Archiv für die 'Eselsohr - Bücherrezensionen' Kategorie



Fülle

Veröffentlicht am Monday, 20. February 2017, 23:01

Es gibt ja gar nicht so wenige kirchenverbundene Menschen, die meinen, “der Vatikan” oder “Rom” (oder “Ratzinger”) habe die Befreiungstheologie verboten. Diese wiederum teilen sich in zwei Gruppen: die, die das super finden und die, die das super doof finden.

Nun, beide irren. Die Befreiungstheologie wurde mitnichten verboten. Das kann schlechterdings auch nicht sein, da die Begriffe Erlösung und Befreiung auch synonym gebraucht werden können (auch wenn man das vorab erklären muß).

Ja, es gab und gibt manches Mal problematische Aspekte der Theologie der Befreiung (TdB) bzw. ihrer Methodologie, aber das Grundanliegen ist total katholisch. Heutzutage ist ihr Hauptproblem in Lateinamerika eher, daß die Hauptzielgruppe, die Armen, sich scharenweise den Pfingstlern und anderen Evangelikalen zuwenden, die nun wirklich alles andere sind als befreiungstheologisch. Das Buch ist von 1990, da sah das noch ein wenig anders aus.

Worum geht es der Befreiungsthologie und warum gefällt sie mir? Vor allem sind dies drei Punkte:

1. während in der “klassischen” Theologie die Caritas und Diakonie eher so dargestellt wird, daß “die Kirche den Armen hilft”, daß also die Kirche bzw. ihre Gläubigen als Subjekte den Armen als Objekte hilft, verändert die TdB die Sichtweise komplett: die Armen werden selbst verantwortliche Subjekte, auch Subjekte ihres Schicksals, das sie selbst beeinflussen und in die Hand nehmen können und sollen und dazu befähigt werden sollen. Denn die Armen sind oftmals genau Teil dieser Kirche - aber auch wenn nicht, sind sie immer(!) Ebenbilder Gottes. Des Gottes, der selbst um unseretwillen arm wurde.

2. die Theologie ist ein zutiefst praxisbezogene Theologie. Dies fängt damit an, daß alle aktiven Theologen dieser Ausrichtung in Basisgemeinden aktiv sind, lebendigen Kontakt zu denen haben, um die es geht, den Armen. Akademische Gedankenspiele finden quasi nicht statt und finden ihr Korrektiv immer im gelebten Glauben.

3. Und für mich am wichtigsten: das Hauptanliegen ist, auch wenn dieses Schriftzitat nicht im Buch genannt wird, aber das ist meine Zusammenfassung, ein Umsetzen des Wunsches Jesu, daß alle das Leben in Fülle haben sollen (Joh. 10,10). Es gibt sogar Übersetzungen (Elberfelder bspw.), die von “Überfluß” sprechen. Was bedeutet das im lateinamerikanischen Kontext, im Kontext von ökonomisch Marginalisierten, auch wenn sie die Bevölkerungsmehrheit stellen? Was bedeutet es, wenn man keinen Grund erwerben kann mangels Ressourcen, wenn man keine sicheren Jobs haben kann, wenn es keine guten Schulen gibt, wenn Frauen Freiwild sind - dann bedeutet Fülle als Ziel genau diese Mißstände abzustellen. Ein leerer Magen oder ein mißhandelte Seele kann nicht einfach ein Leben in Fülle haben!

Für andere Marginalisierte in anderen Kontexten bedeutet Befreiung dann etwas je anderes - so haben sich die TdB in Asien und Nordamerika auch anders entwickelt.

Und hier bei uns? Wie kann eine TdB bei uns aussehen? Wenn ich sie vom Gesichtspunkt der Befreiung Marginalisierter sehe, dann sehe ich da wenig Anhaltspunkte. Wenn ich sie aber von Gesichtspunkt der fehlenden Fülle her betrachte, dann findet sich schnell etwas, nicht wahr?

Was fehlt denn den Christen hierzulande für ein Leben in Fülle, ein Leben im Überfluss? Das Materielle ist wohl eher nicht …

Es ist in meinen Augen - und da nehme ich mich überhaupt nicht aus - die Freude.

Eine Theologie der Befreiung in Deutschland müßte meines Erachtens nach eine Theologie der Freude sein! Wie sie dann auch aussehen und gelebt werden mag - was uns am meisten fehlt ist Freude!


Appetithappen

Veröffentlicht am Friday, 27. January 2017, 22:48

Mal wieder ein Band der schon mehrfach gelesenen und hier vorgestellten Reihe “Einführung Theologie”, die ich bislang rundheraus empfehlen kann.
Der Anfang des Buches startet furios - es werden alle möglichen modernen, postmodernen und postpostmodernen Spielarten der Christologie vorgestellt, also der Lehre wie Jesus Christus zu sehen ist. Dabei ist es zum Teil wirklich amüsant, wie absurd manche von der offiziellen Lehre abweichenden Theologien argumentieren - doch diesen Eindruck überlasse ich jedem Leser selbst.
Im zweiten und längeren Teil wird dargelegt, aufgrund welcher biblischen und theologiehistorischen Aussagen der Kirche deren Lehre sich hat entwicklen können - und vor allem daß das ganze Hand und Fuß hat. Dabei geht es natürlich nicht so sehr in die Tiefe wie das schon vor Jahren vorgestellte Buch, aber gerade für den Einstieg ist es leichter verdaulich als dieses und vor allem auch leichter verständlich geschrieben. Eine gute Einführung eben.


Widersprüchlich

Veröffentlicht am Sunday, 17. January 2016, 22:48

Der Beitragstitel bezieht sich nicht auf meine Bewertung dieses Buches - ich finde es sehr gut und auf alle Fälle empfehlenswert. Die wichtigsten Mystiker des katholischen Abendlandes werden vorgestellt - allerdings auch nur diese. Die Ostkirchen, deren mystische Tradition deutlicher größer ist als im Westen, werden komplett ausgespart, Protestanten erscheinen ebenfalls nicht.
Dennoch gibt es gerade für Katholiken eine gut lesbare und interessante Übersicht, die Lust auf mehr macht. Jede vorgestellte Persönlichkeit wird auch in ihren Zitaten kurz vorgestellt, in meinen Augen manches Mal zu knapp für einen guten Eindruck.
Großen Wert scheint der Autor auf etwas zu legen, was mir widersprüchlich erscheint - eine mystische Orthodoxie im Sinne einer Rechtgläubigkeit der mystischen Erfahrung. Die mystische Theologie ist der stammelnde Versuch, intensive Gotteserfahrung zu artikulieren. Dabei gibt es in den Augen des Autors offensichtlich eine Art “Mainstream”, die manche Erfahrungen für nicht christlich deklariert. Interessanterweise fallen darunter die Behauptungen von Meister Eckhart aus dem 13. Jahrhundert, dem bekanntesten dt. Mystiker, nachdem wir schon hier im irdischen Leben Gott in seiner Wesenheit unverhüllt erkennen können und manche Meinung der mir zuvor unbekannten Marguerite Porète, einer Zeitgenössin Eckharts, die ähnliches postulierte.
Ich bin mit dem Autor der Meinung, daß es auch Irrwege der Mystiker geben kann - dafür haben wir ja die Korrektur durch die Kirche, die ich für eminent wichtig halte, damit aus manchen Theologen und interessierten Laien keine Gnostiker werden, die meinen, es eben mehr als andere “durchblickt” zu haben - doch ist das ganze in der Mystik nicht einfach in Schubladen zu stecken. Problematisch wird es aber immer dann, wenn mystische Erfahrungen in Worte gepackt werden und die Person versucht, diese höchst individuelle Erfahrung zu verallgemeinern.
Daher: ich verstehe das Anliegen des Autors, teile es auch, finde aber die Wortwahl manchmal etwas zu herb (auch bzgl. esoterischer “Angebote”). Das Anliegen des Buches aber, die Vorstellung herausragender Mystiker, wird voll erreicht.


Endlich

Veröffentlicht am Friday, 06. November 2015, 22:06

Jahrelang habe ich mich durch dieses Buch gekämpft. Es war ein extrem lohnender und gewinnbringender Kampf, keine Frage, aber sicher kein leichter Ritt. Das kann man nicht einfach so durchblättern. Angefangen von der extrem spannenden Darstellung des philosophischen und theologischen Umganges mit Lüge und Wahrheit im christlichen Abendland (da hätte mich - aber nicht des Autors Fach - auch eine Darstellung des Judentums und des Islam interessiert!) über die ganzen Konsequenzen der verschiedenen Herangehensweisen und ihrer praktischen Umsetzung in den Medien, in der Kunst, der Politik, der Medizin etc. - jedem wird sofort klar sein, daß das ein stets und immer brandaktuelles Thema ist.
Der Verlag nennt dieses Buch ein Standardwerk - was häufig Marketing-Gerede ist, erscheint mir dieses Mal mehr als berechtigt zu sein.
Aber die vielen Hundert Seiten haben es in sich. Keine leichte Kost - also bestimmt was für jemanden wie Josef Bordat, der nicht nur - Gott sei’s gedankt! - weiterhin quicklebendig ist, sondern auch wieder frisch ans Werk geht!


Natürlich

Veröffentlicht am Wednesday, 04. November 2015, 22:09

Natürlich wird dieses Buch nicht allen gefallen. Es ist nicht hochwissenschaftlich, sondern stellt persönliche Eindrücke dar. Manche Fakten können falsch sein, manche Einschätzungen zur Kunst irrig. Doch ich habe die Stunden damit genossen. Wie jemand, der explizit nicht Christ ist, so natürlich positiv über das Wesen bspw. der christlichen Liturgie (hier anhand der byzantinischen Liturgie) schreiben kann, wer so positiv die Essenz christlicher Liebe (die eben weit über die Grenzen der eigenen Gemeinschaft hinausgeht) erfassen und beschreiben kann, dessen Bildmediationen kann man auch mit großem Gewinn lesen. Es ist für mich das bislang schönste Buch des Jahres.
Angesichts des Islam, der sich in diesen Tagen oft von seiner häßlichen möglichen Seite zeigt (was Hundertausende Muslime(!) zur Flucht treibt oder direkt den Tod bringt) und dessen Drama für andere und vielleicht Bonus für den einzelnen es ist, keine verbindende Autorität in Interpretationsfragen zu haben, ist es auch mal wieder schön zu erfahren, daß es auch einen anderen Islam gibt. Keine Sorge, naiv bin ich nicht. Aber wenn wir “klug wie die Schlangen” sein wollen, müssen wir auch wie “Schafe mitten unter die Wölfe” gehen, sprich, wir sollen alle vorbehaltlos zu lieben versuchen. Zumindest wenn wir es wagen, uns mit dem Namen Christi zu schmücken. Dieses Buch macht es etwas einfacher.


Überzeugend

Veröffentlicht am Thursday, 05. March 2015, 15:21

Daß die Doxologie, also die Anbetung, der eigentliche Ort der Theologie sei, habe ich ehrlich gesagt nicht unbedingt in einer Einführung in die katholische Dogmatik erwartet - und habe mich sehr darüber gefreut! Aber die lateinische Dogmatik hat nun einmal einen bedeutenden Anteil an Geschichte der eher spekulativen Dogmatik (was sie nicht falsch macht), so daß diese Aussage nicht zu erwarten war. Die ostkirchliche Tradition betont dagegen seit jeher den Sitz der dogmatischen Theologie im liturgischen Leben der Kirche (eine Einführung in die orthodoxe Theologie der Gegenwart will zuhause auch noch gelesen werden) …

Diese Einführung gefällt mir aus verschiedenen Gründen sehr: ganz anders bspw. als der positivistisch und neuscholastisch orientierte “Grundriß der Katholischen Dogmatik” von Ott, den ich auch mal besaß und dessen von mir abgetippten “de fide”-Sätze zu einer kleinen Netz-Lawine von Kopien führte (ohne Quellennennung, also Plagiate quasi) - also ganz anders als dieser beschreibt die Autorin sehr gut die hermeneutischen sprachlichen Probleme und die Zurückhaltung, wenn es um die Formulierungen absoluter Wahrheiten geht. Man kann ja auch nicht so tun, als hätte der Hl. Thomas von Aquin seine Vision gegen Lebensende nicht gehabt oder als hätte Wittgenstein nie was über die Sprache als solche geschrieben (beides im Buch aber nicht erwähnt)…

Die Autorin geht vom biblischen Bilderverbot als Selbstbeschränkung aus, wenn es um Theologie, also Rede von Gott geht. Ein sehr schöner Ansatz. Rede von Gott kann nur analog geschehen (man denke an das Vierte Lateranum 1215 und die kirchliche(!) Feststellung der Unmöglichkeit, Gott adäquat zu beschreiben), letztlich geht es um metaphorische Sprache. Dennoch, und darin liegt quasi der “Clou”, können diese Aussagen wahr sein. Doch die Wahrheit Gottes zeige sich letztlich nicht anhand von Formulierungen, sondern im Leben. So wie wir an eine Wahrheit glauben, die nicht sprachliche Aussage ist und Grammatik und Semantik unterliegt, sondern die Person ist, so bezeuge sich Wahrheit in der gelebten Existenz des einzelnen.

Auch die Spannung Dogmatik versus Exegese wird angesprochen, also die “Konkurrenz” der Dogmatik und Bibelwissenschaft um die Deutungshoheit. Die Autorin betont zurecht die Hl. Schrift als “norma normans non normata”, also als normensetzende und nicht normierte Quelle und hat auch prinzipiell keine Probleme mit den einzelnen Methoden der Exegese, sieht aber bei manchen Vertretern der historisch-kritischen Exegese (nicht der Methode selbst!) eine Verabsolutierung der eigenen Erkenntnis und eine “Hermeneutik des Verdachts” (tolle Formulierung!), die sozusagen die Kirche unter Generalverdacht stellt.

Zwei Drittel dieser Einführung sind dem allgemeinen Teil gewidmet, der spezielle geht eher sporadisch auf einige Brennpunkte der Dogmatik ein (bspw. Christologie). Aber genau das sollte eine Einführung tun. Daher kann ich sie als Grundlage für ein Verständnis dogmatischer Aussagen im 21. Jahrhundert nur empfehlen.


Gelungen

Veröffentlicht am Friday, 09. January 2015, 19:17

Ich habe es schon von mehreren gehört, die sich auch lesend mit ihrem Glauben auseinandersetzen: die Themen wechseln, kommen wieder, es erscheinen neue - langweilig wird es nie. Und bei mir sind es derzeit die Sakramente, ohne daß ich dafür einen genauen Grund angeben könnte. Da gleichzeitig das Thema Kirche bei mir immer hoch im Kurs steht und sich diese selbst ja als Grundsakrament bezeichnet, ist es naheliegend, mehr über die sieben Handlungen und Zeichen zu erfahren, die in der Kirche sakramentale Würde haben.

Dabei kam mir zugute, daß ich als seit neuestem Besitzer eines E-Readers bin (nicht der eines großen amerik. Konzerns) und als Nutzer der hiesigen Stadtbücherei mit großem eBook-Bestand das Buch als eBook online (über die sog. “onleihe”) ausleihen konnte.

Es ist wirklich gut und macht Geschmack auf andere Bücher dieser Verlags-Reihe “Einführung Theologie”.

Der Autorin ist der Bezug der Sakramente zur Kirche immer wichtig (vorab natürlich eine gute Erklärung, was überhaupt ein S. ist) und sie kritisiert auch den - meines Erachtens nach korrekt angemahnt - geringen liturgischen Rahmen mancher Sakramente (bzw. Beichte und Krankensalbung), der besser ausgestaltet die Kirchlichkeit viel eher zum Ausdruck bringen könnte. Und sie betont klar die, ich nenne es mal so, “Mehrschichtigkeit” der Sakramente, besonders augenfällig in der Eucharistie (eben gemeinsam Opfer und Personal-, Aktual- und Realpräsenz) und der Priesterweihe (Stichworte: primäres, sekundäres und tertiäres Subjekt).
Das aber nur als Appetithappen, die Autorin selbst kann das deutlich besser als ich.

Sehr schön sind auch die kommentierten Literaturempfehlungen am Schluß eines jeden Themas. Bis auf die Firmung, die inhaltlich und historisch eng zur Taufe gehört, wird jedes Sakrament einzeln biblisch, historisch und systematisch erörtert (Spezieller Teil) - verschiedenen Sichtweisen wird dort auch kurz Raum gegeben - nachdem es zuerst im Allgemeinen Teil um die Grundlagen geht.

Also: insgesamt sehr gut.


Zurück

Veröffentlicht am Tuesday, 23. July 2013, 22:53

Da ich die letzten zwei Monate fast ununterbrochen außer Landes war und meine Zeit nicht an irgendeinem Rechner verbringen wollte, kam hier nichts neues.

Während dieser Zeit habe ich ein Buch über Gewaltlosigkeit und gewaltlosen Widerstand aus christlicher Motivation gelesen, das mich zutiefst beeindruckt hat. Die gängigen Einwände und Vorurteile werden dort alle ernsthaft und sukzessive bearbeitet und beantwortet.

Hier ist schon mal das Titelbild, auf die Inhalte gehe ich später noch mal ein. Ist keine leichte Kost, fordert ein neues Denken, aber zutiefst vom Evangelium geprägt (und somit zutiefst franziskanisch, das nur nebenbei):


Inspirierend

Veröffentlicht am Friday, 22. March 2013, 22:38

Man muß nicht mit jeder seiner theologischen Meinungen übereinstimmen, aber wenn es um die Frage der Gewaltlosigkeit geht, dann argumentiert John Dear SJ sehr überzeugend - und lebt es authentisch vor. Mehr als siebzig Mal wurde er schon aufgrund friedlichen Protestes festgenommen, hat deswegen Monate in Isolier- und Einzelhaft verbracht und sich dennoch nie stoppen lassen, sich für Frieden einzusetzen. Wahrer Frieden kommt nicht einfach so auf uns wie die Pax Romana vom großen Kaiser Augustus, wahrer Frieden wächst durch das rechte Zusammenleben der Menschen über Grenzen von Volk, Ethnie, Glauben etc. hinweg.
Dabei, und das macht das Buch auch so empfehlenswert (ich habe es schon vor Jahren gelesen), betont Dear meines Erachtens nach vollkommen zurecht, daß der Frieden mit und in sich selbst die Grundvoraussetzung ist, Frieden nach außen zu schaffen.
Da Franziskus (der aus Assisi, den anderen nenne ich auch immer Papst) ja derzeit aus aktuellem Anlaß in aller Munde ist, möchte ich nur kurz darauf hinweisen, daß er den Menschen genau dies immer wünschte und sie damit segnete, mit dem Frieden Gottes (der Name dieses Blogs ist ja der franziskanische lateinische Gruß schlechthin). Die Armut, die Franziskus leben konnte, wäre ohne diesen inneren Frieden nie möglich gewesen. Sein Einsatz für den Frieden bei Kriegen und Streitereien ebensowenig, seine Zurücknahme seiner selbst als er die Leitung des Ordens aufgab auch nicht und so weiter - all das konnte er nur, weil er den Frieden des Herrn hatte.

Was bedeutet das für uns? Viele wollen eine arme Kirche, viele wollen, daß die Kirche, wenn auch nur symbolhaft, Schritte unternimmt, damit sie selbst auf Leitungsebene wieder glaubwürdiger mit der Botschaft auftritt, die sie verkündet. Doch gleichzeitig fordern das auch manche auf sehr eindringliche Art und Weise, klagen an, glauben besser zu wissen und be- und verurteilen. Haben Sie den Frieden? Ohne den Frieden schaffen auch wir die Änderung unseres Lebens nicht, die vielleicht durch eine exponierte Person wie der Papst neu an uns als Anfrage gestellt wird (schon erstaunlich, daß der Stellvertreter manche mehr zum Denken bringt als der Chef selbst).
Daher ist Wut auf die Umstände, verbissener Wille oder Ärger über Ungerechtigkeit als Hauptmotivationen selten ein erfolgverprechendes Rezept, besonders nicht für einen selbst, wenn man anderen was substantiell Gutes tun will. Die wirkliche Motivation aus dem Glauben an Jesus heraus ist die Gnade des erfahrenen Friedens durch Ihn.


Kontrovers

Veröffentlicht am Monday, 16. January 2012, 23:20

Die Autorin hat eine sehr schmerzhafte Biographie durchlebt: zwangsweise auf die Koranschule in Pakistan, dem Heimatland ihrer Eltern, dort auch zwangsverheiratet mit allen Folgen (obwohl sie selbst ihre Jugend mit ihrer Familie in Österreich verbracht hat - außer ihr hat niemand in der Familie dem westlichen Wertesystem des individuellen Rechts etwas abgewinnen können) - dann die Flucht mit absoluter Trennung von ihrer Familie, das Finden des Liebenden Gottes in Jesus Christus. Nun setzt sie sich für Frauen ein, die ebenso gelitten haben wie sie selbst oder noch leiden, hier im dtsprachigen Europa oder auch in ihrem “Heimatland”.

Was ist gut an dem Buch?

Erst einmal ganz einfach: es ist sehr leicht zu lesen.
Es ent-täuscht. Es zerstört die westlich liberale Täuschung, daß ein Großteil der muslimischen Bevölkerung, sei es im Westen oder im arabisch-asiatischen Raum, sich schon irgendwann in ihrem inneren Wertekompaß “angepaßt” haben wird, da die Aussagen des Koran das expressis verbis verbieten. Für die überwiegende Mehrheit der Muslime gilt die wortgetreue Interpretation der moralischen Forderungen des Koran und da gibt es keinen Kompromiß.
Es zeigt zudem auf, wie alltäglich diese Themen Zwangsheirat, Quasi-Sklaverei, Polygamie, Rechtlosigkeit von Frauen etc. bei uns sind. Womöglich in meiner Nachbarschaft in meinem Viertel gibt es solche Fälle (die soziologische Struktur dafür ist mehr als gegeben).
Es zeigt zudem auf, warum die beschriebenen Gerichtsverhandlungen so selten zu einem gewünschten Ergebnis führen. Die Familienbande ist so stark - für viele Nordeuropäer in diesem Extremen nicht zu verstehen - daß die mißbrauchte Person häufig ihre Peiniger nicht wirklich bestraft sehen will.
Und es zeigt auch das für mich immer wieder überraschende Faktum auf, daß gebildete Menschen ihr (positives oder negatives, im Buch positives) Vorurteil über die eigene Religion nicht anhand der Quellen überprüfen wollen. So gibt es Muslime im Buch, die sagen, daß gewisse Sureninhalte nicht im Koran stehen würden, weil so etwas “nicht sein könne”. Überprüft wird das aber (aus Angst?) nicht.

Was ist schlecht an diesem Buch?

Ich finde es für zu leicht zu lesen, die Qualität ist mager.
Ich halte es für zu pamphletisch, da die Interpretation des Koran, die die Autorin eingetrichtert bekam, als die allein wahre dargestellt wird. Wer eine andere bevorzuge (und zwar im Lebensvollzug, nicht durch Worte), würde den Islam nur falsch verstehen. Ich denke zwar, daß diese anderen Interpretationen eine zahlenmäßig sehr kleine Minderheit darstellen (da gebe ich mich keinen Illusionen hin), aber auch sie sind schon altehrwürdig (Sufismus, Alevitentum).
Die Autorin regt sich mehrfach darüber auf, daß die Richter nicht den kulturellen Hintergrund verstünden, warum eine Anklägerin (die mißhandelte Frau) sich nicht in der Lage sieht, ihre Peiniger (häufig männliche Angehörige wie Väter oder Brüder) mit ihrer Aussage zu belasten. Auch wenn die kulturellen Hintergründe der Klägerinnen dies nachvollziehbar machen, halte ich es für eine große Errungenschaft unserer Kultur, daß niemand als schuldig gilt, solange es nicht vor einem unabhängigen Gericht bewiesen ist, auch wenn wirklich alle Beweise gegen ihn sprechen. Dies leichtfertig beiseite zu schieben ist fahrlässig.

Also ein kontrovers zu beurteilendes Buch zu einem viel zu wenig präsenten Thema.


Pflichtlektüre für bioethisch Interessierte

Veröffentlicht am Wednesday, 05. October 2011, 22:38

Es ist mir leider nicht möglich, auf die einzelnen sehr interessanten Beiträge einzugehen, die in diesem katholisch-moraltheologisch orientierten Kompendium versammelt sind. Es sei am Anfang nur darauf hingewiesen, daß das Buch trotz seines Alters von einigen Jahren immer noch hochaktuell ist. Auf die Präimplantationsdiagnostik wird bspw. sehr eingegangen.
Grundsätzlich werden aber einige Grundlinien gezogen, die für alle weiteren bioethischen oder medizinethischen Entscheidungen von unverzichtbarer Wichtigkeit sind: was macht den Menschen zu einer Person? Warum ist das wichtig? Gibt es einen Unterschied in der Würde zwischen Mensch und Person? Wie sieht es mit der Beseelung aus? Wie weit lassen sich katholische Positionen überhaupt noch einer pluralistischen Umgebung einbringen (eminent wichtig!)? Wie sieht es aus mit dem Leid? Gibt es ein Recht auf Leidminimierung? Was bedeuten Biopatente? und vieles mehr.

Sehr zu empfehlen für all die, die sich ein allumfassendes Bild machen wollen, ohne das Kompendium direkt als lehramtliche Autorität mißzuverstehen. Aber man gewinnt neue Sichtweisen, hinterfragt angebliche Selbstverständlichkeiten und versteht, worum es im großen und ganzen und sehr konkret auf den unterschiedlichsten “Kampfplätzen” (so heißt das im Buch nicht) wie PID und Biopatente eigentlich geht.


Anwendbar

Veröffentlicht am Tuesday, 14. December 2010, 09:14

Auch wenn es in diesem Buch um die geistliche Auseinandersetzung mit dem Marxismus geht und um die Stellung, die ein Christ dort einnehmen sollte - während er in vielen sozialen Fragen gar nicht so unsozialistisch denken sollte - ist die Grundausrichtung des Buches bis heute sehr aktuell.
Heute ist nicht das alternative Sinnangebot der größte “Konkurrent” im Westen, sondern die Überzeugung, daß es keinen letzten Sinn (mehr) gebe. In den östlichen Bundesländern sind über 80% religiös ungebunden, die meisten von ihnen vermissen anscheinend nichts. Die “Konfessionslosen” stellen mittlerweile die größte Bevölkerungsgruppe dar.
Das bedeutet nicht, daß es keine Berührungspunkte mit ihnen geben soll, daß man nicht für gemeinsame Ziele arbeiten woll, ganz im Gegenteil. Wenn wir in unseren Lebenswelten mit ihnen zu tun haben, genauso wie mit Gläubigen anderer Religionen, dann ist es unsere Aufgabe, so Madeleine Delbrêl ganz nach dem Evangelium, nicht die Köpfe zusammenzustecken und sich abzusondern, sondern die anderen vorbehaltlos zu lieben suchen. Trotz aller prinzipiell möglichen Kritik an ihren Grundüberzeugungen.

Dabei steht für Delbrêl, und das ist evtl. für manch eine theologische Sichtweise nicht so angenehm, die Einheit der Kirche über allem. Sie hat es in ihrer lokalpolitischen Arbeit vor Ort im französischen Ivry gelernt, genauso wie es heute noch zum Einmaleins der Politik gehört, daß man nur dann mit Zustimmung rechnen kann, wenn man nach außen hin geschlossen auftritt. Ohne Profil keine Haftung (passend zur Winterreifenpflicht). Das bedeutet für sie, daß sie nur zusammen mit und in der Kirche tätig wird, ein Agieren als Christ gegen die Lehre der Kirche kam für sie nie in Frage.

Die Sympathie, die sie für viele Marxisten im Laufe der Jahre entwickelte, speiste sich aus dem Respekt gegenüber der Wahrhaftigkeit der Überzeugung des anderen heraus - obwohl sie diese Überzeugung für zutiefst falsch hielt. Das beispielhafte Leben als Christ war ihre Antwort, bewußt nur aus Taufe und Firmung heraus und ohne andere Weihen oder Ämter.

Das ist eine große Aufgabe für heute. Nur falls ein Laie mal wieder meint, die Kirche könne ihn nicht gebrauchen …


Fremdgewildert

Veröffentlicht am Tuesday, 06. July 2010, 09:12

Das Titelbild ist zwar eine Katastrophe, ich weiß wirklich nicht was den Verlag da geritten hat, aber der Inhalt kann sich sehen lassen. Dazu kommt auch noch, daß es sich um zwei protestantische Autoren handelt, die das Thema bearbeiten (warum lesen Katholiken so selten prot. Theologen?). Das Thema ist Jesus, und die These lautet, daß Er einfach zu wenig das zentrale Thema in der Kirche ist.

Es läßt sich kaum leugnen, daß diese These auch bei uns zu oft zutrifft, auch wenn ich natürlich die Autorenmeinung zur Ekklesiologie (Lehre der Kirche über sich selbst) nicht teile -da hatten die Autoren ein äußerst seltsames Bild der Katholischen und Orthodoxen Kirche gezeichnet.

Die Autoren behaupten, daß Jesu Handeln, Seine Worte und Sein Wesen generell als so normales Allgemeingut gelten, daß Sein unvergleichlicher Anspruch schon gar nicht mehr wahrgenommen wird. Auch bei uns geht es viel mehr um Ämter, Lebensformen, Kleidung und generell um das, was die anderen so alles falsch machen. Auch bei uns ist man sich zu sehr sicher, daß Jesus immer da ist, so daß es zu oft nicht um das geht, wofür Er steht

Die Spannung zwischen Charisma und Amt wird ausführlich dargelegt - und hier fällt auf, daß wohl auch wohl Protestanten katholische Bücher selten lesen, denn darüber gibt es bei uns nun mehr als genug, unsere Erfahrung hier betrifft Jahrhunderte.

Die Schlußfolgerung der Autoren, daß die Mission der Kirche wichtiger sei als die Anbetung, teile ich so nicht, aber das katholische Sowohl-als-auch ist in diesem Buch typischerweise nicht zu finden. Die Mischung macht’s eben.

Sehr überzeugt hat mich dagegen ein kleines Schaubild, welches Kreise von Orthodoxie (dem rechten Glauben), Orthopaxie (dem rechten Handeln) und Orthopathie (dem rechten Fühlen) wie bei einer Mengenlehre darstellt. Letzeres wird häufig vernachlässigt, aber erst die Schnittmenge von allen Dreien macht einen Christen mit einem aktiven Glauben aus, bei dem das Wichtigste, die Liebe, nicht fehlt.

Alles in allem ein mit Abstrichen durchaus empfehlenswertes Buch. Natürlich ist es immer so eine Sache, wenn jemand seine Privatmeinung als das Kirchenbild par excellence darstellt und die Kirche gleich neu gründen will (so auch hier im Buch), aber als Inspiration darf das ja getrost wahrgenommen werden.


Nichts Neues

Veröffentlicht am Tuesday, 25. August 2009, 15:27

Wer sich mit dem Primat des Petrus beschäftigen will, kommt an dem Leben der “geeinten” Kirche (in “”, weil es auch da immer wieder Streitereien und Spaltungen gab) des Ersten Jahrtausends nicht vorbei. Daß es da grundsätzlich andere Beurteilungen seitens des Ostens und des Westens gibt, ist auch verständlich - und diese Differenzen wird auch kein noch so schlaues Buch aufheben können. Das nebenstehende, von dem hier mangels Alternative nur der Kopf der Einbandes gezeigt wird, hilft aber enorm, das Vorurteil der “Neuerfindung” bzgl. der päpstlichen Unfehlbarkeit aufzuheben. Schon der orthodoxe Theologe Olivier Clément soll gesagt haben (mir fehlt der exakte Quellbeleg, aber es war wohl in seinem Buch “You are Peter“), daß Leo der Große - um genau den geht es in diesem Buch - die römische Primatslehre voll ausgebildet hatte. Stichwörter, die auch mir neu waren, wären bspw. “Räubersynode”, Flavian, Tomus Leonis und der Kanon 28.

Mehr darüber in diesem faszinierenden Buch, für eine Habilitationsschrift erstaunlich gut lesbar geschrieben (natürlich sind Latein- und Griechischbruchstücke unübersetzt, aber für eine Habil ist das okay) und vor allem lebhaft. Man lebt diese Zeit mit, man merkt, worum es ging, man erliest sich die Machtspiele, Sorgen für den Glauben, Intrigen und Eitelkeiten.

Nein, der römische Primat ist nichts Neues - weder für den Westen noch für den Osten.


Anspruchsvoll

Veröffentlicht am Monday, 11. May 2009, 23:23

Der Buchumschlag sagt eigentlich nur, daß der Autor, Dogmatiker aus Bonn und von mir wegen seiner nüchtern fundierten orthodoxen Argumentation gerne gelesen, gegen die sog. Pluralistische Religionstheologie anschreiben würde. Doch das Buch ist viel mehr, es ist eine komplette Christologie und zeigt die spannende Entwicklung der Dogmatisierung bis zu dem sehr spannenden Fragen der Neuzeit und Postmoderne (z.B.: was genau ist denn jetzt Erlösung?).

U.a. zeigt sich am Thema Christologie auch, daß es natürlich schon in der Alten Kirche Dogmenentwicklung gegeben hat- sowohl von ostkirchlich-orthodoxer wie lateinisch-traditioneller Seite habe ich dagegen des öfteren gelesen, daß Weiterentwicklung ein Zeichen für Abfall vom rechten Weg sei.

Das Buch ist anspruchsvoll, man kann es nicht so in einem Rutsch durchlesen, dazu ist es aber auch nicht gedacht. Eine Unmenge an Literaturangaben und Primärquellen hat dabei der Autor durchgeackert, alleine das verdient schon Respekt.

Leider gibt es ein kleines Manko für ein Buch, das sich nicht explizit an Theologie-Studenten richtet - das aber mehr dem Lektorat des Verlages auffallen sollte - die griech. Wörter werden nicht immer in lateinischem Alphabet wiedergegeben. Für Menschen wie mich, die ihre Kenntnisse weniger griechischer Buchstaben dem Mathe- und Physik-Unterricht der Schule vedanken, ist das manchmal hinderlich.

Ansonsten: für Interessierte sehr zu empfehlen!


Alt und neu

Veröffentlicht am Thursday, 19. March 2009, 13:01

Hochfest des Hl. Josef.

Bereits hier hatte ich erwähnt, daß ich derzeit mit großem Gewinn eine historisch-kritische Einführung ins Neue Testament lese, ich hatte zuerst den 2. Band und beschäftige mich daher mit den Paulusbriefen. Schon vorher hatte ich allerdings eine andere Schriftreihe entdeckt, die zwar nur noch antiquarisch zu haben ist (die Neue Echter Bibel findet man so auch günstiger), aber dennoch alles andere als veraltet. Insbesondere weil sie eine Imprimatur hat (also die sog. “Kirchliche Druckerlaubnis”) und aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stammt, gibt sie der Exegese einen anderen Schwerpunkt.
Dieses “Regensburger Neues Testament” nimmt zwar bereits die historisch-kritische Exegese auf, aber bspw. bei der Verfasserfrage der paulinischen Schriften (also ist ein Brief wirklich von Paulus oder nur in seinem Namen von jemand anderem geschrieben worden) neigt sie doch zu der traditionellen Antwort, daß die paulinischen Briefe auch von ihm seien - aber das auch wohl begründet (die Rezeption in der frühen Kirche bzgl. dieser Frage kommt mir bei Broer zu kurz).

Daher lohnt es sich wirklich, beides zusammen zu lesen, da beide Seiten unterschiedliche Argumente anders wichten und man daher schon besser eine eigene Meinung haben kann.

Bislang habe ich mich (fange ja erst an) mit den beiden Briefen des Paulus an die Gemeinde in Thessaloniki beschäftigt und neige der Ansicht zu (die laut Broer - hier wieder der Verweis zum verlinkten früheren Beitrag - auch akzeptabel ist, auch wenn er sie nicht teilt), daß beide Briefe wirklich von Paulus stammen bzw. der zweite zumindest in seinem Wissen und mit seiner persönlichen Autorisierung geschrieben wurde.

Daß das alles eine andere ganz andere Herangehensweise an die Schrift ist als eine geistliche, ist mir klar. Aber ich muß zugeben, daß sie mir Spaß macht.

Das Regensburger Neues Testament ist je Band sowohl eine Einführung als auch eine Auslegung der jeweiligen Schrift, dadurch natürlich knapper als Die Neue Echter Bibel.


Mit Gewinn lesen

Veröffentlicht am Wednesday, 11. March 2009, 15:51

Lange Zeit stand ich der sog. historisch-kritischen Exegese (kurz HKE) recht kritisch gegenüber. Da schien mir doch zuviel über Bord geworfen worden zu sein: der historische Jesus versus den Jesus nach Ostern (also rückblickend interpretierte), seine eigenen Worte versus denen, die ihm in den Mund gelegen worden sein sollen, die echten versus den unechten Paulusbriefen etc. - und dies nur in Beziehung zum Neuen Testament!

Doch ich habe jetzt festgestellt, daß es nicht an der HKE liegt, was in mir Unbehagen ausgelöst hat, sondern die Art und Weise, wie nicht die Protagonisten dieser Methode, sondern deren Schüler (also meistens Theologen, die das zwar gelernt hatten, aber vielleicht mangels Zeit sich nie tief ins das Thema knien konnten) das ganze verkauften an die theologische Laienschar.

An andere Stelle schrieb ich kürzlich dazu (albern, ein Selbstzitat):

Im Moment lese ich übrigens mit großem Gewinn die beiden Einführungsbände ins NT von Ingo Broer der “Neuen Echter Bibel” (ein historisch-kritischer Kommentar basierend auf dem Text der EÜ). Ich stelle fest - mea culpa - daß mich die HKE eigentlich überhaupt nicht stört, wenn sich ihre Vertreter, wie es Broer wohltuend macht und wie es m.E. einem jeden Geisteswissenschaftler ansteht, die eigenen Meinungen nicht nur behauptet, sondern begründet, Nebenmeinungen zuläßt und darlegt und generell die Grenzen der eigenen Erkenntnis deutlich macht.

Bisher hatte ich mehr von den Schülern der HKE gelesen und gehört, die einfach nur Meinungen wiedergegeben haben à la “der Kolosser-Brief ist sicher nicht von Paulus, da hat die Wissenschaft lange bewiesen”. Daß es da immer einen Fluß an Meinungen gibt, daß ein Konsens bröckeln und sich ändern kann, daß es in dem Gebiet überhaupt keine Be-, sondern höchsten Hinweise geben kann, kam mir da immer zu wenig raus.

So wie bei Broer ist die HKE dagegen ein absoluter Gewinn.

Und hier findet sich das Bild eines Bandes von den beiden, auf das sich das Zitat bezieht.


Unbedingt zu empfehlen!

Veröffentlicht am Thursday, 05. March 2009, 22:43

Es gibt wenig besseres, was man zurückgezogen tun kann, als in der Bibel zu lesen. Insbesondere in der Fastenzeit und dazu noch im Paulusjahr kann man sich bspw. gut mit den Schriften dieses großen Mannes beschäftigen.

Doch vielleicht bin ich nicht der einzige, der lange Zeit dachte: wo fange ich nur an? Wie kann ich diesen Berg “Heilige Schrift” auch nur ansatzweise erklimmen, zumindest sinnvoll anfangen, zumindest beim Neuen Testament?

Natürlich hat da jeder andere Ziele: der eine bevorzugt die lectio divina, der andere fängt einfach vorne an und liest alles durch, der andere liest jede Fußnote und blättert jeden Hinweis auf das AT durch und bleibt lange an einem Vers hängen.

All das ist gut. Was mir aber am Anfang fehlte, obwohl ich schon häufig das NT komplett gelesen hatte, war das, was die Angelsachsen mit “the big picture” meinen - ein Abriß und Überblick über Anlaß, Ziel und Gruppe bspw. eines Paulusbriefes. Gleichzeitig sollte eine Einführung aber nicht nur das bringen, sondern auch Hilfen für ein vertiefstes Studium, Querverweise, Erläuterungen auch von einzelnen Wörtern, Hintergrundinfos - also alles von oberflächlich bis tief.

Und genau das leistet dieses Buch des Patmos-Verlages - man kann es einfach durchlesen und weiß schon viel mehr, aber auch die Arbeitsanweisungen durchackern, dann ist es ein wirkliches Arbeitsbuch. Es wird ein genereller Überblick geboten, aber auch diffizileres angesprochen. Bestes Beispiel: die Gründe Für und Gegen eine Verfasserschaft von Paulus beim 2. Brief an Timotheus werden angeführt, damit sich der Leser - selten zu finden - eine “eigene Meinung bilden kann”. Sehr erfrischend!

Die einzelnen Texte werdern zwar sehr kurz abgehandelt (es ist auch nur eine kurze Einführung ins NT), aber dafür wird der Leser mitgenommen auf verschiedene Reisen: Frauen im NT, die Kirche im NT, Jesus im NT und vieles mehr. Sehr zu empfehlen. Macht Spaß und ist super zu lesen.

Vielleicht keine Überraschung, daß es die Übersetzung eines französischen Buches ist.


Ohne ISBN

Veröffentlicht am Wednesday, 19. November 2008, 12:38

und damit nicht im Buchhandel bestellbar, sondern nur hier, ist dieses ca. 600 Seiten dicke Nachschlagewerk dennoch absolut unentbehrlich für jeden, dem das Schicksal der Verfolgten Glieder Jesu Christi nicht gleichgültig ist:


Interessant

Veröffentlicht am Saturday, 20. September 2008, 20:45

Es gibt kaum einen anderen Mann, der von der weit überwiegenden Ärzteschaft so verabscheut wird wie der Autor dieses Buches, das ich u.a. genau deswegen gelesen habe (nein, ich verabscheue ihn nicht, tue ich m.W. niemanden). Karl Lauterbach ist Mitglied des Bundestages (SPD), Direktmandatsträger. Er ist ein exponierter Fachmann auf dem Gebiet der Gesundheitspolitik. Sein Buch geht natürlich auch darüber, aber auch über die systemimmanenten Ungerechtigkeiten der Bildung, Rente und Pflegeversorgung.

Was die Gesundheit angeht, und da kenne auch ich mich ja berufsbedingt mehr als nur ein wenig aus, so stimme ich den Diagnosen größtenteils zu, halte aber die Therapievorschläge zumeist für falsch (ähnliches kann ich vom Sozialismus behaupten). Zum Teil habe ich ein anderes Menschen- und Staatenbild als Herr Prof. Lauterbach.

Ach ja, Profesor ist er auch, auch Leiter eines Institutes, welches sich der Gesundheitsökonomie widmet. Deren Ergebnisse werden im Buch auch häufig als Quelle gebracht- daß er diesen Laden gegründet hat (ich weiß nicht, ob er ihn noch leitet), erwähnt er nur einmal nebenbei. Daß er neben dem Mandat im Bundestag auch noch im Aufsichtsrat einer der größten Klinikketten sitzt, erwähnt er gar nicht. Daß er im Wissenschaftlichen Institut der AOK sitzt, auch nicht. Daß das Bundestagsmandat ihn offensichtlich nicht so ausfüllt und er daher noch Zeit und Energie (und finanzielle Aufwendungen bekommt und bekam) für insgesamt über ein halbes Dutzend anderer Tätigkeiten hatte oder hat, erwähnt er - wen wundert’s - auch nicht. Schmälert dann doch den Wert dieses Büchleins…

Ach ja, Medizin studiert hat er. Aber als klinischer Arzt (also in Krankenhaus oder Praxis) hat er nie gearbeitet.

Aber kurz etwas zum Inhalt: Daß die Sozialsysteme präkollaptisch sind (u.a. weil jedes Jahr über 120.000 gezeugte Kinder nicht geboren werden), ist ja mehr als bekannt.
Herr Prof. Lauterbach will dafür die Finanzen auf eine viel breitere Basis stellen (hauptsächlich Steuern), was ich auch gut verstehen kann. Das aktuelle System ist, da man aus der Solidarität aussteigen kann wenn man wohlhabend genug ist, ganz einfach asozial.
Aber im Détail sehe ich doch vieles anders: er behauptet, Erbschaft sei ein ungerechte Art von Reichtum - was soviel heißt wie daß es ungerecht sei, von sparsamen Eltern zu profitieren, die ihre Kinder für die Zukunft nach eigenem Wunsch mit bereits versteuertem Geld versorgen wollen. Das sehe ich gelinde gesagt anders.
Er will die Ganztagsgesamtgrundschule als Pflicht. Das sehe ich ebenfalls anders - hauptverantwortlich sind die Eltern, nicht der Staat. Das Angebot sollte da sein, für alle erreichbar (daher kostenlos), aber Pflicht? Nein.
Die Liste der Meinungsverschiedenheiten könnte man lange fortsetzen, insbesondere beim Gesundheitssektor. Aber da hat er sich ja selbst eh schon disqualifiziert als neutrale Position.


Mal wieder Empfehlung

Veröffentlicht am Tuesday, 01. July 2008, 11:32

Derzeit ist es diese eine Schriftstellerin, die aus zutiefst russisch-orthodoxer Sicht das Leben hier im Westen messerscharf analysiert, die für mich eine wichtige geistige Nahrung darstellt (schon mal hier zitiert).

Tatjana Goritschewa.

Ihre Bücher sind zwar aus den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts, aber die Analyse ist nachwievor richtig. Und ihre Antwort beeindruckend. Besonders das erste Buch schildert die dramatischen Opfer, die Neubekehrte für ihren Glauben freudestrahlend darbrachten. Könnte ich das?

Von Gott zu reden ist gefährlich

Die Kraft christlicher Torheit

Die Kraft der Ohnmächtigen


Viel besser als gedacht

Veröffentlicht am Tuesday, 17. June 2008, 10:26

Zuerst war ich ja skeptisch, als ich das Buch geschenkt bekam und mich entschloß, diesem als Urlaubslektüre mal eine Chance zu geben. Doch Andreas Englisch, BILD-Vatikanreporter (die Sache mit den vier großen Lettern ließ mich zuerst die Stirn runzeln), schreibt wirklich sehr angenehm über das, was so viele Zeitgenossen beschäftigt bzw. was viele Zeitgenossen ablehnen: die Frage nach der Wahrheit der Wunder, die von der Gliedern der Kirche als Tatsache geglaubt werden dürfen (nicht müssen übrigens), die also offiziell anerkannt wurden. Im weiteren Sinn gehören zu diesen Wundern auch Exorzismen, auch dieses Thema wird zu Anfang behandelt. Ansonsten geht es insbesondere um Marienerscheinungen und fragliche Reliquien Jesu.
Das besonders Angenehme an den Ausführen Englisch’ ist es, daß er es dem Leser letztendlich selbst überläßt, an Faktizität der Geschichten zu glauben oder nicht, er selbst legt sich auch nicht ganz fest. Daß er jedoch Zweifel an zuvor sicher Geglaubtem schürt, ist ein Verdienst.
Englisch ist eben ein Kind des 20. Jh. mit all seiner Geschichte, und wenn sich eines herausgebildet hat mit der Erfahrung dieses Jahrhunderts, dann ist es: erst einmal niemandem glauben. All das wird offen angesprochen, das macht das Buch sehr lesenwert.


Neue Quelle

Veröffentlicht am Sunday, 12. August 2007, 23:06

Dies Domini.

Als ich dieses Buch fand, in einem Klosterbuchladen und zu herabgesetztem Preis, dachte ich: ach, mal wieder was “Neues” franziskanisches, naja, Du hast ja eh schon mehr oder weniger die wichtigsten Sachen.
Und dennoch, wie bei manchen Buchthemen, ich nahm es mit, so teuer ist es ja nicht.

Es stellte sich heraus, daß es ein wirklicher Edelstein an franziskanischer Literatur ist. Wenn man “Franziskaner” hört und überlegt, was die so tun, dann denkt man an Sozialarbeit, an Friedensarbeit, an Ökologie etc.
Das ist auch alles richtig und wichtig, doch hier wird einmal der Urgrund dessen herausgestellt, der die Franziskaner und Klarissen (letztere sind ja eh bedeutend kontemplativer, eben im abgegrenzten Kloster lebend) dazu bringt, solches zu tun (bzw. bringen sollte, da liegt menschelt es auch sehr).

Was unterscheidet franziskanische Spiritualität bspw. von der der Benediktiner? Wie sehen sie die Welt und den Nächsten? Wie sehen sie den Mitmenschen anders als andere? Was ist franziskanische Mystik, wie unterscheidet sie sich vom Einheitsstreben mancher östlicher Religionen?

Und vor allem und am wichtigsten: was hat das mit mir zu tun, ja, im wahrsten Sinne des Wortes und ganz im heute: was habe ich davon?

Dies alles und mehr beantwortet dieses Buch auf eine sehr gute Weise, sozusagen anwenderfreundlich.

Für alle franziskanisch Interessierten: lesen. Und versuchen zu leben. Für mich wird es eine immer wieder wichtige Quelle werden.


Lehrreich

Veröffentlicht am Monday, 21. May 2007, 22:48

Mit insgesamt rund 900 Seiten sind diese beiden Bände schon vom Umfang her schwere Kost, bin auch noch nicht ganz durch. Doch auch so ist es ein eher anspruchsvolleres Lesen bzw. Verstehen - und da scheitere ich wohl auch mal ab und an. Doch Gewinn habe ich auf jeden Fall aus dieser Lektüre gezogen, und den möchte ich mal kurz anreißen.

1. Klar wurde mir vor allem mal wieder der Reichtum der Hl. Schrift in ihrer Gänze und daß wohl ein kleines Menschenleben wie meines nicht ausreicht, etwas von der Tiefe auch nur ansatzweise hinreichend auszuschöpfen. Dadurch wird aber auch der Spaß an der Bibel nicht weniger, sondern mehr.
2. Daß die Bibel mit ihren beiden Teilen jeweils auf ganz eigene Art Zeugnis von Jesus als dem Messias und Sohn Gottes abgibt, daß beide Teile unverzichtbar sind, zusammengehören in ihrer unbestreitbaren Andersheit.
3. Eines fällt direkt auf, da der Autor Brevard S. Childs schon von Beginn an die Meinungen zahlreicher Exegeten und Theologen kommentiert: es gibt eine Unmenge von Theologenmeinungen, und die Tatsache, daß ein Theologe in seinem Spezialfach etwas sagt, macht es noch lange nicht zur “wissenschaftlichen Wahrheit”. Neuzeitlich sind wir sehr durch den naturwissenschaftlichen Umgang mit dem Begriff der Wissenschaft selbst geprägt, und die da herrschende strikte Kontrolle durch Fachkollegen (peer review) gibt es zwar auch in der Theologie, doch als Geisteswissenschaft hat sie natürlich ein ganz anderes Maß an möglichen Meinungen und Theorien, da es nicht um Nachprüfbarkeit per Experiment geht, sondern um Interpretation. Früher oder später landet man bei so einem manches Mal Meinungs-Touhouwabouhou doch bei einem benötigten Lehramt, zumal es immer um die Wahrheitsfrage in der christlichen Theologie gehen muß (will sie was wert sein) und der ewige Disput nirgendwohin führt, wo Klarheit nötig wäre. Übrigens kritisiert Childs hier die historisch-kritische Methode, da sie von der Methode her die Wahrheitsfrage ausklammern muß und viele Vertreter dieser Methode das aber nicht täten.
4. Das Neue Testament ist das Resultat der schriftlichen Niederlegung der Erfahrung der ersten Christen mit dem Auferstandenen - eine Leugnung der Auferstehung mithilfe der Evangelien ist somit vollkommen hirnrissig. Man kann gleichermaßen die Bundesrepublik Deutschland nicht sinnvollerweise mithilfe des Grundgesetzes leugnen, welches es ohne sie nicht gäbe.
5. Kommt es zum Thema Rechtfertigung, so ist Childs durch und durch Anhänger der Reformation, wie er auch grundsätzlich kaum katholische Exegeten zu Wort kommen läßt. Aber das mindert den Gewinn der Lektüre keineswegs.
Und 6. und für mich am bedeutendsten: ich lese die Bibel nicht so wie Exegeten es anscheinend tun. Ich kann und will sie nicht so lesen. Für mich steht die Geistliche Lesung über der eher nüchternen Art der aktuellen Theologie. Ich bin aber froh, dies auch vertrauensvoll dem wissenschaftlichen Austausch in der Kirche zu überlassen, mit allen in 3. genannten Voraussetzungen. “Bei uns” muß ja nicht jeder alles machen, sondern als Glieder des einen Leibes hat jedeR den je eigenen Job zu tun.


In einem Rutsch

Veröffentlicht am Saturday, 13. January 2007, 12:35

durchgelesen habe ich dieses Buch. Nun ja, nahezu, aber innerhalb weniger Tage war es durch. Der Inhalt verspricht weit mehr als der etwas spröde Klappentext.
Da mich seit Beginn meiner religiösen Existenz die islamische Welt interessiert, konnte ich diesem Buch nicht widerstehen, zumal es mittlerweile recht günstig zu bekommen ist.

Bereits vor rund drei Jahren habe ich hier das Testament des Priors der Trappisten im algerischen Tibhirine, Christian de Chergé, in einem Eintrag verbreitet - und wundere mich jetzt übrigens darüber, daß ich damals schon von dem Buch wußte.
Selbiges beginnt bei der Lebensgeschichte des späteren Priors Christian, seine Leidenschaft für Algerien, seine Lebensrettung dank eines einfachen Muslimen, der wie die große Mehrheit friedliebend war und dafür sterben mußte, daß er einen “Roumi” (Christen) schützte.
Es zeigt, wie Inkulturation funktionieren kann. Das Buch zeigt auch, daß es nur über Liebe geht, daß Mission unter Muslimen heutzutage insbesondere Mission durch Lebenszeugnis ist (zumal in einer Bevölkerung mit hohem Anteil an Analphabeten, wie in fast allen arabischen Ländern). Es gab auch Konflikte innerhalb der Brüder, deren Alltagsleben und auch spezifisch Mönchische nicht so sehr beleuchtet wird wie das Leben innerhalb eines muslimisch geprägten Landes, die daherrührten, daß der Prior nach Meinung einiger Brüder zu wenig die eigene christliche Identität hervorhob. Dazu wird der Bürgerkrieg in Algerien selbst gut erläutert und mit Hintergründen gespickt erklärt.

Als Christ unter muslimischer Mehrheit, das erkannte schon Franziskus vor fast 800 Jahren, geht es besonders um das “unter”. Das war zu Zeiten des Heiligen aus Assisi unbeliebt und ist heute auch kein Mainstream innerhalb der Kirche. Doch ich denke es ist eben der Weg der Liebe.

Sie fingen mit zwölf an.