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Es ist immer wieder erstaunlich, daß manche öffentliche Stimmen das Wort von der abendländischen Kultur im Mund führen und sogar das jüdisch-christliche Erbe betonen. Dies geschieht zumeist nur zur Abgrenzung gegenüber anderen, besonders islamischen, Einflüssen. Christus und den Glauben an Ihn haben sie dabei selten im Blick (was man daran erkennt, wenn mal Themen wie Lebensrecht für alle oder auch die Kritik am Neoliberalismus angeschnitten werden). Es geht um ein rein kulturell-zivilisatorisches Konstrukt: das Kind verleugnet seine Eltern.

In diesem hervorragenden Interview legt Rémi Brague dar, wie wenig diese, wie er sie nennt, “Christianisten” mit Christus zu tun haben. Sie glauben an das Christentum, nicht an Christus. Auszüge daraus:

Das Christentum hat nichts Westliches. Es ist aus dem Osten gekommen. Unsere Vorfahren sind Christen geworden.
Sie haben eine Religion angenommen, die ihnen zu Anfang fremd war. Die Wurzeln? Was für ein merkwürdiges Bild… Warum sollte man sich mit einer Pflanze vergleichen wollen? Wenn wir auf französisch „se planter“ sagen meinen wir: sich irren, einen Fehler machen… Wenn wir also schon unbedingt Wurzeln brauchen, sagen wir es doch mit den Worten Platons: wir sind in umgekehrter Richtung gepflanzte Bäume, unsere Wurzeln sind nicht auf der Erde, sondern im Himmel. Wir sind in dem verwurzelt, was, wie der Himmel, nicht erfaßt, nicht in Besitz genommen werden kann. Auf einer Wolke kann man keine Fahnen hissen. Und wir sind auch bewegliche Tiere. Das Christentum ist nicht auf die Europäer beschränkt. Es ist missionarisch. Glaubt, daß jeder Mensch das Recht hat, die christliche Botschaft zu kennen, daß es jeder Mensch verdient, Christ zu werden. […]

Die Zivilisation des christlichen Europa wurde von Menschen erbaut, die keineswegs den Zweck verfolgten, eine „christliche Zivilisation“ zu erbauen. Wir verdanken sie Menschen, die an Christus glaubten, nicht Menschen, die an das Christentum glaubten. […]

Christus ist nicht gekommen, um eine Zivilisation zu erbauen, sondern, um die Menschen aller Zivilisationen zu retten. Das, was man „christliche Zivilisation“ nennt, ist nichts anderes als die Gesamtheit der „Nebenwirkungen“, die der Glaube an Christus auf die Zivilisationen hatte, die seinen Weg gekreuzt haben. Wenn man an Seine Auferstehung glaubt, und an die Auferstehung eines jeden Menschen in Ihm, sieht man alles in einem anderen Licht und handelt auch demzufolge, und zwar in jedem Bereich. […]

Ich frage mich auch, ob es immer richtig ist, von Christentum zu sprechen. Der Suffix könnte, zu unrecht, als eine Theorie bezeichnend verstanden werden, gleichbedeutend mit den „ismen“ wie bei: Liberalismus, Marxismus, usw. Augustinus hat einmal gesagt: das, was es bei den Christen Christliches gibt, ist Christus. Christ sein bedeutet in Kontakt stehen mit einer Person. Und eine Person kann man ja nicht zu einem Werkzeug machen. […]





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