Veröffentlicht am Monday, 27. February 2006, 00:36
Als ich mich mit Anfang 20 bewußt für die Katholische Kirche entschied, waren mir einzelne Fragen (Sexualmoral, Priestertum der Frau, Scheidung etc.) reichlich egal. Ich verstehe auch nicht, wie jemand seine Entscheidung an solchen Einzelpunkten aufhängen kann, auch wenn ich das natürlich respektierte.
Mein Glaubensweg war durch und durch intellektuell geprägt (damit meine ich keine intellektuelle Leistung, sondern der Umstand, daß ich alles durchdenken mußte und immer noch muß). Ich mußte nachschauen bei den ersten Kirchenschriftstellern, den Kirchenvätern, wie der Glaube am Anfang war. Und die Grundlagen der Reformation (nur die Schrift, nur der Glaube, nur die Gnade) fand ich dort nicht. Vielmehr fand ich kein reformatorisches solus, nur, sondern ein, wie ich später feststellte, sehr katholisches et…et, sowohl als auch.
Ich wollte und will den Glauben der Jünger Jesu. Und da bin ich einfach näher dran, wenn ich an den Anfang gehe. Nach dem ganzen Quellenstudium war mir klar, daß die Sakramente, das Kirchenverständnis, die Liturgie der Kath. Kirche wie der Orthodox. Kirche vom Ursprung her stammen. Die Reformation schied schon früh aus, ich fand sie einfach nicht in den frühen Schriften (ein Augustinus macht noch keine Kirche übrigens, er selbst würde das auch nicht behaupten). Und wenn die Überzeugung da ist, daß der Herr die Kirche nie verlassen hat, dan ist sie auch nicht wiederaufgetaucht nach vielen Jahrhunderten Inexistenz, wie bspw. Neuapostolen glauben.
Die Entscheidung zugunsten der Kath. Kirche und nicht für die Orthodoxe (es war kein gegen die Orthodoxen) beruhte ebenfalls auf theolog. Erwägungen, gleichzeitig aber auch auf praktischen, da ich u.a. die bestehenden Juristiktionsstreitereien zwischen versch. orthodoxen Kirchen (also welcher Patriarch hat wo das letzte Wort) als inkompatibel mit dem Verständnis von der Einen Kirche ansehe. Abgesehen davon ist Petrus in der Kirche ein Muß.
Es sind also sehr ähnliche Beweggründe gewesen, die mich zurück in die Kirche brachten, wie sie auch viele amerikanische Neu-Katholiken haben (scipio berichtete). Ich wollte in der Kirche Jesu Christi sein, also, wie ein Gast der Jubiläumsausgabe von Journey Home bei EWTN sagte (er war vorher Jude), ich wollte wie dieser “the real deal”.
Deswegen stört mich auch der Begriff “Konfession”. Ich gehöre keiner “Konfession” an, ich gehöre der Kirche an, der Kirche Jesu Christi, sichtbar in Raum und Zeit auf der Pilgerschaft durch die Welt, doch ihre Grenzen überschreitend und mit dem Chor der Engel den Herrn preisend. Meine Konfession, also mein Bekenntnis, ist das Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel oder in Kurzform das Apostolische. Die Katholische Kirche ist keine Konfession, was auch immer Protestanten behaupten mögen.
Doch auch diese Überzeugung läßt die Frage nach den berühmten Streitthemen dann letztendlich ja nicht unberührt. Ein bloßes Abnicken aller römischen Statements widerspräche sicher ebenso unserem göttlichen Geschenk des Verstandes wie ein reflexhaftes Zurückweisen aller Maßgaben, die nicht dem eigenen Gusto entsprechen (dann landen wir schnellstens beim Hochmut, sei er einzeln oder gesamtgesellschaftlich). Ich muß gestehen, daß mich bisher nahezu alle Lehren der Kirche intellektuell vollkommen überzeugen, unabhängig davon, ob ich sie einhalte oder nicht (verstieße ich bewußt gegen sie, wäre ich mir also der Sündhaftigkeit voll bewußt, müßte mir das keine Angst machen, schließlich starb Er ja für diese Verfehlungen. Ist aber schlimm, Ihn so oft neu zu kreuzigen…). Diese Überzeugung konnte aber nur daraus erwachsen, weil ich mich nach bestem Bemühen vorurteilsfrei mit der Lehre der Kirche auseinandergesetzt habe (als damals Kulturkatholik war das nicht einfach). Es war mehr als versuchte Freiheit von Vorurteilen, es war ein gewisses Wohlwollen, eine Grundstimmung von “die können über Jahrhunderte ja nicht nur Blödsinn verzapft haben”.
Die absolute Kohärenz der Lehre ist manchmal schon eine Last, weil ich mein eigenes Leben dagegen ansehe, welches so einen Kontrast dazu abgibt. Wer lebt schon voll schlüssig und sich immer treu. Doch diese Last wird leicht, wenn ich daran denke, daß der Anfangs- und Endpunkt immer die Erlösung der Sünden durch Jesus ist. Es ist mir absolut unbegreiflich, wieso dies nicht mehr im Mittelpunkt steht, jeden Tag. Die Kreuzigung ist nur deswegen von Belang, die Auferstehung als Siegel der Wahrheit Jesu hat nur deswegen Bedeutung, weil Er Sein Leben für uns hingab.
Menschen haben Angst zu sündigen, manche Christen haben Angst zu sündigen. Warum???
Da die Vergebung Jesu direkt in der bei mir mal wieder längst fälligen Beichte unmittelbar erfahrbar ist, können wir diese Angst verwerfen. Ob die Abnahme der Beichtfrequenz mit der subjektiv empfundenen Kränkung durch die Behauptung “auch Du bist ein Sünder” einhergeht? Wer keine Vergebung erfährt, will sie vielleicht auch nicht benötigen müssen…