Veröffentlicht am Wednesday, 03. August 2005, 21:47
40%. 40% der Personen, die das Medizinstudium in Deutschland beginnen, arbeiten nachher hierzulande nicht im klassisch-ärztlichen Beruf. Ca. 20% brechen ab, 20% machen nachher was anderes oder gehen ins Ausland.
Gerade jetzt gibt es wieder mehr Proteste, die Ausdauer scheint sich zu lohnen- immer mehr Menschen wird das Ausmaß an Arbeitzeit bewußt, das ein junger Assistenzarzt leisten muß. Ich erlebe das selbst häufiger in der Klinik, nach einem “Dienst” (sprich: mindestens 26 Stunden am Stück mit durchschnittlich 5 Stunden Schlaf drin, aber jederzeit abrufbereit) fragen mich manche, die mich am Vorabend und in der Nacht erlebt haben: “Sie sind ja immer noch hier!”
Im allgemeinen werden schätzungsweise von den Assistenzärzten 60-70 Stunden pro Woche gearbeitet, mein Grundgehalt (BAT angeglichen) liegt in meinem Alter (29, die Einstufung bei Einstellung ist einfach eine Gehaltsstufe drunter bei kath. Häusern, warum auch immer) bei etwas unter 2600 Euro brutto. Das Nettogehalt läge ohne Bereitschaftdienste (kurz eben der obige “Dienst”) bei etwas unter 2000 Euro inklusive Ortszuschlag und dem anderen Kram.
Bei 60-70 Wochenstunden! (Inklusive Bereitschaftsdienste)
Es ist historisch gewachsene Ausbeutung (mein Krankenhaus ist die einzige Ausnahme, die ich bundesweit(!) kenne), daß Überstunden nicht aufgeschrieben werden und auch nicht in Freizeit ausgeglichen werden, es gibt maximal (so kenne ich es von einigen Häusern, das ist aber auch
noch recht jung) so eine Art Pauschalabgleichung wie z.B. fünf extra Tage Urlaub im Jahr (für 60-70 Std./Woche inklusive den Diensten, ohne vielleicht so 50 Stunden …).
Ach ja, es wird ja immer erzählt, wir verdienen so viel zusätzlich durch unsere “Dienste”. Mein Bruttogehalt pro Stunde “Dienst” liegt bei 24 Euro. Okay, wenn ich 40-60 Stunden im Monat extra arbeite, kommt da einiges dazu. Aber erstens ist man zu Diensten verpflichtet und zweitens sind das ja keine Überstunden, wie Herr Lauterbach hier behauptet.
Vielleicht trügt mich ja meine Binnensicht, aber ich halte den Verdienst von Jungärzten, der für einen Single wie mich natürlich mehr als vollkommen reicht (und der Staat kassiert vorher die Hälfte…), bei der Verantwortung (nachts alleiniger Internist im Haus bspw.) und dem Arbeitspensum für alles andere als zu hoch.
Okay, ich gehöre natürlich damit zu den “Reichen”, dem Feindbild der Linkspartei. Daß ich mich manche Wochen des Studiums ungelogen am Monatsende nur noch von Knäckebrot und Marmelade ernährt habe, weil mir als BAFöG-Empfänger eben trotz Studentenbude von 250 DM warm, ohne Auto und mit Studentenfahrkarte für ÖPNV die Kohle ausging, daß gleichzeitig der Junge gleichen Alters, aus dem Wohnhaus gegenüber meinem Elternhaus, schon mit Mitte 20 ein Haus bauen konnte (bei Großunternehmen sind Lehrlingsgehälter nicht immer schlecht) und ich weitaus mehr als ein Jahrzehnt arbeiten muß, um überhaupt gleichzuziehen mit der Summe des Verdienten (vergessen wir mal den Vorsprung des Hausabzahlens), das interessiert alles nicht. (Ähh, nein, ich habe kein Haus und habe auch nicht vor, bald eins zu erwerben, das ist nur ein Rechenbeispiel - der Nachbar ist allerdings real existierend und er hat bereits ein Haus).
Schwarz-weiß ist eben einfach.
Gut, man kann gegen Ärzte polemisieren, wir sind das gewohnt. Dazu die gewohnte Fremdbestimmung von Menschen, die vom Arbeitsalltag praktischer Medizin keine Ahnung haben (dazu reicht auch ein Medizinstudium nicht aus, wie jeder erfährt, der seine erste Stelle
antritt).
Wir stimmen dann mit den Füßen ab.
Und dieses Land hat dann eben zu wenig Ärzte, selber schuld.