größeren Weltöffentlichkeit hat Ende September diesen Jahres in Astana, der relativ neuen Hauptstadt von Kasachstan, ein Treffen wichtiger Vertreter aller großen Religionen stattgefunden. Dort konnten im Rahmen des ersten “World and Traditional National Religions Congress” Leute wie der oberste Rabbi von Israel, Yona Metzger und der Generalsekretär der Weltmuslimliga, Scheich Abdullah al-Turki aus Saudi-Arabien, konnten abseits der politischen Weltbühne mal shake hands betreiben und sich austauschen. Warum auch nicht.
Natürlich war auch eine Delegation der Kath. Kirche dabei (unter vielen anderen), man kann auf der Vatikanseite auch ihre Redebeiträge und die Abschlusserklärung lesen. Übrigens hat auch ein Franziskaner-Konventuale (zu deutsch meist Minorit genannt), nämlich ihr Generalminister gesprochen und eine eigene franziskanische Delegation angeführt, die den “Geist von Assisi” aufzeigen sollte, wo schon zweimal Treffen von Führern der Weltreligionen stattgefunden hatten.
In Kasachstan selbst ist ein großer Gebäudekomplex geplant, der als ständige Einrichtung der Verständigung unter den Religionen und Konfessionen dienen soll, quasi als UNO-Äquivalent. Schon das Leben des Elija berichtet uns,
dass Gott der Herr eher im Säuseln als im Sturm zu finden ist, und so kann das Mediensäuseln im fernen Kasachstan dem Frieden vielleicht dienlicher sein als ein Mediensturm in westlichen Metropolen.

Also Kasachstan!