Veröffentlicht am Wednesday, 14. October 2009, 18:45
Eigentlich wollte ich schon lange was darüber schreiben, im Moment ist es im Netz ja auch nicht das Hauptthema, aber virulent ist es spätestens dann, wenn mal wieder ein Lehrschreiben aus Rom kommt, das die Mehrheit der westlichen Welt nicht mag, so etwas kommt ja mal vor.
Also, ich würde mal gerne etwas über mein Grundverständnis des katholischen Laien schreiben. Es ist empfehlenswert, daß sich jeder überzeugte Laien-Katholik hier Gedanken macht, denke ich, da man ja schon mal angefragt wird. Nicht nur, warum “Rom” oder “der Papst” eine Sache so und nicht anders sehen, sondern auch, wie man selbst das so sieht und warum man es ggf. anders sieht als “Rom”.
Grundsätzlich: kein Katholik ist mehr oder weniger wert als der andere. Franziskus sagte mal, daß nur das zähle, was wir vor Gott seien - und daß Er ohne Ansehen der Person richte, ist ja keine Neuerfindung des Christentums.
Durch Taufe und Firmung habe ich dementsprechend die exakt gleiche Kindschaft Gottes angeboten bekommen und letzlich angenommen wie jeder andere Katholik auch, bis hin zum Papst.
Es gibt somit mit und in dieser Kirche und Welt eine Aufgabe und eine Weise zu sein, die nur für mich bestimmt ist - die letztlich auch keiner sonst außer Ihm für mich festlegen kann (wenn Er seinen Willen auch manchmal durch andere offenbaren kann, privilegiert sind hier Diener der Kirche, sind aber beileibe nicht die einzigen).
Also: jeder hat seinen Job. Ich meinen katholischer-Christ-sein Job, der Papst seinen katholischer-Christ-sein Job; ein jeder hat seine Aufgabe, ich in Beruf und Familie und Welt, der Papst als Lehrer der Weltkirche, Bischof von Rom und sichtbares Fundament der Einheit im Glauben und den Sakramenten.
Diese beiden Aufgabenfelder (wie gesagt, jedes Feld und jeder Mensch für sich unersetzbar!) haben Schnittmengen und auch genuin eigene Bereiche.
Ebenso wie der Papst mir nicht vorschreiben kann, wie konkret ich meine etwaigen Kinder zu erziehen habe (Leitlinien als orientierende “Leitplanken” darf er natürlich geben), ebensowenig wie er mir konkret vorschreiben kann, wie ich meinen Arztberuf im kleinsten Détail ausübe, genausowenig habe ich eine Entscheidungskompetenz in den Bereichen, die nur sein kirchliches Leitungsamt betreffen - auch wenn das anscheinend Millionen Menschen anders sehen (Stichwort Piusbrüder), obwohl sie doch zuhause soviel zu tun hätten…
Wie ist es aber jetzt mit den kirchlichen Verlautbarungen, die auch mein Leben betreffen könnten (die Piusbrüder tun das nicht übrigens)? Wie sieht es bspw. mit einer Enzyklika aus? Ab wann halte ich eine Aussage des Papstes für verbindlich in “Glaube und Sitte”?
Okay, ex cathedra-Aussagen sind klar. Konzilssaussagen über den Glauben auch. Keine Frage.
Aber bspw. bei Enzykliken wird die Sache schon schwieriger. Grundsätzlich lese ich natürlich nicht jedes Papier, das aus Rom kommt, wäre ja noch schöner. Enzykliken lese ich übrigens immer spät, selten vor einem halben Jahr nach Erscheinen. Dann hat sich der Medienrummel gelegt, dann sind die Schnell-schnell-Meinungen verbreitet, dann kann man sich das in Ruhe zu Gemüte führen. Von JP2 fehlen mir noch viele, von B16 habe ich zwar alle, aber auch noch nicht alle gelesen geschweige denn verstanden. Alle kirchlichen Schreiben bekommen, seien sie aus Rom oder (in meinem Fall) Köln oder meiner Pfarrei, bekommen auch ein Vorschuß an Sympathie und Urvertrauen - denn schließlich sind es hier meine geistlichen Hirten, die sprechen. Das heißt zwar keinesfalls, daß ich alles abnicken muß, aber ohne Ur-Sympathie geht es nicht, man wird sonst nur verbittert und die Freude am Glauben geht flöten. Wenn ich nur das lesen will, was ich eh schon denke, kann ich mein Tagebuch blättern.
Es kommt sogar vor, daß ich manche sehr alte Lehren der Kirche für falsch erachte, so z.B. die grundsätzliche Erlaubtheit einer Todesstrafe oder die Lehre des sog. “Gerechten Krieges” (eigentlich heißt das sinngemäß “zu rechtfertigender Krieg”, was was grundsätzlich anderes ist, und im Englischen mit “Just War” ebenso wie im Deutschen extrem irreführend übersetzt wird, da es eine positive Einschätzung eines Krieges suggeriert, auch wenn der lateinische Wortlaut des bellum iustum richtig übersetzt ist). Doch ich kann diese Lehre ablehnen, ohne deswegen einen Cent weniger katholisch zu sein (ja, geht!).
Käme ich jedoch dazu, meine Meinung als allgemeinverbindlich zu fordern? Soll die Kirche ihre Lehre wegen meiner Meinung ändern? Mitnichten! Diese Spannung gilt es auszuhalten! Gerade das macht das Katholische aus! Es gibt eine legitime Meinungsvielfalt, wie sie schon Augustinus kannte und bekannte (sinngemäß): “Im Wichtigen Einheit, im Unwichtigen Freiheit, in allem Liebe!”
(Daß es durchaus Unterschiede in der Bewertung von wichtig und weniger wichtig gibt, ist klar - und manchmal problematisch, besonders wenn die Liebe fehlt)
Also: alle Lehrmeinungen der Hirten wohlwollend betrachten, wohlwollend erwägen, im Zweifel eher befolgen als ablehnen (die Hirten werden ja auch mehr zur Rechenschaft gezogen als der irrig Folgende) - außer es geht gegen die eigene Seele (auch hier ist Franziskus Vorbild - er verlangte in der Ordensregel des Ersten Ordens Gehorsam, außer es gehe “gegen die Seele”). Nicht jede eigene Willensregung ist aber schon Seelenregung, da müssen wir ehrlich bleiben. Und mal ganz ehrlich: so viele Vorschriften für den Alltag des katholischen Christenmenschen gibt die Kirche ja auch gar nicht.
Und deswegen, und darüber will ich dann im 2. Teil mal sprechen, geht es auch hauptsächlich um das, was und wo der katholische Laie (be)wirken kann. Das ist jede Menge.
(als Nachtrag eine Bitte: keinen Nebenschauplatz über den Gerechten Krieg oder die Todesstrafe jetzt aufmachen bitte! Darum geht es mir hier nicht!)