Archiv für June, 2005



Mal wieder was Lesenswertes

Veröffentlicht am Thursday, 30. June 2005, 22:11

Der Artikel aus dem “New Yorker” ist lang, schon vom Mai diesen Jahres, auf Englisch und bezieht sich hauptsächlich auf die Verhältnisse der Kirche in den USA. Doch trotz all dem ist er lesenswert.


Fremdbestimmung

Veröffentlicht am Thursday, 30. June 2005, 21:34

Viele Jahre übe ich den ärztlichen Beruf ja noch nicht aus, aber eines fängt an, mich immer mehr zu stören: das juristisch verankerte Ur-Mißtrauen, von dem ich übrigens überzeugt bin, daß es einer der Hauptgründe für die imer weiter steigenden Kosten ist (nicht umsonst sind uns nur noch die USA voraus, die Klagen und Schadensersatzusprüche übertreffen ja die unsrigen (noch!) an Größe und Skurrilität).

Was meine ich damit? Also, rein rechtlich gesehen ist absolut jeder ärztliche Eingriff, der über das Abhorchen mit dem Stethoskop hinausgeht, eine Körperverletzung. Diese Ansicht wird damit begründet, daß das im Grundgesetz verankerte Recht auf Körperliche Unversehrtheit durch den ärztlichen Eingriff verletzt wird - daher ist jeder noch so kleine Eingriff genauestens zu begründen und vor allem zu dokumentieren. Konsequent durchdacht müßte ein Arzt mindestens 24h vor jeder Blutabnahme ein ausführliches und gut dokumentiertes Auflärungsgespräch führen, mit allen Vor- und Nachteilen, die diese Blutabnahme evtl. oder sicher nach sich zieht. Gott sei wirklich Dank, daß die hiesigen Richter in solchen Alltags-Détails ihr Hirn bisher nicht komplett abschalten und der Realität den Vorrang lassen (sorry, aber diese potentielle Kriminalisierung meines alltäglichen Tuns, das ich selbst immer wieder rechtfertigen muß, halte ich für reichlich hirnlos).

Gut, diese höchstrichterliche Sichtweise erscheint ja erst einmal kohärent. Doch der ganzen Sache liegt ein fundamentaler Fehler zugrunde: es wird dadurch suggeriert, des Patienten körperliche Unversehrtheit sei vor dem Besuch des Arztes gewahrt gewesen - genau dies ist ja fast nie der Fall (Vorsorge, Impfung und Wahleingriffe mal abgesehen). Der Arzt wird mit einem bereits in seiner Leiblichkeit verletzten Menschen konfrontiert, des Arztes Maßnahmen haben ja gerade das Ziel, eine Unversehrtheit möglichst wiederherzustellen bzw. zu wahren oder ihr nahe zu kommen. Nichts anderes tun die allermeisten Ärzte tagtäglich mit hundertausenden Überstunden. Deutsche Richter dagegen unterstellen uns pauschal anderes, weil sie aus mir absolut unerklärlichen Gründen davon ausgehen, es kämen ständig nur körperlich unversehrte Menschen zum Arzt (bspw. in der Unfallchirurgie eine besonders groteske Vorstellung).

Daß so eine Rechtssprechung natürlich aus reinem Selbstschutz ein Unmaß an “forensicher Medizin” nach sich zieht, also Doppel- und Dreifachuntersuchungen, nur damit man sich ggf. vor Gericht absichern kann, damit man sagen kann, man habe doch alles gemacht, ist glasklar.

Wer, und das sage ich schon seit längerem und immer wieder, wer die Kosten im ambulanten wie stationären Bereich auf einen Schlag deutlich senken will (von prozentualen Prophezeiungen halte ich nicht viel), der muß dieses vollkommen verquere Arzthaftungsrecht ummodellieren. Das Schönste an der ganzen Aktion wäre: es täte keiner Lobbygruppe weh und ist daher sogar machbar.


Komm ’se rein

Veröffentlicht am Thursday, 30. June 2005, 09:55

Laut Radio Vatikan ist seit dem Tod des alten und der Wahl des neuen Papstes die Zahl der Eintritte in die Kirche deutlich und vorerst stabil gestiegen. Ich vermute einmal, daß die intellektuelle Brillanz des neuen Pontifex Maximus, wie sie sich allgemeinverständlich in seinen populären Bestseller-Büchern niederschlägt, erste Früchte bringt. Schön, so einen Papst zu haben.


Skeptisch

Veröffentlicht am Tuesday, 28. June 2005, 18:23

So, nach einigen Tagen Abwesenheit und ohne Bloggen ein kleines Hallo.

Bald ist ja Weltjugendtag. Mittlerweile habe ich so viel über die Organisation desselben gehört, daß ich skeptisch bin, ob er für die Kirche und die Jugend in Deutschland irgendetwas an Aufbruch bringen wird, ich glaube eher nicht. Es wird alles totorganisiert.


“Wir” statt ich

Veröffentlicht am Tuesday, 21. June 2005, 20:42

Wer ein wenig oder des öfteren bei den anderen verlinkten Kath. Weblogs, insbesondere beim Notizbuch und bei Lumen vorbeischaut, findet dort eine rege Debatte, nein, eine frustrane Diskussion mit Matthias (ebenfalls verlinkt) und anderen Protestanten bezüglich dessen, was den Glauben der Kirche zum Katholischen macht.

Ein Tip: laßt es bleiben!

Die Kluft ist zu groß.

Der Protestantismus in seiner mehrheitlich real existierenden Variante diesseits der Alpen (und diesseits des Teiches) ist postmodern par excellence. Da ist jeder auf sich selbst gestellt vor Gott, jeder allein. Es gibt keinen wirklich gemeinsamen Glauben bei zwei sich treffenden Personen, der über einen KGN (Kleinster Gemeinsamer Nenner) hinausgeht. Nun ist Christus als KGN ja schon mal einiges, aber wenn man sich über dessen ganz real-leibliche Wirkung im Jahr 2005 nicht einigen kann, bleibt Er doch sehr entweder bloß eine Gestalt der Historie oder der privaten Frömmigkeit.

Es ist ein Hauptmerkmal der Postmoderne, daß sich jeder absolut allein weiß oder fühlt, auch allein vor Gott.

Gleichzeitig gibt es große Bestrebungen des Einzelnen, dieses Alleinsein zu überwinden, in neuen Kicks, in der sexuellen Euphorie, im Thrill des Besonderen. Doch danach: wieder allein.
Auch religiös ist dies ein Thema (wenn auch weniger bei uns hierzulande), besonders wenn es um das Thema der Gemeindebildung geht. Doch theologisch hört “Kirche” entweder an den Gemeindegrenzen auf (viele Freikirchen), oder aber das Ganze ist sehr individualisiert (Landeskirchen).

Okay, es ist kein Wunder, daß mir da die Apostolische Kirche mit ihren 2000 Jahren auf dem Buckel lieber ist - es ist ein so schönes Gefühl (ja, trotz aller Scholastik und rationalen Theologie sind Gefühle nicht an sich falsch, sie dürfen nur nicht das einzige Kriterium der Wahrheitsfindung sein), ein so schönes Gefühl zu wissen: “Martin und ich haben den gleichen Glauben, Petra auch, Peter erst recht- den Glauben der Kirche”. Da muß man nicht kämpfen, da kann man sich getragen wissen, da gibt es Arbeitsteilung, weil wir Ein Leib sind. Das “Wir” versus das “ich”.
Da können wir im Hochgebet sagen, daß in jeder Darbringung der Eucharistischen Gaben die “ganze Kirche” mitfeiert. Die ganze Kirche, die auf dem gesamten Erdball (was schon ganz okay wäre) und nicht nur sie, nein, auch die ganze Himmlische Kirche, die Kerubim und Seraphim, die Heiligen und Märtyrer, alle am Ziel Angelangten.
Da muß ich nicht alles wissen, ich muß eigentlich nichts verstehen, nur glauben wäre nicht schlecht. Wenn ein sehr schlauer Mann oder eine sehr schlaue Frau das alles durchdacht hat und darauf sein Leben setzt, das eine das er hat (darum sind Ordensmenschen und Priester so wichtig für die Glaubwürdigkeit), dann kann jemand anderes vertrauen, der diese intellektuelle Kompetenz nicht hat.

Das “wir”, der Eine Leib. Da muß nicht jeder gleichzeitig Hand, Fuß, Magen, Kopf sein, da sind “wir” vor Gott, nicht bloß ein “ich”.

Beruhigend.

Beseligend.


Tabu

Veröffentlicht am Monday, 20. June 2005, 23:40

“Dreckige Wäsche sollte in der eigenen Familie gewaschen werden”, so kennt man es und hat es jahrelang nicht verstanden, bis heute sehe ich diesen Spruch sehr skeptisch. Doch es ist was dran, man sollte sich nicht in alles einmischen. Es ist gut zu warten bis manche manches selbst ansprechen. Ob das dann richtig ist, ist eine andere Frage. Auf jeden Fall hat das schon einmal eine Fürstin gespürt, ich denke zurecht, wenn auch nicht aus Gründen der PC-Vertreter.

Ein Europäer sollte so etwas einfach nicht bringen, es steht uns nicht zu.


Sperrig

Veröffentlicht am Monday, 20. June 2005, 23:03

Ja, es ist irgendwie sperrig, dieses Buch, das einfach nur ein Thema hat, einen Menschen: Jesus aus Nazareth. Über 800 Seiten geht es um niemand anderen, um nichts anderes. Nahezu jede Facette, die jemals Streitpunkt war, die im Bewußtsein des gemeinen Christen oder Interessierten sein könnten, wird behandelt. Dabei wird nichts ausgelastet - das Aufräumen von Klischees, das Hinterfragen von wiss. Übereinkünften, das Hinterfragen der eigenen philosophischen Einstellung des Lesers, der ja mit einem bestimmten (manchmal unbewußten) Hintergrund an den Bibeltext geht. Recht wohltuend ist der Umgang mit nichtbiblischen Schriften, da auch sie durchaus einiges zum Wissen über diesen Mann beitragen können.

Aber ist das Buch wohltuend? Es ist kein wissenschaftl.-theologisches Werk, will es auch nicht sein. Es tut wohl, daß der Text der Hl. Schrift in seine Zeit, in seine Fremdheit verortet wird ohne daß wir uns anmaßen, alles besser beurteilen zu können als die Menschen damals, die der Zeit viel näher standen. Es strengt aber auch an, da wirklich fast nichts ausgelassen wird.

Insgesamt finde ich das Buch durchaus empfehlenswert. Es ist sperrig im Kopf, bleibt hängen. Das ist gut.

Negativ finde ich manche Pauschalurteile gegen wiss. Theologieströmungen, nicht wegen des Urteils an sich, das teile ich häufig, sondern wiel sie außer am Schluß ab und zu eigentlich nie mit irgendwelchen Quellenangaben verifiziert werden. Wenn man argumentativ angreift, sollte man zumindest exemplarisch Roß und Reiter nennen. Ein Anhang am Schluß mit Fußnotenverzeichnis stört den Lesefluß nicht und hätte all denen gedient, sie sich tiefer damit befassen möchten. Denn manchmal scheinen die Standardwerke der Theologie wirklich so haarsträubende Thesen als “gesicherte Erkenntnis” zu verkufen, daß man schon deren Titel gerne wüßte (da bin ich ja immer froh, daß die Bischöfe der Kirche und nicht die Professoren den Glauben überliefern - dem Glauben ist Irrtum auf dem neuesten Stand (Wissenschaft) nicht
gerade zuträglich).


Faß zum Überlaufen

Veröffentlicht am Sunday, 19. June 2005, 13:57

Dies Domini.

Es erscheint übertrieben, bei uns kämen dafür niemals so viele auf die Straße - villeicht liegt es auch daran, daß bei den Spaniern eine Demonstration auch immer eine Feier ist.
Nun, es waren zwischen 170.000 und 1,5 Millionen (so El Pais), die zur Großdemonstration gegen die spanische Variante der Homo-Ehe inklusive Adoptionsrecht nach Madrid kamen.

Besonders das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare stößt auf massiven Widerstand, dies wird auch auf vielen Plakaten deutlich (Fotos siehe hier).

Im Aufruf des Forums für die Familie
wird deutlich, warum diese Menschen auf die Straße gingen: sie sind es leid von Politikern regiert zu werden, die Kindestötung als Menschenrecht ansehen, die die Erziehung der Kinder gegen den Willen der Eltern bestimmen wollen (erinnert doch sehr an den Spruch der “Hoheit über die Kinderbetten” hierzulande), die religiöse Erziehung als Störfaktor betrachten (auch hierzu findet sich besonders in Berlin das dt. Abbild), die religiöse Expression in die Privatsphäre verbannen wollen etc. - die neue Intoleranz.


Nagelprobe ohne Schuld

Veröffentlicht am Friday, 17. June 2005, 22:59

Wahrscheinlich erscheint es nicht nur mir so, daß viele theolog. Debatten, seien sie bspw. dogmatischer oder moraltheologischer Natur über konstruierte Einzelfälle wie Elfenbeinturm-Geplänkel aussehen und so ankommen.

Also, das Leben kann sehr hart sein, daher mal aus diesem Bereich was Konkretes, was ganz Reales.

Dieser Mann steht vor Entscheidungen, die man nicht üben kann, über die hoffentlich niemand (zumal als Nichtbetroffener) Urteile fällt. Und bei denen ihm, wie er hier berichtet (”Those damn machines” ansehen), der katholische Glaube, sein Gebetsleben (”Quiet moments”) und seine Lehre als Richtschnur dient - ganz offen und ehrlich (könnte ich das immer so frei sagen?). Dummerweise, nein, glücklicherweise hat aber die Kirche in so einem Fall keine konkrete Aussage getroffen; dennoch stützt sein Glauben, seine Gebete diesen Mann im täglichen Kampf gegen den Nervenzusammenbruch.

Ganz einfach so, ohne akademische Theologie.

Es zählt nur das reale Leben.


Lesen!

Veröffentlicht am Thursday, 16. June 2005, 23:21

Es gibt ja nicht wenige Neocons in der Kirche, die meinen, die Befreiungstheologie sei vor Jahren, damals zum Höhepunkt der Auseinandersetzung mit ihr, von der Kirche verworfen worden.

Dies ist mitnichten der Fall, aber da redet man sich den Mund fusselig und diese Redenschwinger sind nicht differenzierter als platte Kirchenkritiker. Verurteilt wurde zu Recht eine marxistische Ausrichtung einer Art (der damals vorherrschenden) von Befreiungstheologie.

Ganz kurz: natürlich sagt der Herr, daß wir die Armen immer bei uns haben werden. Aber wo sagt er daß das in Seinem Sinne sei? Die Sünde wird auch immer da sein, und das extreme Mißverhältnis der Reichtümer ist genau dies.

Wer sich über die durchaus komplexe Problematik der kirchlichen Rezeption der Befreiungstheologie gut informieren will, dem sei dieser Artikel der TAGESPOST empfohlen.


Ob das akzeptiert werden wird?

Veröffentlicht am Wednesday, 15. June 2005, 23:15

In einer hochsexualisierten Gesellschaft bzw. Umwelt, in der mittlerweile noch so seltsame Praktiken kaum eine Augenbraue hochziehen lassen, stellt sich, wenn das mal bekannter wird, die wirkliche Toleranzfrage:

Ist es denn überhaupt gesund, keine sexuelle Anziehung für irgendejemanden zu verspüren, einfach keine Lust zu haben?
Müssen die nicht krank sein?
(Vulgo: wie kommen die darauf, mich unbewußt in Frage zu stellen?)

Asexualität nennt man diese noch unerforschte und bisher als rein pathologisch (sic! - das ändert sich aber zusehends) gesehene Gefühlsform, ganz neutral, nicht abwertend. Die ZEIT berichtet aktuell davon, u.a. die WELT am Sonntag brachte das Thema schon früher.


Ähnlich?

Veröffentlicht am Wednesday, 15. June 2005, 20:42

Zumindest rein äußerlich sind sie es: das nahezu gleiche schreckliche Brillenmodell, dunkle Anzüge, weißes Haar,… sogar spirituell waren beide dem Hl. Ignatius verbunden, der erste bis ans Lebensende im Orden, der andere stieg aus:

Auch wenn der zweite, Hans Urs von Balthasar
(bezeichnenderweise ist die beste Internetquelle ein englischsprachige), hier ein wenig grimmiger guckt, seine Art der Theologie ist mir weitaus sympathischer als die des ersten, Karl Rahner (was u.a. damit zusammenhängen wird, daß mir Rahners Deutsch viel zu abstrakt und vielfältig interpretierbar ist - von Balthasar ist packend und mehr was fürs Volk). Doch untereinander blieben sie sich fremd. Der Rheinische Merkur widmet zum 100. Geburtstag dem Schweizer Theologen von Balthasar ein Spezial.

Meine These übrigens: gäbe es mehr Anhänger des Herrn von Balthasar in den theologischen Entscheidungsgremien (besonders auf den universitären Lehrstühlen), hätten wir mehr Liebe zur Kirche (ich habe sie u.a. bei ihm gelernt).

Ach ja, manche steigern das ganze noch (soll von Balthasar sein)…


Zölibats-Bonbon

Veröffentlicht am Monday, 13. June 2005, 22:34

Nachdem Petra schon hier einen sehr lesenwerten und bereits sehr gelobten Beitrag zum Thema “Verzicht auf Sex” verfaßt hat (nein, das Thema ist nicht wirklich neu oder der Aufklärung geschuldet), möchte ich eine kleine Anmerkung zum “Berufungsmangel” diesseits der Alpen machen (in Italien sieht es ja trotz der Unmengen an Klasse-Frauen nicht so aus :-) ).
Es ist nicht nur mir bereits aufgefallen - wenn auch im eigenen Leben - daß der größte Widerstand einer gläubigen Person, die ein wie auch immer gottgeweihtes Leben leben möchte, gar nicht von der säkularisierten Welt entgegenweht. Es sind nicht Pornographie, Hedonismus, Gewaltverherrlichung, Medienzeitalter etc.
Es sind nicht die Menschen, die mit Glauben nichts zu tun haben, da ist es eher Unverständnis bis exotisches Interesse.

Nein, der größte Brocken liegt mit den Menschen im Weg, die irgendwie in der Kirche sind aber zum Teil größere Identifikationsprobleme damit haben. Das sind auch nicht selten sog. “Hauptamtliche” und ehrenamtliche Laien, also bspw. Pastoralassistenten (ein Freund erwähnt ab und an, daß seine als solche tätige Frau ein positives Verhältnis zum Priestertum als solches hätte und daß das außergewöhlich sei!), Küster, PGR-Mitglieder (Pfarrgemeinderat) etc.
Auch Priester und Ordensleute raten eher ab, kommt vor (selbst erlebt).

Bei so einem Bodensatz, wie soll da etwas Frucht bringen?


Bedenkenswert

Veröffentlicht am Sunday, 12. June 2005, 21:14

Dies Domini.

Ist es nicht erstaunlich, daß die Kirche außer bei der öffentlichen Zugabe einer der Todsünden, nämlich der Luxuria (Unkeuschheit, Wollust), den Sakramentenempfang bei anderen Todsünden nicht verweigert?
Ich erlaube mir dies zu kritisieren (und bin ja bisher nicht als Kirchenkritiker hier aufgetreten). Es ist mir unverständlich, einem wiederverheirateten Geschiedenen die Kommunion vorzuenthalten, sie aber bspw.
- den extrem Übergewichtigen (schuldig geworden an der Gula - Freßsucht, Völlerei, Unmäßigkeit)
- den Vorstandsmitgliedern großer Unternehmen (angesichts der Gehälter, wohl alle international schuldig geworden an der Avaritia - Habsucht, Geiz)
- den Schnäppchenjägern (ebenfalls Geiz),
- den Faulen (Acedia - Trägheit, Überdruß)
etc.
zugesteht.

Eine gewisse Sexualfixierung läßt sich hier nicht abstreiten. Mehr zu den Todsünden hier.

Nachtrag: kann sich dieses Land noch irgendeines christlichen Fünkchens rühmen, wenn “Geiz geil” ist?


Unvergleichlich?

Veröffentlicht am Sunday, 12. June 2005, 13:46

Dies Domini.

In Deutschland ist man ziemlich schnell ein rhetorischer Totalausfall, wenn man die Shoa, den Holocaust an Millionen Juden und anderen verhaßten Menschengruppen, mit irgendetwas in einen Zusammenhang bringt. Selbst eine Aufzählung mit diesem Ereignis in einer Reihe ist tabu. Ich hörte mal eine Abwandlung des bekannten Zitates von Watzlawick:

Man kann nicht nicht vergleichen.

Dies trifft es recht gut. Auch wenn ein Vergleich oder gar eine Beurteilung der Schwere mit keinem Wort erfolgt, kein “so … wie”, “schlimmer als”, “vergleichbar mit” auftauchen, im Ohr oder Auge des gemeinen Empfängers schwingt einVergleich mit, und die eigentliche Aussageabsicht erreicht kaum jemanden mehr wirklich (Kardinal Meisner kann ein Liedchen davon singen).

Persönlich halte ich das Vergleichstabu für gefährlich. Die Shoa ist von ganz normalen Menschen verbrochen worden und ist immer potentiell wiederholbar, die Täter waren eben nur Menschen. Wird sie aus den Möglickeiten menschlichen Unwesens als exzeptionell ausgeklammert, nimmt man dem Holocaust den Stachel des immer wieder Möglichen (wenn man mal voraussetzt, daß Menschen sich nicht prinzipiell zum Guten ändern).

Was bei Kardinal Meisner lautstarken Protest auslöste (obwohl dieser gar nicht verglich), ist bei seinem Mitbruder und medialem Lieblingsbischof Kardinal Lehmann nur eine kleine Notiz bei Radio Vatikan wert: der Vergleich zwischen Abtreibung und Holocaust sei gestattet.


Mal was Profanes

Veröffentlicht am Saturday, 11. June 2005, 23:15

Wer schöne vatikanische Hintergrundbilder für seinen Rechner sucht, dem sei diese Seite ans Herz bzw. deren Wallpapers auf die Festplatte gelegt.


Selektion

Veröffentlicht am Friday, 10. June 2005, 23:09

In der Ansprache an seine Diözese hat Papst Benedikt das Wort “Sex” nur einmal verwendet, das Wort “Afrika” dagegen elf Mal, genauso wie inhaltlich die Kritik an homosexuellen Lebensformen nur ein kleiner Bruchteil seiner Rede war. Lange darf man aber raten, was ausschließlich in den säkularen westlichen Medien berichtet wurde…

Dies ist nur ein kleines Beispiel um zu zeigen, wie gesteuert die Meinungsmache auch in Bezug auf die Kirche betrieben wird. Dies ragt nicht zuletzt in theolog. Grundmißverständisse hinein. So stelle ich häufig fest, in Kommentaren hier wie vor allem im realen Raum, daß angenommen wird, die Kirche meine sie “wisse alles über Gott”. Mitnichten, das Gegenteil ist der Fall, und dies ist einhellige Lehre seit je her. Die kleinen Bruchstücke, die sie zu wissen glaubt, verteidigt sie eisern, und den großen Rest feiert sie - als Mysterium, als eben nicht ganz verstehbares Geheimnis.

Vielleicht ist das der größte Unterschied zwischen ev. Abendmahl (zumal dem nicht-lutherischem) und kath. Eucharistie: das Abendmahl, so scheint es mir, birgt kein Mysterium mehr, es wird verstanden.


Theologische Erwägungen VI

Veröffentlicht am Tuesday, 07. June 2005, 23:02

Nach langer Zeit mal wieder ein unbedeutender theologischer Erguß.
Also, um das diesmalige Thema einzuleiten, verweise ich noch einmal auf den Beitrag der ersten Erwägungen hier. Allerdings kommt er inhaltlich eigentlich erst nach dem nun folgenden.

Es geht um die Frage der Wahrheitserkenntnis bzw. besser der menschl. Fähigkeit, die Wahrheit Gottes zu erfassen.

Zunehmender Beliebtheit erfreut sich dabei die Geschichte der “Blinden und der Elefant“, um zu zeigen, daß die menschl. Fettmasse zwischen den Schläfen, euphemistisch Gehirn genannt, nicht in der Lage sein kann, so etwas Großes wie Gott überhaupt zu erfassen.
Diese Geschichte wird immer wieder gerne gebracht, um nicht nur die Relativität unserer Aussagen bzgl. ihrer kontextuellen Zeitgebundenheit, sondern vor allem bzgl. ihrer inhaltlichen Richtigkeit zu postulieren - kurz: ist eh alles menschlich, also nicht sicher wahr.

Die Geschichte ist nett und eingängig, auf den ersten Blick wirklich überzeugend, auch Menschen wie Hans Küng in seinem Buch “Christsein” verwenden es in diesem Sinne, es sei ja so gut übertragbar auf religiöse Bemühungen der Menschen generell.

Ist es aber nicht.

Erstaunlicherweise schauen da alle, ich natürlich anfangs auch, auf das Verhalten der Menschen. Um die kann es im christl. Kontext aber gar nicht zuallererst gehen.

Wer guckt auf den Elefanten? Was tut er?

Eben. Nichts. Steht nur da und läßt sich betatschen.

Übertragen auf den jüdisch-christlichen Kontext der Offenbarung bedeutet das also, daß es diese gar nicht gegeben hat - denn Offenbarung heißt nicht Schleier runterreißen durch Menschenhand, sondern aktives Eingreifen Gottes. Ohne den Glauben an eine Offenbarung ist diese Geschichte sehr wahr, mit einem Glauben daran aber so was von falsch, und ich verstehe mittlerweile echt nicht, wie Christen damit sympathisieren können.

Das Volk Israel des Alten Bundes hat Gott nicht zuerst gesucht, sondern die Initiative war auf seiten Gottes.

Und Christus kam in die Welt, weil Er es so wollte.

Offenbarung ist aktiv.

Wenn schon so ein Bild wie das des Elefanten, dann ist der Gott Jesu Christi der Elefant, der sich so lange dreht und windet, bis alle möglichst alle Körperteile “erfaßt” haben. Das heißt zwar noch lange nicht, daß man den Elefanten versteht, das behauptet auch die Kirche nicht, und es kann auch durchaus Menschen geben, die weiter weg vom Elefanten stehen, aus welchen Gründen auch immer, oder bloß nur einmal kurz zugreifen und dann meinen bereits alles erfaßt zu haben, das reiche aus, aber das ist nicht die Schuld des Herrn.

Wenn Gott uns liebt, wieso sollte Er, der uns so wie wir sind geschaffen hat (so schaffen wollte) und uns besser kennt als wir selbst, mit all unseren Grenzen und Möglichkeiten, denn bloß so offenbaren, daß wir Ihn nicht erfassen können? Das wäre Zynismus, keine Liebe.


Neulich

Veröffentlicht am Tuesday, 07. June 2005, 21:39

auf der Intensivstation. Ich husche noch schnell in die Box (so nennt man das auf Intensiv), um die Laborwerte des zu verlegenden Patienten zu ergattern, der vor kurzem einen dicken Herzinfarkt hatte und jetzt im Alkoholentzug steckt - da höre ich, wie gerade der Nachbarpatient von Pater J., dem mir gut bekannten Franziskaner, dem ich durch sein Vitamin B den Aufenthalt hier und danach auch indirekt das verdanke, die Krankensalbung erhält. Der Nachbarpatient ist gerade einem Multiorganversagen entronnen, damals war er noch nicht auf der sicheren Seite (jetzt eher, eine Frucht des Sakramentes?).

Alle, der Pater, der Pfleger (auch gleichzeitig Diakon), die Angehörigen, der andere Patient und auch ich beten gemeinsam - das Vaterunser.

Ein besonderer Moment.


Demütig leiten?

Veröffentlicht am Monday, 06. June 2005, 16:55

Der Erzbischof von Köln, Joachim Kardinal Meisner, hat mal wieder gesprochen, und zwar in einem Interview eines säkularen Mediums, also nicht gerade sein Lieblingsterrain.
Nun ist der Mann ja Schlesier aus Breslau, und aus fam. Hintergrund ist mir dieser regional mitbedingte Charakterzug alles andere als fremd (um nicht zu sagen halb ich).

Dennoch wird dem Erzbischof mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine unglaubliche Hochmut bezüglich des Wahrheitsverständnisses der kath. Kirche vorgeworfen werden. Sprich: er vertritt dieses Verständnis auch noch! (Gut, dies macht er nicht gerade klug, aber irgendwie ist dieser Mann ja berechenbar)

Die natürlich mangelnde christliche Tugend der Demut wird einem oder mehreren Bischöfen natürlich gerne vorgeworfen, wenn sie mal wieder ihre Lehrfunktion ausüben.
Aber mal ehrlich: kann sich jemand vorstellen, daß ein real existierender Schafhirte seine grasenden Tiere, die eigentlich nur an die Erfüllung ihrer biologischen Bedürfnisse denken, überhaupt “demütig” leiten? Wie soll das gehen?

Oder ein anderes Beispiel: ein Patient weigert sich bspw. standhaft, seinen Lebensstil an seine Diabetes-Erkrankung anzupassen. Wann vergehe ich mich am ärztlichen Ethos: wenn ich ihm höchstens mal en passant, wenn überhaupt, mitteile, welche Folgen das eventuell haben könnte, möglichst höflich und kosiliant, oder wenn ich ihm mit zunehmender Schärfe freundlich aber deutlich klar mache, worauf dieser Mensch zusteuert - natürlich ohne ihm die Freiheit zu nehmen, sich immer gegen den ärztlichen Rat entscheiden zu können?
Wann werde ich meiner Verantwortung gerecht?

Ja, Verantwortung ist der Kernbegriff. Denn dieser Mann steht mit seinem Seelenheil für das seiner über 2 Millionen Katholiken des Erzbistums Köln ein, ob diese das glauben oder nicht. Er tut das, er ist sicher, daß er dafür geradestehen muß, und auch jeder Arzt sollte auch davon überzeugt sein, daß er eine Verantwortung für die Patienten hat. Bei jedem Aufklärungsgespräch über diagnostische oder therapeutische Eingriffe muß sich der Arzt(!) vergewissern, daß der Patient ihn verstanden hat! Ein bloßes “ach, die können das ja nachlesen” oder “ich hab’s ja mal irgendwann gesagt” reicht nicht.

Vielleicht ist der Begriff der christlichen Demut ja doch anders gemeint als landläufig vermutet. Vielleicht hat es doch nicht so viel mit nur schwach erhobenem Zeigefinger zu tun… Denn die Demut der Christen ist zuallererst die vor Gott, und Er und kein anderer wird Joachim Meisner und Dich und mich richten.

Im übrigen schätze ich Kardinal Meisner besonders für seinen Mut: als Bischof unter dem DDR-Regime hat er im Untergrund der damaligen CSSR Männer aus Untergrund-Seminaren zu Priestern geweiht und damit auch seine eigene Freiheit und Unversehrtheit aufs Spiel gesetzt. Es gibt auch heute genug Länder, in denen der Name Christi verfolgt wird: des Bischofs Kritiker können ja mal zeigen, ob sie ebensoviel Gottvertrauen haben wie der Erzbischof von Köln. Hier im warmen und ungefährdeten Sessel geht das ja leicht.


Wachstum

Veröffentlicht am Thursday, 02. June 2005, 19:40

Kaum einer, bei mir war es auch nicht anders, wird oder würde den gesamten katholischen Glauben gleich zu Beginn eines neuen erwachsenen Glaubenslebens als Paket voll annehmen. Wenn ich so einen träfe, wäre es mir zumindest ein wenig suspekt, ohne daß ich es diesem Menschen ausreden wollte. Ich persönlich mußte jedenfalls für viele Glaubensaussagen in wenig Gehirnschmalz investieren, insbesondere die Interpretationsbasis der Kirche muß sich erst erschließen. Wenn sie das getan hat, und ich halte sie für absolut überzeugend, dann kann man viel mehr ganz flott verstehen, wenn nicht, dann versteht man einiges nie.

Ein sehr guter Freund von mir ist auch einigermaßen am kath. Glauben interessiert und liest auch dieses und jenes, geht ab und an zur Messe, legt insgesamt auf sein Katholischsein großen Wert. Vor Jahren mal sprachen wir über die Lehre der sexuellen Enthaltsamkeit vor der Ehe. Wir beide konnten das nicht mehr für uns als erreichbar behaupten…
Er verstand damals überhaupt nicht die Basis für diese Lehre, kannte zwar die biblischen Stellen, hielt sie aber für rein kulturell gebunden und nicht verbindlich für heute.

Vor einigen Monaten kam eher unvermittelt das Thema wieder auf, ohne daß wir in den Jahren darüber geredet hätten: mittlerweile verstand er es, sah es als Ideal, auch als Lehre, die nicht geändert werden müsse, ohne daß er sich selbst dazu in der Lage sah.

Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie ich vor rund sieben bis acht Jahren einem Priester auf die Frage nach der Bedeutung der Kirche für mich antwortete: sie darf mir sagen, was der rechte Glaube ist, aber nicht im geringsten, was ich zu tun habe!