Veröffentlicht am Wednesday, 19. August 2009, 09:37
Neulich konnte ich noch einem Freund, der sich wirklich gut mit der katholischen Theologie auskennt, mitteilen, daß der Anspruch der Orthodoxie, die Kirche der Frühzeit geblieben zu sein und im Gegensatz zu uns nichts geändert zu haben, einfach nicht stimmt. Ich selbst weiß es aber auch noch nicht so lange, doch auch die Orthodoxie hat etwas dogmatisiert, ohne den Westen gefragt zu haben wie umgekehrt auch. Ich behaupte nicht, daß die Lehre etwas neues sei (ebensowenig wie ich die Lehre der Unbefleckten Empfängnis oder den päpstlichen Primat für neu halte), die dogmatische Festlegung dagegen ist es.
Beim Namen Gregorios Palamas findet sich bei wikipedia folgende gute Zusammenfassung (Vorsicht, Theologie!):
Seine Lehre, der Palamismus, war die letzte Weiterentwicklung der orthodoxen Theologie, die für verbindlich erklärt wurde. Ein Hauptmerkmal des Palamismus ist seine Unterscheidung zwischen einem prinzipiell für die Geschöpfe unzugänglichen Wesen Gottes und den Energien Gottes, mit denen Gott sich zu erkennen gebe. Seinem Wesen nach bleibe Gott, selbst wenn er sich willentlich dem Nichtgöttlichen zuwende, immer von seiner eigenen Zuwendung getrennt und unerkennbar. In seinen Taten hingegen, das heißt in seinen Energien, könne Gott erkannt und erfahren werden. Diese Energien hält Palamas ebenso wie Gottes Wesen für ungeschaffen. Mit der Unterscheidung zwischen Wesen und Energien Gottes und der Behauptung der Ungeschaffenheit der Energien verteidigt Palamas theologisch den sogenannten Hesychasmus, die Gebetspraxis der Athos-Mönche, deren Gemeinschaft er selbst angehört. Der Hesychasmus geht von der Annahme aus, dass das ungeschaffene Taborlicht vom Menschen geschaut werden könne, womit Gott in seinen Energien wahrnehmbar werde. Palamas’ Gegner meinen dagegen, dass es außerhalb von Gottes ungeschaffenem Wesen nur geschaffene Wirkungen gebe.
Sollte es jemals zu einer Einheit der Kirchen kommen, dann wäre auch hier ein mögliches Streitthema, das bislang immer ausgeblendet wurde. Denn daß das eine verbindliche(!) Sicht der Wirkweise Gottes sei, halte ich für gelinde gesagt sehr kritisch.
Ich nehme mal an, der “Palamismus” (verständlicherweise wird diese Bezeichnung im Osten nicht geschätzt, ich benutze ihn aber der Einfachheit halber mal) ist für viele westliche Leser was ziemlich Neues.
Daß die Lehre des Palamas nicht bloß eher eine Kleinigkeit orthodoxer Theologie ist, sondern schon die Grundfeste von Theologie überhaupt berührt, macht eine Aussage von Gerhard Podskalsky SJ klar. Solange diese Lehre nicht in den Fokus des Diskussion rückt, sind m.E. nach alle anderen Bemühungen zum Scheitern verurteilt. Podskalsky schreibt hier:
Wo liegen nun die Probleme der Vermittlung? Ein Hindernis liegt sicher in der bei den byzantinisch-slavisch geprägten, orthodoxen Nationalkirchen seit 40-50 Jahren vorherrschenden Ausrichtung auf die palamitische bzw. neopalamitische Theologie. Ihr wissenschaftstheoretisch relevantes, theologisches Grundaxiom beruht auf der Leugnung der Möglichkeit einer natürlichen Gotteserkenntnis sowie der Forderung nach einer sinnlich-geistigen Erfahrung Gottes (durch die göttlichen Energien, d.h. die Schau des ungeschaffenen Taborlichts), ja selbst der Heiligkeit als Voraussetzung einer authentischen Theologie; diese Präsupposition wird der stärker rational verfaßten Theologie des Westens (der entscheidende Einschnitt zeigt sich schon bei Augustinus!) generell abgesprochen. Aus dem genannten Axiom ergibt sich ferner die Konsequenz einer doppelten, unvereinbaren Wahrheit; denn dem Vernunftwissen steht unvermittelt und unrückführbar ein Glaubenswissen gegenüber. Die Wiederentdecker dieser seit der Lebenszeit des hl. Gregorios Palamas (+ 1359) bis zum Anfang dieses Jahrhunderts weitgehend vergessenen oder aufgegebenen Lehre waren zunächst Russen (Florovskij, Kern, Losskij, Meyendorff, Prochorov u. a.), dann aber auch Griechen (Chrestu, Mantzarides, Romanides u. a.), Serben (Jevtic, Radovic u. a.) und Rumänen (Staniloe). Es ist wohl ohne weitere Erklärung einsichtig, daß diese monastisch orientierte, d.h. als Fortentwicklung des athonitischen Hesychasmus entstandene Theologie kaum dialogfähig ist, es sei denn zum Zwecke der einseitigen Bekehrung.
Und unterhält man sich mit theologieinteressierten Orthodoxen, so ist auch diese einseitige Bekehrung (also alle werden orthodox) das, was sie ehrlich gesagt ausschließlich für möglich halten. Anders orientierte orthodoxe Theologen wie Metropolit Zizioulas oder Patriarch Bartholomäus I. werden da sehr kritisch gesehen (der Patriarch von Konstantinopel wurde in der Kirchengeschichte oft abgesetzt, der Respekt hält sich daher da in Grenzen).